Hinter den Brandreden und nationalistisch durchtränkten Reden von Björn Höcke steckt eine perfide Methode. Es geht nicht nur darum, rechte Gedankenbilder in den politischen Diskurs einzuführen, ohne sich juristisch angreifbar zu machen, schreibt die Zeit in einer lesenswerten Analyse: „Das Ziel ist Überwältigung. Systematisch deuten rechtsgerichtete Politiker und Agitatoren zentrale Symbole des freiheitlichen, demokratischen Gemeinwesens Deutschlands um, und der Bürger weiß sich nicht zu wehren. Die Strategie ist es, Begriffe und Bilder des demokratischen Diskurses zu diskreditieren und Demokraten im Wortsinn sprachlos zu machen. Jemand will uns die kollektive Identität rauben, sagt Höcke? Stimmt, Höcke selbst will das.“
Höcke demontiert die bundesdeutsche Erinnerungskultur
Seine Umdeutungsabsichten zielen vor allem auf die bundesdeutsche Erinnerungskultur: „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz der Hauptstadt gepflanzt hat“, sagte er. In diesem Satz zeige sich die ganze Perfidie der Methode. „Denn wer rechts denkt, weiß ihn zu deuten. Gleichzeitig schob Höcke für alle Empörten am Tag nach der Rede eine persönliche Erklärung nach. Er habe den Holocaust als Schande für ‚unser Volk‘ bezeichnet, dem ‚wir Deutschen‘ ein Denkmal gesetzt hätten“, schreibt Karsten Polke-Majewski.
Die Protagonisten im rechten Spektrum tanzen um einen Kessel mit brauner Suppe und sind bemu?ht, selbst keine braunen Flecken auf ihre Westen und Blusen abzubekommen. „Das gelingt ihnen meistens?—?nur ab und zu steht man?—?wie ju?ngst?—?selbst mitten in der braunen Soße“, führt der bildende Künstler Edgar Piel aus.
Die nationalistischen Akteure agieren mit Untergangsformeln und inszenieren sich dabei als die Erlöser. Wer sich dem widersetzt, wird als undeutsches Element und Volksverräter denunziert.
Kampf um Wörter
Diese politische Auseinandersetzung ist ein Kampf mit Wörtern und immer stärker ein Kampf um Wörter?—?in 140 Zeichen. Donald Trump ist dafür der Wegbereiter. Sein Sieg wirkt wie ein Katalysator und beflügelt jene politischen Kräfte, die jetzt ihre Morgenbräune kommen sehen, „ihre vermeintliche Mehrheit abseits der Umfragen und ihre trumphaft unmittelbar bevorstehende Herrschaft zu spüren glauben. Politische Kräfte, die genau deshalb wie Trump in radikaler, nie gekannter Offenheit kommunizieren“, so Sascha Lobo in seiner Spiegel Online-Kolumne. Er zitiert die Höcke-Rede in Dresden, die klar macht, auf was wir uns im Bundestagswahlkampf einstellen müssen: „Ich weise euch einen langen und entbehrungsreichen Weg, ich weise dieser Partei einen langen und entbehrungsreichen Weg, aber es ist der einzige Weg, der zu einem vollständigen Sieg führt, und dieses Land braucht einen vollständigen Sieg der AfD.“
Wenn ein Geschichtslehrer vom „vollständigen Sieg“ spricht, dann lässt sich ahnen, woher er seine Inspiration bezieht. Das sei kein Zufall mehr, erklärt Lobo.
Angriff auf Symbole
Es ist ein Angriff auf die Symbole und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland?—?das ist ein Angriff auf den Geist der Bonner Republik, denn in Bonn sind die Wurzeln des Grundgesetzes, hier tagte der Parlamentarische Rat im Museum König, hier sind in der Nachkriegszeit wichtige Weichen gestellt worden für politische Stabilität in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Bonn stand für das pragmatische Gebot politischer Nüchternheit, geschichtlicher Verantwortung und Weltoffenheit. Hier entwickelten die Mütter und Väter des Grundgesetzes die institutionellen Sicherungen, um Weimarer Verhältnisse zu verhindern. Repräsentative Demokratie, Verhältniswahlrecht, Fünf-Prozent-Klausel, Verhinderung negativer Mehrheiten, föderale Struktur und Interessenausgleich mit den Bundesländern im Bundesrat und das Bundesverfassungsgericht als Korrektiv der Gesetzgebung. Es sei „das beste, demokratischste Deutschland, das wir jemals hatten“, bilanzierte Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Abschiedsrede.
Faktoren für Stabilität
Das Fundament für diese Erfolgsgeschichte wurde in Bonn gelegt. Dieser Geist ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Er muss immer wieder vermittelt werden?—?besonders in der politischen Bildung. In Anlehnung an Thukydides, Aristoteles und Tocqueville benennt der Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis drei Faktoren für politische Stabilität:
- die Weisheit der Gesetze bzw. die Kraft der Institutionen,
- die Qualität des politischen Personals
- und die Tugend der Bürgerinnen und Bürger.
All das muss eine Zivilgesellschaft im Auge haben, um nicht den völkisch gesinnten Agitatoren, die unsere Republik zerstören und umwälzen wollen, die Deutungsmacht zu überlassen. Um das zu erreichen, müssen eben auch Kompetenzen für die Kommunikation in 140 Zeichen angeeignet werden.
#smcbn meets Bundeszentrale für politische Bildung
Das ist muss sich auch in der politischen Bildungsarbeit widerspiegeln, wie die Wissenschaftlerin Sabria David bei der Abendveranstaltung des Social Media Chat Bonn in der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) ausführte: „Politisch Bildung wird immer mehr auch digitale Bildung bedeuten, weil digitale Mechanismen Deutungshoheit setzen.“
BpB-Kommunikationschef Daniel Kraft machte auf die Aktion #BorninBonn aufmerksam, die in diesem Jahr zum 65-jährigen Jubiläum seines Hauses stattfindet. Er erwähnte Professor Carl Christoph Schweitzer, der die Bildungsinstitution gegen massive Widerstände kämpfen aufbaute: „Vor allem sollte die neue Bundeszentrale dabei helfen, den Deutschen die Demokratie nahezubringen. Viele hätten immer noch nicht glauben wollen, dass das Terrorregime und der Holocaust Millionen Menschen das Leben gekostet hatten. ‚In vielen Köpfen galten die Widerständler des 20. Juli weithin als Verräter. Dieser Lüge mussten wir entschieden entgegentreten‘, betont der 92-Jährige im Rückblick.“
Demokratieauftrag aktueller denn je
Sein programmatisches Credo ist aktueller denn je. Letztlich muss mit politischer Bildung klargemacht werden, wie wichtig es ist, den Geist der Bonner Republik mit Leben zu füllen Höcke und Co. wollen ihn beschädigen: Es gehe diesen Akteuren, Gruppierungen und Bewegungen nicht um die Liberalisierung der Öffentlichkeit und folglich auch nicht der Politik, die eigentlich mit den genannten Werten einhergeht. Im Gegenteil: Es geht schlicht um die Propaganda der eigenen Ziele, also um den Versuch, die vermeintlich liberale Hegemonie durch die eigene autoritäre Ideologie zu ersetzen, führt Professor Armin Scholl in einem Beitrag für die Netzdebatte der BpB aus.
„Ist diese erst einmal durchgesetzt – wie Entwicklungen in Ungarn, Polen oder der Türkei befürchten lassen – ist Schluss mit Toleranz und Meinungsvielfalt, mit der Repräsentanz von Minderheiten und gleichen Beteiligungschancen für alle politischen Richtungen. Denn diese Werte gelten nicht mehr für den politischen Gegner, sondern nur für die eigene Klientel – solange man sich in der Opposition zu einer illegitimen Regierung und als unterdrückte Mehrheit wähnt.“
Das Notiz-Amt sieht die Bundeszentrale für politische Bildung als wichtige Quelle, den Konsens über die demokratischen Werte der Bundesrepublik bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Positionen zu fördern. Der Social Media Chat Bonn könnte in diesem Jahr dafür einige Stationen ansteuern: Museum König, Kanzler Bungalow, Beethovenhalle, Langer Eugen, Bundestag, Wasserwerk, Kanzleramt und einiges mehr.
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Schlagwörter: #BorninBonn, AfD, demokratie, deutschland, Populismus, Propaganda, Social Media, Stabilität, Symbolik, Twitter, Werte