Am Mittwoch, den 16. April, war Carsten Ulbricht, Rechtsanwalt und Betreiber des rechtzweinull-Blogs, zu Gast in der Blogsprechstunde von politik-digital und den Blogpiloten. Er stand Rede und Antwort zu Lizenzrechten von Bildern und Beiträgen, Strafen bei Rechtsverletzungen sowie dem Web2.0-Trend in der Justiz.
Moderator: Hallo und herzlich willkommen in der Blogsprechstunde. Kurze Frage an unseren Gast: Können wir starten?
Carsten Ulbricht: Ich bin bereit. Es kann losgehen.
Moderator: Hier kommt die erste Frage:
Fabian: Was war der bisher größte Skandal bezüglich Urheberrechtsverletzung im Internet? Erinnern Sie sich an einen?
Carsten Ulbricht: Auch wenn ich es nicht unbedingt einen Skandal bezeichnen würde, so kommt die Geschichte mit den Massenabmahnungen der Musikindustrie dem schon ziemlich nahe. Wann hat eine Branche schon einmal die eigenen Kunden verklagt?
Blue: Was sind die schärfsten in Deutschland festgesetzten Strafen bezüglich Urheberrechtsverletzungen?
Carsten Ulbricht: Das geht ja gleich mit schwierigen Fragen los. Das kann man in der Allgemeinheit auch nicht so beantworten. Früher hatten Urheberrechtsverletzungen ja eine ganz andere Qualität, wie im Bereich der Kunst oder bei Musik oder Filmen. Urheberrechtsverletzungen wurden damals regelmäßig von kriminellen Organisationen im großen Stil begangen (gewerbliche Raubkopierer). Dafür war das Urheberrecht und entsprechende strafrechtliche Sanktionen auch ausgelegt. Das Problem heutzutage ist, dass bei den ganzen neuen Internetsachverhalten das Urheberrecht die Probleme nicht immer sachgerecht abdeckt und Alltagstaten kriminalisiert. Um auch noch die Frage zu beantworten: ;-))) Bei kriminellen Vereinigungen, die in großem Stil Urheberrechtsverletzungen begangen haben, gab es auch schon erhebliche Freiheitsstrafen von mehreren Jahren Gefängnis.
steffi2.0: Wie beurteilen sie das deutsche Urheberrecht im Vergleich zum ausländischen? Gibt es da drastische Unterschiede?
Carsten Ulbricht: Nein. Gerade zum amerikanischen Recht gibt es doch zahlreiche Parallelen. Das Problem ist, dass die nationalen Rechte sehr restriktiv sind, um – was erst einmal richtig ist – dem Urheber vollumfänglich die Verwertungsrechte zu geben. Das ist in vielen anderen Rechtsordnungen, gerade im europäischen Wirtschaftsraum, ähnlich. Allerdings muss man natürlich sagen, dass ich in erster Linie deutscher Jurist bin und mein wesentliches Know-How in diesem Bereich liegt.
Moderator: Kommen wir zu den Web 2.0-Rechtsfragen:
Uri: Ist es erlaubt, für mein Blog Bilder von Flickr und Co. zu verwenden, wenn ich damit quasi Werbung mache?
Carsten Ulbricht: Sämtliche flickr Bilder werden im Rahmen des Creative Commons Systems eingestellt. Das sind vordefinierte Lizenzen, die es erlauben, Bilder unter Einhaltung der konkreten Bedingungen zu verwenden. Man muss also immer darauf achten, unter welcher CC-Lizenz ein konkretes Bild steht. Da gibt es z.B. die CC-Lizenz by, die besagt, dass man das Bild nach Belieben (also auch kommerziell) verwerten darf, wenn man nur den Urheber nennt. Es gibt aber z. B. auch die CC-Lizenz „non-commercial“, die besagt, dass man die Bilder zwar verwenden darf, aber eben nur zu nicht-kommerziellen Zwecken. Dann ginge das mit der Werbung also nicht. DESHALB IMMER GENAU AUF DIE KONKRETE CREATIVE COMMONS LIZENZ ACHTEN.
Moderator: Feststellung und Nachfrage einer Userin zum Thema Creative Commons:
Anna: Betreff CC-Lizenz: Ich finde die Richtlinien da meistens ziemlich schwammig – z. B. weiß ich nie, wo genau ich denn den Urheber nennen muss, wenn er das verlangt.
Carsten Ulbricht: Gerichtsentscheidungen, wo genau der Urheber genannt werden muss, gibt es derzeit nicht. Also sollte man als Verwender nach bestem Wissen und Gewissen das tun, was man für angemessen hält. In jedem Fall sollte die Urhebernennung auf der selben Seite erscheinen, wo auch das Bild verwendet wird. Dann hat man meines Erachtens gute Argumente, um im Fall der Fälle dazulegen, dass man alles Erforderliche getan hat.
Orania: Darf ich bei eBay Produktbilder anderer Verkäufer benutzen?
Carsten Ulbricht: Grundsätzlich: Nein. Bilder darf immer nur der verwenden, der entweder der Urheber ist oder vom Urheber die Rechte eingeräumt bekommen hat. Oder eben von demjenigen, der vom Urheber die entsprechende Lizenz zur Weitergabe bekommen hat usw. Es muss eigentlich immer eine Lizenzkette bis zurück zum Urheber geben.
Kenox: Darf ich einen von mir verfassten Wikipedia-Artikel als mein Eigentum ansehen?
Carsten Ulbricht: Zunächst mal ist der Schreiber eines Artikels, so dieser die notwendige schöpferische Gestaltungshöhe erreicht, alleiniger Urheber und damit „Eigentümer“ des jeweiligen Textes. Beachten muss man allerdings, dass sich Wikipedia der so genannten GNU-Lizenz bedient, und damit die auf Wikipedia veröffentlichten Artikel grundsätzlich der Allgemeinheit zur Verwertung zur Verfügung gestellt werden. Man räumt also Wikipedia eigentlich eine entsprechende Lizenz zur Nutzung ein.
Sofern ein Artikel bei Wikipedia eingestellt ist, muss klar sein, dass man daraus unmittelbar kein Kapital schlagen kann und auch keine Ansprüche (z.B. gegen Abänderung) geltend machen kann. Es bleibt natürlich unbenommen den Artikel wieder zu löschen (problematisch ist nur, dass ab der einmaligen Veröffentlichung eine vollständige Eliminierung des Textes im Internet insgesamt fast unmöglich wird).
Moderator: Unsere Nutzer konnten schon im Vorfeld Fragen stellen und bewerten. Diese Frage wurde am besten bewertet:
Thomas: Wer haftet für User Generated Content, zum Beispiel bei YouTube?
Carsten Ulbricht: Erst einmal Zeit nehmen zum Lesen…
Moderator: Für unsere User gibt es nach dem Chat übrigens wie immer ein Transkript, wo all diese geballten Informationen noch einmal in Ruhe durchgelesen werden können :)
Carsten Ulbricht: Das ist nicht so einfach. Auch hier gilt natürlich das Urheberrecht. Die Musiker bzw. die Firmen, die die Lizenzrechte zur Verwertung eingräumt bekommen haben, sollen grundsätzlich darüber entscheiden können, wo bzw. wie die Lieder veröffentlicht werden. Insofern muss man wohl sagen, dass man ohne die ausdrückliche Einräumung der Veröffentlichung, auch von Ausschnitten von Songs, dies nicht darf.
Hpay: Wie sieht es mit Forumbeiträgen aus: Gehören die dem Forenbetreiber oder mir selbst?
Carsten Ulbricht: Das hängt regelmäßig von den AGB oder Nutzungsbedingungen des konkreten Forums ab. Die meisten sehen einfache Nutzungsrechte der Plattform vor für Inhalte die dort eingestellt werden. Damit „gehören“ die Inhalte wohl erst einmal beiden. Relevant ist das ohnehin nur, wenn der jeweilige Inhalt die notwendige Schöpfungshöhe erreicht, weil er nur dann entsprechend geschützt ist. Für den Fall, dass er diese Schöpfungshöhe nicht erreicht (und das dürfte für die grosse Mehrzahl aller Forumsbeiträge gelten), ist der Inhalt ohnehein regelmäßig frei verwendbar und gehört insofern niemandem.
Moderator: Eine Frage zur Web 2.0-Kompetenz unserer Justiz:
Blogbiy: Kennen sich Richter und Staatsanwälte überhaupt schon hinreichend mit „neuen “ Formaten wie Blogs aus, um da Urteile zu fällen?
Carsten Ulbricht: Zunächst muss man lobend feststellen, dass das immer besser wird. Einzelne Gerichte haben sogar schon aus Wikipedia zitiert. Aufgrund der Tatsache, dass Internetsachverhalte – nicht zuletzt durch die unsäglichen Abmahnanwälte – immer häufiger die Gerichte beschäftigen. Jüngere Richter können oft etwas damit anfangen, älteren Richtern muss man das halt erst einmal alles erklären. Mit Richtern im Bereich des Urheber- oder Markenrechts, mit denen ich häufiger zu tun habe, habe ich aber gar keine soooo schlechten Erfahrungen gemacht.
Anna: Ist es eigentlich rechtens, dass ich bei eventuellen Verstoßen z. B. gegen das Urheberrecht sofort eine Geldstrafe bezahlen muss? Sollte es da nicht zuerst mal nur eine Abmahnung geben?
Carsten Ulbricht: Okay. Dazu muss ich vielleicht ein wenig erklären, da viele Leute Geldstrafe, also die strafrechtliche Seite, und Schadenersatz und damit im Zusammenhang stehende Abmahnungen, also die zivilrechtliche Seite, etwas durcheinander bringen. Geldstrafen gibt es grundsätzlich nur im Strafrecht, also wenn der Staat meint, ein bestimmtes Verhalten müsste sanktioniert werden. Das ist bei den üblichen Internetsachverhalten (auch im Bereich des Filesharing) regelmäßig nicht der Fall und greift eigentlich nur, wenn man mp3s in großem Stil „handelt“.
Die zivilrechtliche Seite ist der Schadenersatz und die Abmahnkosten (also die Kosten des abmahnenden Anwalts), der regelmäßig direkt mit der Abmahnung geltend gemacht wird. Da ist es bei einem tatsächlichen Urheberrechtsverstoß leider tatsächlich so, dass derjenige, dessen Rechte verletzt worden sind, bereits mit der Abmahnung entsprechenden Schadenersatz und auch die Kosten seines Anwalts verlangen darf.
Arndt: Hallo, Herr Ulbricht! Wenn ich ein Forum oder Blog verwalte, wie streng bzw. wie häufig muss ich Kommentare kontrollieren? Das geht doch nicht rund um die Uhr!
Carsten Ulbricht: Eine Pflicht zur Vorabkontrolle gibt es laut Gesetz nicht. Eigentlich gilt in fast ganz Deutschland, dass was ich oben gesagt habe: Man muss nur reagieren, wenn man (regelmäßig durch einen entsprechenden Hinweis) von einem rechtsverletzenden Kommentar Kenntnis erlangt. Diesen muss man dann möglichst schnell (so in 24 Stunden) löschen. Also so lange nichts kommt, müssen die Kommentare nicht regelmäßig kontrolliert weden (wäre ja auch unzumutbar). Etwas anderes gilt laut Auffassung des LG Hamburg (und damit steht es in Deutschland ziemlich alleine): Wenn man mit seinem eigenen Beitrag geradezu Rechtsverletzungen provoziert. Also z. B. wenn ich in meinem Beitrag dazu aufrufen würde, eine bestimmte Person in den Kommentaren zu beleidigen oder zu denunzieren.
Moderator: Kommen wir zum zum Blog unseres Gastes:
Bruno: Wie kommt man als Anwalt zum Bloggen?
Carsten Ulbricht: Angefangen hat alles mit einer Web 2.0 Veranstaltung von Microsoft vor ca 1,5 Jahren. Da ist mir sofort klar geworden, dass mit den zahlreichen Möglichkeiten, die das Internet und vor allem die neuen Möglichkeiten des Web 2.0 bieten, auch zahlreiche rechtliche Fragen einhergehen. Ich habe mich dann mehr für das Thema interessiert und mich in zahlreichen Blogs informiert. Da ich Blogs für ein sehr attraktives Medium halte, war die Idee des eigenen Blogs nicht mehr weit.
Seppl: Was halten deine Kollegen von deinem Blog?
Carsten Ulbricht: Zunächst einmal versuche ich, nicht für Kollegen zu schreiben, sondern für Nicht-Juristen, die im privaten oder geschäftlichen Bereich von solchen Themen betroffen sind. Insofern hoffe ich, auch wenn ich mich bemühe die zahlreichen neuen Fragen auch rechtlich fundiert zu bearbeiten, einigermaßen verständlich zu schreiben. Allzu viel Feedback habe ich von bloggenden Kollegen auch noch nicht bekommen. Und viele von den nicht-bloggenden Rechtsanwälten verstehen ohnehin noch nicht so ganz, was ein solches Weblog überhaupt soll ;-)))
Putti: Wie geht es dir persönlich? Soweit ich weiß, bist du bisher einer der ganz wenigen Web2.0-Anwälte, belächeln dich Kollegen oder haben die im Gegenteil großen Respekt davor?
Carsten Ulbricht: Mir macht die Arbeit in diesem Bereich sehr viel Spaß. In diesem Umfeld ist nach wie vor eine unheimliche Dynamik. Und die Tatsache, dass der Bedarf an Rechtsberatung da ist oder sogar immer größer wird, gibt mir mit dieser Branche ja auch Recht. Es ist sogar eher zu erwarten, dass immer mehr Anwälte auf diesen Zug aufspringen. Die Anwaltschaft ist bei neuen Entwicklungen aber oft etwas hinterher.
Uhu: Vielleicht etwas naiv gefragt, aber wie wird man denn Web 2.0-Anwalt?
Carsten Ulbricht: Gar nicht. Gute Frage, die ich mir selbst auch stelle ;-))) Ich habe schon immer im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (also Marken- und Urheberrecht) gearbeitet. Aufgrund der eigenen Internetaffinität und der ständigen Beschäftigung mit solchen Themen hat alles damit angefangen, dass ein zwischenzeitlich renommiertes Web 2.0 Startup zu mir kam. Mit dem Weblog kamen dann nach und nach mehr Anfragen. Und nun bin ich hier…. und gebe Inteviews ;-)))
clou: Wie ist die Entwicklung von web 2.0 in anderen Ländern, wie zum Beispiel Frankreich, zu beurteilen?
Carsten Ulbricht: Da unsere Kanzlei auch sehr stark im französischen Bereich arbeitet, kann ich gerade zu Frankreich doch ein bisschen was sagen. Die Blogosphäre, aber auch die Startup-Szene, ist gerade in Frankreich sehr lebendig. Das sieht man schon daran, dass Unternehmen wie zlio schon anfangen, auch den deutschen Markt „anzugreifen“. Viele deutsche Web 2.0 Unternehmen, die das europäische Ausland angehen, gibt es hingegen wenige. In Italien beispielsweise tut sich in diesem Bereich meines Wissens ziemlich wenig. Kontakt hatte ich darüber hinaus nur noch mit England, wo auch einiges passiert. Das Thema wird also europaweit weiter aktuell bleiben.
Moderator: Unsere letzte Frage für heute:
Sarin: Wie siehst du die Zukunft beim Netzrecht, das Internet verändert sich und wächst ja ständig und beeinflusst damit auch immer wieder die rechtliche Situation, oder?
Carsten Ulbricht: Super Frage zum Schluss (bevor mir die Hand abfällt). Das Problem ist, dass die Gesetzgebung den Entwicklungen nicht mehr richtig hinterherkommt. Die Gesetzgebungszyklen sind natürlich viel länger als die neuen Möglichkeiten, die das Internet bietet. Mit dem Telemediengesetz, welches seit März letzten Jahres gilt, wollte der Gesetzgeber einige der auftretenden Probleme besser in den Griff bekommen, was leider in großen Teilen nicht gelungen ist. Sowohl die Regelungen zu Spam-Mails als auch die Haftung für User Generated Content sind ungenügend oder zu ungenau, um die Sachverhalte einer vernünftigen Lösungen zuzuführen. Insofern bleibt zu befürchten, dass die Gesetze den Problemen im Netz auch weiterhin „hinterherlaufen“.
Moderator: So, das waren 60 Minuten Blogsprechstunde. Vielen Dank an unsere Nutzer für die vielen Fragen. Und ganz besonderen Dank an unseren Gast Carsten Ulbricht. Das Protokoll dieses Chats können Sie in Kürze auf den Seiten von politik-digital.de und bei den Blogpiloten nachlesen. Das letzte Wort für heute hat unser Gast:
Carsten Ulbricht: Ich möchte mich auch bedanken für die vielen spannenden Fragen, die mich auch in meiner täglichen Arbeit immer wieder beschäftigen. Ich werde weiter versuchen, mit meinem Blog ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten und dem Unfug der teilweise im Internet verbreitet wird, eine wenig die Stirn zu bieten. Für Themenvorschläge oder für Anmerkungen, was ich in meinem Blog besser machen kann, bin ich jederzeit dankbar. Also einfach in die Kommentare reinschreiben oder E-Mail an mich. Ansonsten wünsche ich allen einen schönen Abend und hoffe, wenigstens ein paar der Fragen entsprechend beantwortet zu haben.
Moderator: Wir wünschen allen noch einen schönen Abend und sagen Auf Wiedersehen!
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Schlagwörter: carsten_ulbricht, chatprotokoll, justiz, lawblog, recht2.0, rechtzweinull
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