Burnbook – Wenn Cyber-Mobbing eine Plattform findet

Die App Burnbook versetzt derzeit amerikanische Eltern und Schulen in Aufruhr, denn sie bietet eine Plattform auf der anonym Cyber-Mobbing betrieben werden kann. Wozu gibt es eine App wie Burnbook eigentlich? Diese Frage stellen sich in den USA derzeit viele Eltern und Schulmitarbeiter. Die App bietet eine anonyme Plattform, um sich in bestimmten Communities (sprich, Schulen) über einander auszutauschen. Dass diese Anonymität natürlich gerade unter Teenagern einer Einladung für Gemeinheiten aller Art gegen die Mitschüler gleich kommt, dürfte kaum überraschen. Inzwischen gab es auch schon Schließungen von Schulen aufgrund von Bombendrohungen – aber die moralische Verantwortung scheint niemand übernehmen zu wollen.

50 Shades of Mean

Die App Burnbook hält derzeit die amerikanischen Eltern und Schulen auf Trab. Benannt wurde die für iOS und Android erhältliche Anwendung nach einem Buch in der Teenie-Komödie Mean Girls von 2004 (deutscher Titel übrigens: Girls Club – Vorsicht bissig!), in das drei junge Mädchen allerlei Gerüchte und Gemeinheiten über ihre Mitschüler geschrieben haben. Und auch in der App finden sich überwiegend genau solche Inhalte, die kommentiert und hoch- oder runter-gevoted werden können. Neu ist die Idee zwar nicht – verschiedene Facebook-Gruppen und ähnliche Apps wie Whisper, Secret und Yik Yak wurden bereits für derartige Zwecke genutzt, doch keine von diesen hatte es bisher so effektiv auf lokale Communities, wie Schulen, abgesehen.

In den USA hat die App in den vergangenen Wochen mehrfach Schlagzeilen gemacht, nachdem verschiedene High-Schools schließen mussten, da über Burnbook Bombendrohungen ausgesprochen wurden. Nachdem ein Schüler in San Diego über die App eine Drohung verbreitet hat, dass er eine Waffe mit zur Schule bringen würde, wurde die Schule ebenfalls geschlossen. Über diesen Vorfall hatte sich der CEO von Burnbook, Jonathan Lucas, betroffen geäußert und Veränderungen angekündigt, mit denen es einfacher werden soll, unerwünschte Inhalte zu löschen. Außerdem sagte er, gegenüber KUSI: “Anonymität ist ein Privileg, kein Recht. Wenn das Privileg ausgenutzt wird, gibt es Konsequenzen”. Diese sehen so aus, dass die App nicht so anonym ist, wie sie sich gibt und im Falle von illegalen Inhalten die IP-Adresse des betreffenden Nutzers an die Gesetzeshüter weitergegeben wird. Nichts ist also wirklich anonym, was ja auch durchaus eine wichtige Lektion für die Schüler ist.

Niemand will sich die Finger verbrennen

Doch all diese Änderungen betreffen nur die großen Drohungen – gegen das niederschwellige Mobbing, das täglich auf der Plattform vor sich geht, können sie leider nichts ausrichten. Und genau aus dem Grund sind Eltern und Schulleiter in den USA immer noch zu Recht besorgt über die App. Eine Bombendrohung betrifft unmittelbar viele Menschen und erhält daher viel Aufmerksamkeit – diese erhalten Einzelopfer von Mobbing-Attacken allerdings nicht und so bleibt ihr Leid oft unbemerkt. Und so stellen sich die Fragen, warum existiert so eine App überhaupt, was kann man dagegen unternehmen und vor allem wer ist in der moralischen Verantwortung? Der Entwickler und CEO von Burnbook betont immer wieder, dass die App nicht als Mobbing-Plattform gedacht ist und dass man zur Nutzung mindestens 18 Jahre alt sein muss (oder 17 mit Erlaubnis der Eltern). Allerdings wird hier deutlich, dass der 23 Jahre junge Lucas doch recht naiv an die ganze Sache herangeht, denn eine Alterskontrolle innerhalb der App gibt es nicht und auch die Alterskontrolle der App Stores von Apple und Google sind nicht gerade eine große Hürde.

Lucas behauptet außerdem, Burnbook sei für den “Austausch von Witzen, Fehlschlägen, Siegen, Sichtungen, Verkündungen, Enthüllungen und Geständnissen” gedacht – doch ändert dies natürlich nichts daran, wofür die App tatsächlich genutzt wird. Aber reicht die Unschuldsabsichtserklärung vom Entwickler aus, um die tatsächliche Nutzung und daraus eventuell resultierende Schäden zu legitimieren, oder stiehlt er sich damit aus der Verantwortung? In den App-Stores häufen sich die negativen Bewertungen mit eindeutigen Kommentaren, doch die App erfreut sich ungebremster Beliebtheit. Aber wann ist der Punkt erreicht, an dem die App-Store-Betreiber Verantwortung übernehmen und die App aus den Stores entfernen? Und was für Mittel bleiben den besorgten Eltern, außer negativen Bewertungen? In Texas haben einige Eltern begonnen positive Nachrichten über die App zu verbreiten – auf dem Blog der Sicherheitsfirma McAffee finden sich zusätzliche Tipps, wie Eltern ihren Kindern den Umgang mit der App beibringen können – doch machen wir uns nichts vor, einen Mobbing-Troll im Schutz der Anonymität wird das wohl kaum beeindrucken.


Image (adapted) „into the blue“ by Arindam Bhattacharya (CC BY-SA 2.0)


ist Wahl-Berliner mit Leib und Seele und arbeitet von dort aus seit 2010 als Tech-Redakteur. Anfangs noch vollkommen Googles Android OS verfallen, geht der Quereinsteiger und notorische Autodidakt immer stärker den Fragen nach, was wir mit den schicken Mobile-Geräten warum anstellen und wie sicher unsere Daten eigentlich sind. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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