Netzwerke – Bühne oder Background?

Netzwerken ist besonders in der Gründer-Community wichtig. Sehen und gesehen werden, Kontakte aufbauen und von Erfahrungen anderer lernen. Ständig präsent und gut gelaunt zu sein, ist jedoch nicht einfach – auch für Netzwerk-Profis. // von Maren Lesche

Bühne

Diese Woche habe ich an meinem ersten Meetup in 2015 teilgenommen. Fast 30 Tech-begeisterte Frauen aus mindestens vier Kontinenten trafen sich zum WITA Netzwerkabend bei Hubraum, einem von Berlins bekannten Inkubatoren und Co-Working-Locations. Eine gute Gelegenheit, sich „warm zu laufen“ für das Netzwerken in 2015. Fünf Frauen haben dies ganz aktiv getan und sich und ihre Projekte auf der Bühne präsentiert.

Als „professionelle Netzwerkerin“ gehe ich pro Jahr bis zu 150 Veranstaltungen – exklusive der Messen wie CeBIT und IFA, die ich im Rahmen meines Jobs beim Innovationsnetzwerk EIT ICT Labs besuche. Ist dies Teil meiner Jobbeschreibung? Muss ich alle diese Termine wirklich wahrnehmen? Habe ich nichts Besseres in meiner Freizeit zu tun? Zugegeben, Alternativen gibt es wirklich mehr als genug. In 2015 trainiere ich für den Halb- und den Voll-Marathon in Berlin, sollte also bereits jetzt für 42 Kilometer Schmerz und Schweiß trainieren. Und nein, all das Netzwerken ist auch kein Muss. Mein Arbeitgeber zwingt mich nicht. Dem Israelischen Startup VoiceItt, das ich unterstütze, geht es gut. Wir wachsen und müssen nicht um jeden Investor kämpfen. Warum tue ich es? Es ist Teil meiner Persönlichkeit geworden. Ich habe mich in den letzten zehn Jahren gezielt und in harter Arbeit vom eher nerdigen, molligen Bücherwurm zu einer eher extrovertierten Kommunikatorin und People Managerin „hochgearbeitet“. Heute spreche ich gerne mit anderen Menschen, lausche ihren Geschichten, finde Gemeinsamkeiten und lerne von den Erfahrungen anderer – auf meine eigene Art und Weise: weiblich und emotional. Heute ist es Teil meines Lebens, in dem sich Job und private Interessen stärker mischen denn je. Ich definiere mich teilweise darüber, tauche ein in die Welt, die für viele Gründer zur Überlebensstrategie gehört. Denn nur, wer gesehen wird und ein Profil hat, fällt auf und wird von Investoren wahrgenommen. Fällt es mir leicht und macht es immer Spaß? Stehe ich gerne auf der Bühne? Nicht immer! Auch ich bin ab und zu müde, fühle mich wie beim WITA-Abend nicht danach im Rampenlicht zu stehen und falle leicht in alte Gewohnheiten zurück, wie beispielsweise mit dem Hintergrund zu verschmelzen, so unauffällig wie möglich sein, keine Fragen stellen – Eigenschaften, die gerade bei Frauen immer und immer kritisiert werden.

Melissa Lamson, Expertin für Interkulturelles Management und Diversity und Gründerin von Lamson Consulting, hat es in einem der Workshops, die sie weltweit für Frauen veranstaltet aus meiner Sicht gut zusammengefasst: „Männer Netzwerken zielgerichtet, Frauen finden Networking eher geschmacklos. Frauen tauschen sich lieber mit Menschen aus, die sie mögen. Männer konzentrieren sich beim Netzwerken auf die Kontakte, von denen sie profitieren. Während Frauen echte Beziehungen, sogar Freundschaften, in ihrem Netzwerk aufbauen und hoffen, dass sich daraus zum richtigen Zeitpunkt ein Karriere-Push ergibt, fragen Männer direkt nach oder fordern das ein, was sie brauchen.

Es gibt sogar einen wissenschaftlichen Ansatz: Im Buch „The Confidence Code“ erklären die Autorinnen Katty Kay und Claire Shipman detailliert, warum Frauen gemocht und Männer respektiert werden wollen. Auf der Website gibt es auch einen Test. In 5 Minuten kann man so herausfinden, wie selbstsicher man wirklich ist. Denn Frauen fehlt oft die nötige Selbstsicherheit. Sie denken „Ich verdiene etwas nicht“ und genau das hemmt Frauen beim Netzwerken in einer Gruppe von Männern. Ist meine Geschichte so interessant wie die des Mannes neben mir? Warum sollte sich der Investor für mein Produkt interessieren?

Es ist nicht leicht, neue Beziehungen aufzubauen, sich permanent zu präsentieren und ständig selbstbewusst und sichtbar zu sein. Auch für mich, eine professionelle Netzwerkerin, ist es hart immer auf der Bühne zu stehen und auf unbekannte Menschen zuzugehen. Und zugegeben, beim Test der „The Confidence Code-Autorinnen Katty Kay und Claire Shipman“ habe ich auch kläglich versagt. Meine Selbstsicherheit liegt in schwachen Momenten „lower than average“. Schockierend aber durchaus realistisch. Meine Freundin Annabelle Atchison, Social Media-Expertin bei 42Ponies und Mit-Gründerin der Geek Girls Carrots Dublin, vergleicht Netzwerke gerne mit der Jagd nach dem richtigen Partner fürs Leben. „Erfolgreiches Netzwerken ist wie Speed-Dating – man muss sicher sein, dass das Gegenüber deine Persönlichkeit gleich zu Anfang versteht und dass dein Online-Profil deine Persönlichkeit auch widerspiegelt, beispielsweise durch die Kontakte in deinem LinkedIn-Account. Das bedeutet, dass man wissen muss, welche Werte man verkörpert und wie man diese auch durchaus subtil – oder auch weniger subtil – rüberbringt.

Werte? Persönlichkeit? Wahrnehmung? Beziehungen? Speed-Dating? Ein Code, der Selbstsicherheit vermittelt? Hmmm … In den kommenden 150 Startup-Veranstaltungen, die ich besuchen werde, warten also jede Menge Herausforderungen auf mich, für die ich mir immer wieder einige Ratschläge ins Gedächtnis rufen muss, die Melissa Lamson und Annabelle Atchison Frauen geben, die erfolgreicher netzwerken wollen. Denn seien wir ehrlich: Ich werde immer meine Themen, mein Auftreten, ja sogar meine Kleidung hinterfragen. Es wird nie selbstverständlich für mich sein, positives Feedback zu bekommen. Ich spreche Menschen nicht ausschließlich an, weil ich mir einen Vorteil verspreche. Ich werde Zurückweisung erfahren. Und ja, gerade weil ich an diesen Punkten jeden Tag arbeite, bin ich umso stolzer, wenn ich erfolgreich auf einer Bühne stehe statt im Background „in Sicherheit“ zu bleiben, wenn Investoren während eines Gesprächs lächeln und ich mit Frauen oder auch Männern spreche, die sich für meine Themen interessieren und sich beim Meetup im nächsten Monat an mein Startup und mich erinnern. Ich bin eine Frau. Ich netzwerke anders als meine männlichen Kollegen. Ich will auf die Bühne – und werde doch auch ab und zu im Background bleiben.


Wagt euch in die Höhle des Löwen und netzwerkt! Meine Empfehlungen für euch. Organisationen und Veranstaltungen für Netzwerkerinnen und Netzwerker!

Meine Lieblings-Netzwerke für Frauen:

Nationale und Internationale Veranstaltungen für Startups, die ich empfehlen kann:


Teaser & Image by Maren Lesche


ist eine Bloggerin und Social Media Expertin. Maren hat Medienwissenschaften in Deutschland, den USA und Australien studiert und arbeitet seit 2012 in der Berliner Startup-Szene. Maren ist am Israelischen Startup VoiceItt beteiligt und pitcht deren App TalkItt regelmäßig in Europa. Sie engagiert sich bei den Geekettes und den Digital Media Women für mehr Women in Tech und spricht auf Konferenzen über Storytelling und erfolgreiches Networking. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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