Aus den Gerüchten ist mittlerweile traurige Gewissheit geworden: WikiLeaks-Informantin Chelsea Manning hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Das ist eine persönliche Tragödie, aber auch ein Symptom eines Systems, in dem diejenigen brutal bestraft werden, die Versäumnisse und Fehlverhalten des Staates aufdecken. An Manning sollte von Anfang an ein Exempel statuiert werden, um andere Whistleblower abzuschrecken. Manning beizustehen, ist (von den Autoritäten gewollt) schwierig – aber ihre Unterstützer müssen dennoch zumindest ihre Solidarität bekunden.
Suizid-Versuch bestätigt
Anfangs waren es nur Gerüchte, angeheizt durch eine problematische Informationspolitik der Verantwortlichen des Militärgefängnisses von Fort Leavenworth, in dem Manning eine 35-jährige Haftstrafe verbüßt. Mittlerweile hat eine Stellungnahme von Mannings Anwälten Chase Strangio, Vincent Ward und Nancy Hollander jedoch traurige Gewissheit geschaffen: Manning hat in der Haft versucht, sich das Leben zu nehmen. Nach dem erfolglosen Suizid-Versuch wurde sie zeitweise im Krankenhaus behandelt, jedoch nach recht kurzer Zeit wieder entlassen. Es heißt, ihr Zustand sei nicht lebensgefährlich gewesen. Derzeit steht die WikiLeaks-Informantin nach eigener Aussage unter besonderer Beobachtung des Gefängnispersonals.
Schwierige Situation im Gefängnis
Die genauen Hintergründe von Mannings Entscheidung sind nicht bekannt. Zudem sind sie ihre Privatangelegenheit, weswegen von allzu weitreichenden Spekulationen abgesehen werden sollte. Zweifelsfrei steht aber fest, dass Mannings Situation mehr als nur problematisch und deprimierend ist. Einerseits ist natürlich die Tatsache, dass Manning – für einen aus Gewissensgründen begangenen Akt des Whistleblowing – 35 Jahre im Gefängnis verbringen soll, eine große Belastung. Für die ehemalige Militär-Analystin, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme erst Mitte zwanzig war, bedeutet das, dass sie bei ihrer geplanten Entlassung mehr als die Hälfte ihres Lebens im Gefängnis verbracht haben wird. Bisherige Appelle an die US-Regierung, Manning zu begnadigen, scheiterten ausnahmslos – die nach Aussage von US-Präsident Barack Obama „transparenteste US-Regierung aller Zeiten“ bleibt weiterhin hart gegen Whistleblower. Andererseits wird Mannings Situation zusätzlich verschärft durch die Tatsache, dass sie eine Trans-Frau ist. Auf diese Tatsache nehmen Regierung und Gefängnis-Personal keinerlei Rücksicht, wie Manning schon vor über einem Jahr in einer Guardian-Kolumne anprangerte. Geändert hat sich seitdem nichts. Manning erhält weder medizinische Versorgung noch sonst irgendeine Form von Unterstützung. Sie darf sich noch nicht einmal die Haare so lang wachsen lassen, wie es den Vorschriften für Frauen entsprechen würde.
Schikane zur Abschreckung anderer Whistleblower
Es ist leider davon auszugehen, dass die schlechte Behandlung Mannings – einschließlich Sanktionen wegen so ernsthafter Vorschrifts-Übertretungen wie des Besitzes abgelaufener Zahnpasta – Methode haben. An Manning sollte von Anfang an ein Exempel statuiert werden. Ihr hohes Strafmaß und ihre schlechte Behandlung im Gefängnis, einschließlich zeitweiser Unterbringung in Einzelhaft während der Untersuchungshaft, dienen den Absichten der US-Autoritäten. Je schlechter es Manning in der Gefangenschaft geht, und je weniger ihr erlaubt wird, öffentlich ihre Meinung zu äußern, desto eher lässt sich aus ihrem Fall eine Abschreckung für andere potentielle Whistleblower konstruieren. Die US-Regierung will zeigen, dass sie hart gegen diejenigen durchgreift, die ihre Inkompetenz, ihr rücksichtsloses Machtstreben, ihre zahlreichen dunklen Geheimnisse offen legen. Dass sie damit das Leben einer jungen Frau zerstören, die, wie sie immer wieder betont hat, nur ihrem Gewissen gefolgt ist, ist dabei zweitrangig.
Wie geht es weiter?
Konkrete Verbesserungen für Manning zu erreichen, ist für ihre Unterstützer schwierig. Sie können lediglich versuchen, die von Manning geleakten Informationen bestmöglich zu nutzen, und für eine Gesellschaft kämpfen, in der Whistleblower mehr Respekt und Anerkennung erhalten. Manning selbst können sie nur indirekt, symbolisch und emotional beistehen, doch auch das kann in ihrer Situation einen Unterschied machen. In einem aktuellen Tweet schreibt die Aktivistin: „Ich bin in Ordnung. Ich bin froh, am Leben zu sein. Danke euch allen für eure Liebe “.
I am okay. I’m glad to be alive. Thank you all for your love <3 I will get through this. #standwithchelsea
— Chelsea Manning (@xychelsea) 12. Juli 2016
Das „Chelsea Manning Support Network“ bittet darum, Manning unterstützende Botschaften ins Gefängnis zu schicken. Die Adresse dafür lautet: CHELSEA E. MANNING 89289 1300 NORTH WAREHOUSE ROAD FORT LEAVENWORTH, KANSAS 66027-2304 Worte sind nicht viel, um jemandem zu helfen, der einen so hohen Preis für den aus Überzeugung geführten Kampf gegen einen übermächtigen Gegner zahlt. Aber sie können immerhin zeigen, dass Manning in diesem Kampf nicht allein steht.
Image (adapted) „Chelsea Manning mural“ by Timothy Krause (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Chelsea Manning, Informantin, Tragödie, whistleblower, wikileaks
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