Heute diskutiert Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft über Deutschlands zukünftige Netzpolitik. // von Tobias Schwarz
Im Dialog mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen möchte De Maizière über die Chancen und Risiken der digitalen Gesellschaft diskutieren und Themen identifizieren, die wichtig für die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft sind und daher gesellschaftspolitischer Bestandteil der Digitalen Agenda der Bundesregierung werden sollten. Ob das so kommt, hängt aber von seinem Verhandlungsgeschick ab, denn Sigmar Gabriel und Alexander Dobrindt werden in vielen Punkten eigene Vorstellungen einbringen wollen. Ein ständiger Kampf um die Deutungshoheit der Netzpolitik ist vorprogrammiert.
Seit Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Juni 2010 seine „14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft“ vorstellte, ist viel Zeit vergangen. Neben der noch nicht beendeten Debatte um eine Modernisierung des Urheberrechts prägten vor allem die letzten Monate seit den Snowden-Enthüllungen den Diskurs in Deutschland. Es geht um Überwachung, Datenschutz und Wirtschaftsspionage – alles Themen, die in den Kompetenzbereich des Bundesinnenministeriums fallen und viele Anknüpfungspunkte für De Maizières geplante „werteorientierte“ Netzpolitik. Wie kann die Bundesrepublik die digitale Selbstbestimmung seiner Bürger in Zeiten der NSA-Überwachung und des kriminellen Passwortklau gewährleisten? Der Bundesinnenminister will die Lösungen da finden, wo er in seiner ersten Amtszeit aufgehört hat. Doch was Gabriel und Dobrindt zu den 14 Thesen heute zu sagen haben ist ungewiss – was sie über Netzpolitik denken und wie sie sich die gesellschaftspolitische Ausgestaltung des Politkfeldes vorstellen aber entscheidend.
Fahrplan der Digitalen Agenda soll bis zum Sommer fertig sein
Der Koalitionsvertrag der Unionsparteien und der SPD teilte die netzpolitischen Aufgaben der Bundesregierung auf anstatt sie zu bündeln. Kritiker sehen dahinter weniger ein Unverständnis für Netzpolitik als den Versuch, die Kontrolle über das Thema zu gewinnen. Schon während der Koalitonsverhandlungen wurde das Wort Netzpolitik gemieden, stattdessen der Begriff „Digitale Agenda“ bevorzugt. Doch das Thema wird neben dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auch in Sigmar Gabriels Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und eben von Thomas de Maizières Innenministerium behandelt. Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, dass De Maizière sich zwar als eine Art Internetminister versteht, die digitale Agenda aber gemeinsam erarbeitet werden soll und das möglichst schnell. Auf der Kabinettssitzung Mitte Januar im brandenburgischen Meseberg bestand De Maizière auf eine hohe Geschwindigkeit des Prozesses. Bis zum Sommer 2014 soll der Fahrplan für die Digitale Agenda stehen.
Der Abstimmungsprozess zwischen den Ministerien muss dabei erst noch gefunden werden, denn wer für was zuständig ist, weiß niemand so genau. Feststeht, dass das Bundesinnenministerium für die IT-Sicherheit zuständig ist und den Datenschutz, der seit Jahren in der Verfassungsabteilung des Ministeriums angesiedelt ist. Das Bundesjustizministerium wird bei dem Thema nicht mitreden und sich auf den Verbraucherschutz konzentrieren. Der Ausbau der Infrastruktur ist Aufgabe des Verkehrsministeriums, wenn Gabriel dieses Feld Dobrindt überlässt. Zwischen diesen beiden Ministerien gibt es wohl den größten Klärungsbedarf, wer für welche gesellschaftspolitischen Fragen der Netzpolitik zuständig ist. So zumindest der Eindruck des Bundesinnenministeriums.
Heutige Diskussionrunde
In der heute stattfindenden Diskussionsrunde will der Bundesinnenminister im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft wichtige Themen und Frage identifizieren, die für die Digitale Agenda eine Rolle spielen sollten. Wer an der Diskussion teilnimmt, konnte das Bundesinnenministerium auch einen Tag vor der Veranstaltung nicht genau sagen. Die Einladungen gingen erst vor zwei Wochen raus, es gab Absagen und Nachladungen. Feststeht, dass ungefähr 15 Leute anwesend sein werden, unter anderem Sascha Lobo. Ob der Dialog (zwischen wen auch immer) fortgesetzt wird, steht noch nicht fest. Erst einmal sollen Vorstellungen von der zukünftigen Netzpolitik gestaltet werden, ob eine Fortsetzung kommt ist noch nicht entschieden. Alexander Dobrindt geht den gleichen Weg und hat die Telekommunikationsbranche im Vorfeld der Cebit-Messe zum Netzgipfel nach Berlin eingeladen.
Die Diskussion wird heute live in der Zeit von 11:30 bis 13:30 Uhr auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums unter http://www.bmi.bund.de/netzpolitik übertragen.
Aktualisierung
Eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung stehen jetzt auch die Teilnehmer fest:
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Sascha Lobo
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Dr. Schlebusch, Giesecke & Devrient
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Dr. Reinhold Achatz, ThyssenKrupp
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Dr. Jeanette Hofmann, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
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Prof. Matthias Bäcker, Uni Mannheim
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Beate Schneiderwind, Zentralkomittee der deutschen Katholiken
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Michael Hange, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik
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Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
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Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium
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Peter Henzler, Vizepräsident des Bundeskriminalamtes
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Michael Hanfeld, FAZ
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Marcel Rosenbach, SPIEGEL
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Dr. Christian Stöcker, SPIEGEL Online
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Dr. Heinrich Wefing, ZEIT
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Kai Biermann, ZEIT Online
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Thomas Heuzeroth, Welt
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Stefan Braun, Süddeutsche Zeitung
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Christiane Benner, IG Metall
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Jens Best, Wikimedia Deutschland e.V.
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Dr. Thomas Kremer, Vorstand Deutsche Telekom
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Schlagwörter: Bundesinnenministerium, Diskussion, Gesellschaft, livestream, Netzpolitik, Thomas de Maizière
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