Die Journalisten der sogenannten klassischen Medien scheinen der Grabenkämpfe mit den Bloggern müde geworden. Lange Zeit stritten die zwei Lager hartnäckig gegeneinander, jedes überzeugt von der Dominanz seiner Sicht. Die klassischen Medien fühlten sich bedroht und irritiert durch die wachsende Zahl der Konkurrenten im Internet und ihrer Art, Informationen zu sammeln, zu verbreiten und vor allem meinungsstark und persönlich zu kommentieren. Blogger waren für sie eitle Möchtegerns ohne Reichweite und Geschäftsmodell, krankhafte Egos auf der Suche nach Anerkennung oder einfach nur irrelevant. Auf der anderen Seite standen die digitalen Publizisten, die den Kollegen aus dem althergebrachten Journalismus vorwarfen, sie würden das Netz in keinster Weise begreifen, der neuen Form der Kommunikation nicht annähernd gerecht werden und deshalb in nicht allzuferner Zeit arbeitslos sein. Der Witz am Rande: Gerade die kritischsten Blogger und Netzpublizisten sind oder waren selbst Journalisten oder professionelle Kommunikatoren…
Jetzt scheint zumindest die eine Seite den Schulterschluss zu suchen. Rhein-Zeitung, Welt Kompakt und Süddeutsche stimmen plötzlich ein Loblied auf die bislang so gefürchtete Zunft der Blogger an. Kannst Du den Feind nicht besiegen, verbünde Dich mit ihm – eine uralte Weisheit, die eben nie ihren Reiz verliert.
So wird ein Paradiesvogel des digitalen Zeitalters, Sascha Lobo, für einen Tag Chefredakteur der Rheinischen Zeitung, und die Welt Kompakt wagt sich unter der Anleitung von 25 Bloggern an eine Scroll Edition. Man wird in den Redaktionen nicht müde zu betonen, wie nahe die Blogger den klassischen Journalisten doch sind – zumindest was die Arbeitsweise und die Liebe zum sprachlichen Ausdruck betrifft. Die Welt stellt gar erleichtert fest, „Blogger sind auch nur Menschen“ und kehrt nach dem gewagten Experiment zufrieden zur gewohnten Routine zurück. Die Süddeutsche erklärt zum guten Schluss, der Journalismus löse sich zum Glück nicht auf, sondern verändere nur seinen Aggregatzustand zu einer Form, in der Blogger und Journalisten Seite an Seite bestehen dürfen.
Werden die anfangs tiefen Gräben zwischen beiden Publikationsformen nun zugeschüttet? Vielleicht sogar mit Honoraren für Blogger von klassischen Medien? Was sagt eigentlich die andere Seite zum Friedensangebot einiger Medien? Sind die digitalen Publizisten ebenfalls bereit zum Schulterschluss?
Meinungen aus berufenem Munde:
Tanja Gabler, http://tanjagabler.blogspot.com/
Die Grabenkämpfe zwischen Onlinejournalisten und Bloggern habe ich nie verstanden. Ich sehe beide Seiten als Kollegen, die mit unterschiedlichen Stilmitteln beziehungsweise mit anderen Textformen arbeiten. Viele Journalisten betreiben eigene Blogs – und viele Blogger werden längst in den klassischen Medien zitiert. Das liegt einerseits daran, dass die Qualität der Blogbeiträge gestiegen ist, und andererseits daran, dass viele (Online-)Medien ihr Misstrauen gegenüber dieser Gattung verloren haben. Einen Schulterschluss zwischen Bloggern und klassischen Medien kann ich dennoch nicht erkennen. Dazu gehört weit mehr, als Sascha Lobo für einen Tag zum Chefredakteur zu ernennen oder eine sogenannte „Scroll Edition“ der Welt zu drucken. Wenn die linke tageszeitung Kai Diekmann für einen Tag ihre Redaktion leiten lässt, bedeutet das auch noch lange keine gemeinsame Linie zwischen Bild und taz.“
Thomas Knüwer, http://www.indiskretionehrensache.de/<
Weder gab es eine Kriegserklärung noch ein Friedensangebot der klassischen Medien. Tatsächlich sehen wir redaktionsinterne Grabenkämpfe. Einerseits sind da jene, die neuen Medien offen gegenüberstehen und Veränderungen wollen – andererseits die Front der Ablehner. Es kommt dann einfach immer darauf an, wer gerade schreibt. Allerdings fällt auf, dass die Gegner von Blogs in ihrem Ton immer schriller werden. Auf Blogger-Seite gab es solch einen Krieg dagegen nie. Man hat Medien kritisiert, auch scharf kritisiert. Aber das ist als Kunde ja auch gutes Recht. Auch weiterhin gilt: Deutschlands Journalismus ist weit davon entfernt, das digitale Zeitalter zu erreichen – nur ein geringer Teil der Journalisten nutzt die großartigen Möglichkeiten des Web tatsächlich aus.“
Klaus Eck, http://www.pr-blogger.de/
Wer sich die bekanntesten Blogs näher anschaut, dem wird auffallen, dass die meisten Autoren ohnehin schon aus dem Journalismus oder der Kommunikation stammen. Einen großen Gegensatz sehe ich gar nicht. Denn es gelten klassische News-Regeln. Gute Überschriften und Teaser sind eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Blog wie auch für einen erfolgreichen Artikel. Es gibt durchaus Journalisten, die in den Bloggern aufstrebende Emporkömmlinge sehen mögen und sich daher abgrenzen wollen. Letztlich stehen Blogger und Journalisten miteinander im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit ihrer Leser. Deshalb sollten diese beurteilen, wo es die qualitativ hochwertigeren Beiträge gibt und darüber per Klick abstimmen. Es wird sich zeigen, wer im digitalen Darwinismus-Spiel die besseren Karten hat.“
Leander Wattig, http://www.leanderwattig.de
Ich finde die Diskussion klassische Medien vs. Blogger etwas ermüdend. Die Trennlinie zwischen den Angeboten klassischer Medien-Unternehmen und denen von Bloggern ist ja schon lange nicht mehr trennscharf. Denn wo liegt der Unterschied zwischen Bild.de und dem BILDblog – in der Technik? Wohl eher nicht, weil klassische Nachrichtenseiten schon lange die meisten Funktionalitäten von Blogs mehr oder weniger konsequent übernommen haben. Auf der anderen Seite sind viele der erfolgreichen Blogger ausgebildete Journalisten, die ebenso gut für die klassischen Medien schreiben könnten und das auch tun. Es geht also weniger um die Technik der Plattformen, sondern darum, wie und womit sie befüllt werden. Tatsächlich zeigt der Ansatz von „der Freitag“, wohin die Reise geht. Es gilt die verschiedenen Medienangebote und die Fähigkeiten aller Beteiligten intelligent zu verknüpfen, sodass am Ende ein Gewinn für den Leser entsteht – genau darum sollte es nämlich stets gehen. Eine Zusammenarbeit aller Parteien ist also zwingend geboten, denn mit Abschottung und Kooperationsverweigerung wird kaum jemand erfolgreich sein in unserer neuen Netzwerk-Welt. Beruhigend finde ich jedoch, dass dem Kunden diese ganze Diskussion rund um das Thema klassische Medien vs. Blogger in den meisten Fällen herzlich egal sein dürfte, da sie nicht von seinen, sondern von Interessen anderer Art befeuert wird … ;).“
Marcus Tandler, http://www.secretsites.de/joblog/
Ich glaube nicht, dass journalistische Qualitätsmedien und Blogs wirklich zusammen gehören. Der Journalist hat einen eindeutigen Qualitätsanspruch – für ein seriöses Medium gilt, dass jedes Gerücht auch eine zweite davon unabhängige Quelle haben sollte, die dieses oder die Story bestätigt. Ein Blogger hingegen lebt aber gerade von unbestätigten Gerüchten, und solchen, die er selber in die Welt setzt! Gerade die Blogger, die nicht nur mehr oder weniger eloquent ab- und umschreiben, sondern versuchen ihre eigenen Schlüsse zu ziehen, sind ja die erfolgreichsten in der hiesigen Blogosphäre! Außerdem sollte ein Journalist soweit wie möglich neutral bleiben und die Fakten sprechen lassen, wohingegen bei einem Blog die subjektive Meinung des entsprechenden Bloggers das Ganze erst interessant macht. Ich persönlich kann mir ein längerfristiges Engagement eines Bloggers mit einem journalistischen Qualitätsmedium also lediglich in Form einer regelmäßigen Kolumne oder dergleichen vorstellen.“
Sabine Segerer, http://www.dressed-food.deund http://www.modeaffaire.de/
Einen Schulterschluss zwischen klassischen Medien und Bloggern finde ich gut und notwendig. Denn lange Zeit durften nur die Berufsjournalisten ihre Ansichten öffentlich mitteilen. Der Platz für Meinungen anderer hat jahrelang ausschließlich in der Kategorie ‚Leserbrief‘ stattgefunden. Von 300 Meinungen wurden 3 ausgewählt und abgeduckt. Ein gesunder und ehrlicher Diskurs ist meiner Meinung nach in einer Gesellschaft aber immer vonnöten, da er zum Denken anregt und somit zur Meinungsbildung beiträgt. Doch wie soll der entstehen, wenn eine Stellungnahme kaum möglich ist? Subjektive, gerne auch polarisierende Meinungen können die journalistische Berichterstattung doch nur ergänzen. Die Blogger haben eindeutig Schwung in die Medien gebracht und die Grenzen quasi „von unten“ gesprengt. Man diskutiert wieder, man vernetzt sich, Hierarchien verwischen immer mehr. Ich mag diese Entwicklung und denke, dass jeder davon profitieren kann. Was zählt, sind auf beiden Seiten packende Inhalte und eine gute Ausdrucksweise.“
Autorin: Jeanette Gruber, cocodibu
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: blog, blogger, journalismus, journalisten, Medien, Medienwandel
4 comments
Bin ich ein bloggender Journalist oder ein journalistischer Blogger? – Diese Frage scheint mir reichlich antiquiert. Worauf kommt es an? Neugierig sein, Ideen generieren, sich mit anderen im Netzwerk austauschen – und so einen kreativen Schneeballeffekt erzeugen.
Klasse Kommentare und auf den Punkt gebracht. Bloggen ist nicht sofort Journalismus!
In jedem Fall ein Streit um die goldene Ananas….
Auf der einen Seite eine ausgrenzende elitäre Truppe, die andere Seite am Puls von Gretchens Sicht der Dinge.
Wer hat Recht ? Die Seite mit der besten Lobby… und Papier und Pixel sind sowas von geduldig.