Christoph Schultheis

BILDblogger Christoph Schultheis war am 6. Februar der erste Gast in der Blogsprechstunde von politik-digital.de in Kooperation mit den Blogpiloten. Im Chat ging es um Blogs als Wachhunde der Demokratie und BILDblog-Ausdrucke in der BILD-Redaktionskonferenz.

Moderator: Herzlich willkommen zur Blogsprechstunde mit BILDblogger Christoph Schultheis. Gleich um 16 Uhr geht es los, Sie können aber schon jetzt Ihre Fragen stellen. Vorab ein Hinweis in eigener Sache: Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Relaunch von politk-digital.de. In den nächsten Wochen wird es ein neues Redaktionskonzept geben und auch ein neues Design, das hier im Chatraum schon zu sehen ist. Viel Spaß beim Chat!

Moderator: So, Christoph Schultheis ist schon bei uns im Büro eingetroffen, so dass es gleich los gehen kann – wir melden uns dann um Punkt 16 Uhr mit den ersten Fragen.

Moderator: So, wir machen uns startklar, gleich geht es los. Punkt 16 Uhr: Willkommen zum Chat mit Christoph Schultheis. Können wir starten?

Christoph Schultheis: Gern.

oli: Wie kommen sie damit zu recht, morgens aufzustehen und schon wieder in die BILDzeitung gucken zu müssen. Ich hätte die ganze Nacht Albträume… P.S: Weiter so!

Christoph Schultheis: Die BILD-Zeitung musste ich ja auch schon jeden Tag lesen, als ich noch als „normaler“ Medienjournalist gearbeitet habe. Und einer muss es ja tun.

Heringsfilet: Wird BILDblog in Zukunft auch andere Medien ins Visier nehmen oder bleibt BILDblog bei der BILD? Wenn ja, mit welcher Begründung?

Christoph Schultheis: Wir haben das nicht geplant. Ich glaube, dass es sich durchaus lohnt auch andere Medien so zu beobachten wie wir BILD – ob den SPIEGEL oder die kleine Lokal- oder Regionalzeitung irgendwo in Deutschland, aber BILD ist nun mal die größte Tageszeitung – und leider auch die mit den meisten (und schlimmsten) Fehlern, Sinnentstellungen, Irreführungen und Verletzungen von Persönlichkeitsrechten oder journalistischen Standards.

rantanplan: Die BILDblogger sind ja Journalisten. Seid ihr in anderen Medien unkritischer?

Christoph Schultheis: Nein, wieso sollten wir?

Moderator: Vielleicht meldet der User sich ja gleich nochmal. Zur nächsten Frage:

Robert: Ist die BILDzeitung nicht das Symbol für die nach 1945 neu erworbene Pressefreiheit, die, zugegeben übertrieben betrieben wird, aber die es in Anlehnung an die Unterdrückung der Presse im Dritten Reich geben muss. Kurz: Unzensiert, unabhängig und ungeniert als Flagge der Freiheit?

Christoph Schultheis: Puh… BILD als Aushängeschild für die Pressefreiheit…? Ich glaube, dass die Pressefreiheit in Deutschland natürlich auch BILD „erdulden“ muss, aber ich könnte mir schönere (und sinnvollere) Aushängeschilder vorstellen.

Moderator: Wir haben sehr viele Fragen aus dem Bereich der Juristerei bekommen. Ich schlage vor, dass wir die bündeln.

kai_d: Zur Fotoaktion mit Kai Diekmann: Hat der euch eigentlich mit rechtlichen Schritten gedroht?

daniel: Lieber Herr Schultheis – hatten Sie denn schon einmal juristischen Ärger mit der BILD?

Christoph Schultheis: Nein. Wir arbeiten journalistisch sauber. Es gab schon mal kleinere Versuche, bei denen wir annehmen müssen, dass BILD auszutesten versuchte, ob und inwieweit wir angreifbar sind. Wir haben das an unseren Anwalt gegeben. Und danach ist das offenbar alles im Sande verlaufen.

Moderator: Wir haben eine Nachfrage zu den angedeuteten Versuchen von Springer, rechtlich gegen das BILDblog vorzugehen:

clarissa: Was waren das für Versuche?

Christoph Schultheis: Kleinigkeiten, die was mit den Fotorechten zu tun hatten. Da wir aber der Ansicht sind, dass man gerade bei einer Zeitung, die so stark mit Bildern arbeitet, auch dokumentieren muss, WIE sie das tut, fallen unsere Ausrisse unter das Zitatrecht und gut. Schließlich nutzen wir unsere BILD-Ausrisse nie aus rein illustratorischen Gründen.

EinLeser: Wie viele Hinweise kommen durchschnittlich pro Tag von Lesern, die nicht direkt zu BILDblog gehören?

Christoph Schultheis: Die ungefähr 500 (!) Spammails nicht mitgezählt? Aber es dürften zwei bis drei Dutzend sachdienliche Hinweise pro Tag sein – unterschiedlichster Natur natürlich: Von „Da-stimmt-doch-was-nicht“-Mails bis hin zu vorrecherchierten, quasi vorgefertigten Hinweisen. Das ist natürlich ganz wunderbar, dass wir so mit unseren Lesern gemeinsam an und für BILDblog arbeiten. Wobei wir am Ende, nachdem wir die Hinweise nach-/gegenrecherchiert haben, natürlich immer noch entscheiden, was ins Blog kommt und was nicht. Denn nicht alles, was in BILD beklagenswert ist, steht hinterher auch in BILDblog. Manches erscheint uns zu kleinlich, anderes kriegen wir einfach nicht „hart“, wie man so sagt.

franz: Wieviele Leser hat der BILDblog?

Christoph Schultheis: Rund 45.000 (unique visitors) täglich. Danke der Nachfrage. ;-)

chrisse: Man hört ja immer wieder, dass BILD die beste Schule für angehende Journalisten ist. Hätten Sie früher als angehender Journalist ein Praktikum bei der Zeitung gemacht?

Christoph Schultheis: Ich kenne viele sehr gute Journalisten, die nie bei BILD waren. (Das vorweg.) Aber nein. Die Zeitung, bei der ich ein Praktikum gemacht habe (und bei der ich so lange blieb, bis ich Redakteur geworden war – und keine Lust mehr hatte) war die „taz“.

pfui: Haben Sie schon vor dem Bloggen die BILD kritisch beobachtet? Oder ist die Idee erst entstanden, als man das Werkzeug „Weblog “ schon hatte?

Christoph Schultheis: Selbstverständlich. Sowohl ich als auch mein BILDblog-Kollege Stefan Niggemeier haben auch in der „taz“, der „Süddeutschen“, der „FAZ“ oder „Berliner Zeitung“ aufgeschrieben, wenn wir fanden, dass das so nicht geht, wie BILD sich eines Themas annimmt. Als wir uns allerdings entschlossen, uns systematischer und intensiver mit BILD zu beschäftigen, stellten wir fest, dass ein Blog dafür natürlich ideal ist!

Moderator: Viele Fragen kommen zu den Reaktionen von BILD auf das Bildblog. Hier einige:

Peter: Haben Sie Informationen, wie ernst BILD das BILDblog nimmt? Werden BILDblog-Beiträge in BILD-Redaktionsberatungen ausgewertet?

putzi: Die BILD hat ja vor kurzer Zeit wieder eine Korrekturspalte eingeführt – ein Erfolg, der auf BILDblog zurückzuführen ist?

Christoph Schultheis: @Peter: Das ist etwas undurchsichtig. Außerdem ändert sich die „offizielle“ Wahrnehmung von BILDblog.de durch BILD immer wieder. Mal sind wir ein „Hobby“, dann wieder ein ernst zu nehmendes, aber „kommerzielles“ Angebot. Die „Bild am Sonntag“ beachtet uns „wohlwollend“, bei BILD liegen wir „unterhalb der Wahrnehmungsschwelle“. Tatsache ist: Wir werden täglich bei BILD gelesen. Und angeblich bringen Redakteure auch schon mal BILDblog-Ausdrucke mit in die morgendliche Redaktionskonferenz. Aber so richtig wichtig ist uns das nicht, wie „ernst“ uns BILD nimmt. Schließlich ist BILDblog nicht dazu da, BILD besser zu machen. DAS überlassen wir gern der BILD-Chefredaktion.

Fred: Wie finanziert sich der BILDblog?

Moderator: Das war zu schnell, erst noch die Antwort zu putzi, Entschuldigung!

Christoph Schultheis: @putzi: Die Korrekturspalte ist kein Erfolg, sondern ein Deckmäntelchen. Ob es auf BILDblog zurückzuführen ist? Möglich. Aber schauen Sie sich doch mal an, was dort korrigiert wird: Das Alter von Dieter Bohlen.

Moderator: Jetzt zur Finanzierung, bitte.

Christoph Schultheis: Okay. Nach wie vor ist es ein Mix aus „Spenden“ (also Geld, das uns von Lesern einfach so geschenkt wird), Merchandise-Provisionen aus den BILDblog-Shops und Werbung. Die wird bei uns zur Zeit immer wichtiger. Ich hätte es mir vielleicht anders gewünscht. Aber wie es aussieht, kann uns Werbung tatsächlich am wahrscheinlichsten dauerhaft finanzieren. Und für alle, die keine Werbung mögen, haben wir einen Button „Werbung ausblenden“.

heinz: Ist es richtig, wenn ich annehme, dass Sie mit Ihrem Blog zur political correctness in Deutschland beitragen wollen? Wenn ja, ist es dann nicht auch die logische Konsequenz, dass Sie darauf achten, wer auf Ihrem Blog kommerzielle Anzeigen schaltet?

Christoph Schultheis: Political Correctness… Holla. Was die Werbeschaltungen anbelangt, haben wir dafür seit einiger Zeit einen professionellen Vermarkter. Der weiß im Grunde, was bei uns auf die Seite darf und was nicht. Im Einzelfall klären wir das schnell, was geht und was nicht.

rantanplan: Was ist eigentlich dein Lieblingsblog (außer Bildblog)?

Christoph Schultheis: Wirres.net. Bestens informiert, lustig, relevant und irrelevant. Und ein tolles Logo.

Sarah: BILDblog ist ein Medien-Watchblog und das erfolgreichste deutschsprachige Blog. Haben Blogs im politischen Diskurs vor allem Überwachungsfunktionen?

Christoph Schultheis: Nein. Ein Blog ist, was man daraus macht. Wer sich einfach nur via Blog mit seinen Freunden austauschen will: Warum nicht? Aber natürlich bieten Weblogs die Chance, ohne großen technischen und finanziellen Aufwand Öffentlichkeit herzustellen. Und natürlich ist es für uns zum Beispiel gut zu wissen, dass man mit einem Blog über Europas größte Tageszeitung aufklären kann.

Timo Heuer: Kann man sagen, wie viele (schwer wiegende) Fehler es durchschnittlich pro BILD-Ausgabe gibt?

Christoph Schultheis: Nein. Das hängt von der Tagesform der BILD-Redakteure ab – und natürlich von der Nachrichtenlage: Im Wahlkampf gab es für BILDblog leider mehr zu tun.

questlove: Wieso machen Sie nicht ein Gegenblatt zur BILD auf? Das könnte doch wirklichen Erfolg haben: Simple Inhalte vermitteln und alles etwas dramatisch dargestellt, dafür aber korrekt und richtig recherchiert! Das wäre doch eine Idee!

Christoph Schultheis: Erstens: Zeitung ist „old school“. Zweitens: Eine Zeitung zu drucken, zu verkaufen, zu verteilen etc. ist sehr viel aufwändiger und teurer (!) als ein Weblog. Als wir anfingen, zahlten wir 3,50 Euro oder so pro Monat. Und inzwischen sind es, wegen der vielen Zugriffe, zwar ungefähr 300 Euro. Aber das ist nichts im Vergleich zu den Herstellungskosten anderer „klassischer“ Medien.

Julia Sommerhäuser: Herr Schultheis, was halten Sie von der in der Blogosphäre viel diskutierten Einteilung in A-List-, B-List- und C-List-Weblogs?

Christoph Schultheis: Kommt darauf an, nach welchen Kriterien da eingeteilt wird. Ich finde, dass sich unter den so genannten A-Bloggern in Deutschland tatsächlich eine Menge gute (manchmal auch relevante) Seiten finden. Und wenn plötzlich jemand Neues mit einem neuen Blog, einer guten Idee oder Ähnlichem auftaucht, hat er in der überschaubaren deutschen Blogger“szene“ nach wie vor die Gelegenheit, binnen kurzer Zeit zum A-Blogger zu werden, wenn er will. Und sogar, wenn er nicht will.

Moderator: Was den Chattern noch auf den Nägeln brennt, ist die fehlende Kommentarfunktion beim BILDblog:

Falk: Warum gibt es beim Bildblog keine Kommentarfunktion? Kommentieren ist doch das Schönste beim Bloggen.

jovelstefan: Es gibt ja keine Kommentare (ich schätze zu viel Arbeit). Würdet ihr einen extern geleiteten Kommentarblog unterstützen?

Christoph Schultheis: Ja, uns fehlt die Zeit dazu. (Mehr siehe unter www.bildblog.de/faq.html) Und es gibt ja schon das von BILDblog unabhängige BILDBlogForum. Wenn aber jemand meint, er/sie müsse ein von BILDblog unabhängiges Kommentarblog aufmachen, werden wir ihn/sie nicht hindern – höchstens warnen.

Peter: Wird BILDblog irgendwann die gröbsten BILD-Verfehlungen als Druckwerk veröffentlichen?

Christoph Schultheis: Es gibt da momentan keine konkreten Planungen. Aber vorstellbar ist das für uns – insbesondere, weil sich damit ja auch eine andere Leserschaft ansprechen ließe.

Sarah: Wie groß ist die Chance, dass ein (nicht journalistisch tätiger) BILD-Leser gleichzeitig BILDblog liest? Was wisst ihr über die Soziologie der BILDblog-Leserschaft?

Christoph Schultheis: Wir wissen nichts. Aber im Ernst: Wir haben bislang noch keine Leserforschung betrieben, aber wenn wir die einlaufenden Mails irgendwie als repräsentativ verstehen, ist unsere Leserschaft sehr vielschichtig. Sicherlich viele aus dem akademischen Bereich, viele aus der Medienbranche, viele BILD-Mitarbeiter, aber auch zum Beispiel Fußball-, „Harry Potter“-, „KiIlerspiele“-Fans, die uns – nachdem wir mal über BILD-Ungereimtheiten in Sachen Fußball, Harry Potter oder ähnlichem berichtet hatten – treu bleiben. Wie viele BILD-Leser BILDblog hat, ist noch schwerer zu beurteilen. Wer liest schon BILD und gibt es zu? Wahrscheinlich ist der Prozentsatz unter den BILDblog-Lesern eher gering. Aber die Auseinandersetzung mit dem BILD-Leser findet, wie uns Mails immer wieder bestätigen, quasi außerhalb von BILDblog.de im Alltag statt. Das ist uns wichtig: Dass wer auch immer mal wieder eine Pro/Contra-BILD-Diskussion führen muss, Argumente gegen eine unkritische BILD-Lektüre hat. Und wir haben bislang rund 2000.

Moderator: Kommen wir langsam zum Ende, die Zeit ist schon fast um. Letzte Frage:

daniel: Was machen Sie, wenn die BILD in einer utopischen Zukunft ehrenhaft wird?

Christoph Schultheis: Mich freuen und irgendetwas Neues!

Moderator: So, die Chatzeit ist leider schon vorbei. Das Transkript des Chats gibt es in Kürze auf www.politik-digital.de zum Nachlesen. Vielen Dank fürs Mitchatten! Ein Schlusswort vielleicht noch?

Christoph Schultheis: Der Hagebuttentee war der beste, den ich seit langem getrunken haben!

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