TikTok Mutterkonzern ByteDance in der Kritik

Schon vor einiger Zeit berichteten wir über die weltweit erfolgreiche App TikTok. Mithilfe von Lip-Synching-Videos hat sie es inzwischen auf circa 500 Millionen aktive User im Monat gebracht. Und somit den Mutterkonzern ByteDance an die Spitze der erfolgreichsten Start-ups der Welt katapultiert. Allein in Deutschland besitzen vier Millionen Jugendliche einen Account. In den USA sind es sogar erstaunliche 65 Millionen User, gut ein Fünftel der amerikanischen Bevölkerung. Besonders beliebt in der App sind verschiedene Challenges und Hashtags. Doch was anmutet wie nur eine weitere Hype-App wie Snapchat oder Instagram, an der sich Jugendliche erfreuen, hütet einige dunkle Geheimnisse.

Von Datenmissbrauch, unzulänglichem Jugendschutz und chinesischer Massenüberwachung.

Die Filterblase als Geschäftsmodell

Um sich in das Thema TikTok einzuarbeiten hilft es, sich erst einmal anzusehen, was genau die App so erfolgreich macht. Bereits in 2012 hat der spätere CEO von ByteDance die Entwicklung einer App angestoßen, mit deren Hilfe man extrem personalisierte News angezeigt bekam. Die Anwendung mit Namen „Toutiao“ verwendete einen Algorithmus, der jede Bewegung des Users innerhalb der App speicherte und auswertete. Somit lernte die dort eingesetzte künstliche Intelligenz die Präferenzen der User innerhalb kürzester Zeit kennen und erstellte ein individuelles Nachrichtenprofil. Wenn ein Nutzer zum Beispiel einen Absatz zwei Mal las, wurden die Keywörter herausgefiltert und als Präferenzen abgespeichert.

Einem ähnlichen Prinzip folgt dabei auch TikTok. Man muss nicht einmal einen eigenen Account besitzen, damit die App das Nutzerverhalten analysiert. Welche Tags man sich ansieht, wie lange man auf einem Video bleibt, was man liked, shared, kommentiert, oder welche Songs, Sounds und Filter man besonders gerne sieht. All das speichert die App automatisch und analysiert mit jeder vom User ausgeführten Bewegung, wie der eigene Feed interessanter und individueller gestaltet werden kann. Das dürfte wohl auch ein Grund für den hohen Sucht-Faktor bei TikTok sein. Es gibt unendlichen Content, der deutlich präziser als bei Apps wie Instagram und Snapchat, auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet ist.

Kritik auf TikTok nicht erwünscht

Doch spätestens hier offenbart sich ein großer Kritikpunkt an der App. Sie kreiert Filterblasen. Und das führt im Umkehrschluss zu einer Begrenzung an Themen, die man nur als Zensur betiteln kann. In einem Artikel des Online Magazins Bloomberg Businessweek heißt es, ByteDance arbeite daran, TikTok in eine zu 100 Prozent kontroversfreie Plattform zu verwandeln. In dem gleichen Artikel sagte TikToks Head of Operations in Indien aus, die App sei eine reine Entertainment-Plattform, auf welcher die Leute Spaß haben sollten, anstatt irgendwelche politischen Kämpfe auszutragen. Auf die Frage ob TikTok denn zum Beispiel Kritik am indischen Präsidenten erlauben würde, antwortete er stumpf mit „nein“.

Angesichts dessen, dass die App hauptsächlich auf Kinder und Jugendliche ausgelegt ist, mag diese Aussage auch nicht so schlimm erscheinen. Warum sollten junge Menschen denn nicht einfach eine lustige App haben, auf der sie sich wohlfühlen? Die Probleme hinter dieser Denkweise werden sichtbar, wenn man in das Land sieht, aus dem die App kommt.

TikTok in China nicht verfügbar

In China selbst kann die App TikTok nicht heruntergeladen werden. Stattdessen gibt es hier das Äquivalent Douyin, mit freundlicher Unterstützung der chinesischen Regierung. Douying folgt Zensur-Richtlinien der kommunistischen Partei und zensiert zum Beispiel jedweden Post, der traditionelle Uighur Musik enthält. Diese Musik wird assoziiert mit einer muslimischen Minderheit in China, die Diskriminierung im ganzen Land erfährt. In dem ehemals aufständischen Gebiet Xinjiang sind die Bürger dieser Minderheit nun verpflichtet, bestimmte Überwachungs-Apps auf dem Smartphone zu installieren. Schon das Versenden eines muslimischen Grußes in einem privaten Chat kann hier zur Inhaftierung führen.

Erst letztes Jahr wurde zudem der britische Kinder-Cartoon Peppa The Pig auf Douyin verboten, weil die Figuren angeblich kontroverse Ideen verbreiteten. Noch vor einiger Zeit warnte ByteDance selbst seine User davor, sensible Daten mit TikTok zu teilen, da sie nicht garantieren können, dass die Daten nicht an die chinesische Regierung weitergegeben wurden. Ob ByteDance hier aber nur Opfer der Zensur in China ist, oder selbst aktive Einschnitte der Meinungsfreiheit vornimmt, ist umstritten. Insider berichten, dass ByteDance sich ohne die Unterstützung, oder zumindest das Wohlwollen der kommunistischen Partei, gar nicht solch eine Position in China hätte aufbauen können.

Das ewig leidige Thema der Datensicherheit

Zumindest außerhalb Chinas gelobt das Unternehmen aber Besserung. Das dürfte nach den Kontroversen der letzten Jahre auch der einzige Ausweg sein. So wurde ByteDance in den USA auf insgesamt 5,7 Millionen US-Dollar verklagt, da sie illegal Informationen von Kindern unter 13 gespeichert hatten, da Daten von unter 13-Jährigen Usern erhoben wurden, ohne vorher das Einverständnis der Eltern einzuholen. Die Untersuchung begann im Frühjahr 2017, damals noch gegen die Lip-Synching App Musical.ly, welche ByteDance am Ende des Jahres aufkaufte und somit das Verfahren gegen die App übernahm.

Zwischenzeitlich wurde TikTok außerdem in Indien und Bangladesch verboten, da sie nur unzureichenden Jugendschutz betrieben haben soll. Konkret wurde TikTok vorgeworfen, sie würden die Kinderpornographie unterstützen. Das ist eine harte Kritik, die sich aber auch der Vorgänger Musical.ly immer wieder anhören musste. Musical.ly war die erfolgreichste Lip-Synching App, bis ByteDance sie 2016 aufkaufte. Schon damals hatte es Berichte über freizügige Kindervideos gegeben, in denen die minderjährigen Nutzer unwissentlich anzüglichen Content erstellt hatten.

Lösungsansätze für die Kritik an ByteDance liefert das Unternehmen mit dem Versprechen, die Server für TikTok außerhalb Chinas zu positionieren und eine gesonderte App speziell für unter 13-Jährige User zu entwickeln, die stärker moderiert werden soll als TikTok. Zudem informiert TikTok auf der Website der App über erhobene Nutzerdaten und Datenschutzbestimmungen, um für mehr Transparenz zu sorgen.

Kampf der Überzeugungen

Zugegeben, bei dem Thema Überwachung, Datensicherheit und letztlich individueller Freiheit objektiv zu bleiben, ist beinahe unmöglich. Vieles ist bei der Firma ByteDance eben noch undurchsichtig. Wie ernst sie ihren Datenschutz wirklich nehmen, welche Informationen sie eventuell an die chinesische Regierung weitergeben, und ob sie Opfer oder Täter in der chinesischen Massenüberwachung sind.

Gerade vielen amerikanischen Medien stößt das Unternehmen aber bitter auf. Die New York Times schreibt zum Beispiel, dass zwar auch Facebook und ähnliche Portale Probleme mit dem Datenschutz hätten, dass aber hier eine ganz andere Grundlage an Moralvorstellungen vorliege. Zudem habe der Prozess und vor allem die Diskussion um die Macht von Apple, Facebook und Co in den USA längst begonnen. Was man von China nicht behaupten könne.

Die demokratische Grundordnung Europas und der USA beruht auf individueller Freiheit, bei der die Meinungsfreiheit eine zentrale Rolle spielt. Wir sollten, und müssen, diese Rechte auch auf Plattformen wie Facebook, TikTok, YouTube und so weiter schützen, ebenso wie unsere Privatsphäre. Durch Dialoge, öffentliche Anhörungen oder Petitionen haben wir die Chance dazu. Ob auch ByteDance eine solch offene Diskussion über ihre Rolle in der westlichen, sowie asiatischen, Medienlandschaft zulassen wird, bleibt abzuwarten.


Image by Prateek Katyal via unsplash.com

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