Im Interview mit Tobias Gillen reden Lisa Altmeier und Steffi Fetz über neue Crowdspondent-Projekt: eine Deutschland-Reise // von Tobias Gillen
Nach dreimonatiger Recherche-Reise durch Brasilien ist das zweiköpfige Team von Crowdspondent wieder auf der Suche nach neuen Themen – diesmal soll es um Deutschland gehen. Vorher muss allerdings noch Geld bei Startnext eingesammelt werden. Im Netzpiloten-Gespräch haben sich die Macherinnen, Lisa Altmeier und Steffi Fetz, den Fragen von Tobias Gillen gestellt.
Brasilien wird die Fussball WM und die Olympischen Spiele ausrichten, steckt Unmengen Geld in diese Projekte – auf der anderen Seite ist es aber auch ein Land mit hohem Armutsanteil, was immer wieder zu Protesten führt. Für einen Journalisten vor Ort sind das spannende Themen, kann Deutschland da mithalten?
Lisa: Klar doch! Es haben sich immer wieder Menschen bei uns gemeldet, die gemeint haben, wir sollen Crowdspondent mal in Deutschland ausprobieren. Die Leute haben auch schon angefangen, uns Ideen zu schicken. Gerade Leute in unserem Alter kommen heute nur noch selten auf die Idee, bei ihrer Zeitung anzurufen, wenn irgendwas schief läuft oder sie etwas spannend finden. Die posten das dann bei Facebook und das war’s. Jetzt können sie sich bei uns melden.
Steffi: Dieses Jahr sind natürlich etliche Journalisten in Brasilien unterwegs, das war letztes Jahr während unserer Recherche ganz anders. Wir sind da lieber ein wenig antizyklisch. Gerade in den Sommermonaten sind in Deutschland viele Redaktionen ausgedünnt und die Leser sind unzufrieden. Denn: Es passiert ja nicht weniger. Es machen nur mehr Journalisten Urlaub.
Kurz nach eurer Ankunft in Brasilien hast du, Steffi, im Netzpiloten-Interview zum Thema Crowdfunding gesagt: „Falls wir nach dem Brasilien-Experiment weitermachen, kann ich mir so was auch für unser Projekt vorstellen.“ Nun ist es soweit, wie kam es dazu?
Steffi: Ach, lustig. Das wusste ich gar nicht mehr. Tatsächlich war es so, dass uns so oft Menschen nach Crowdfunding gefragt haben, dass wir irgendwann dachten: Ok, Leute, dann machen wir das jetzt.
Lisa: Es gab letztes Jahr auch mehrere Berichte über uns, in denen geschrieben wurde, dass wir bereits Crowdfunding machen würden. In Wahrheit hatten wir jdamals VOCER Innovation Medialab Stipendium. Aber das Crowdfunding ist natürlich der nächste logische Schritt. Und ich finde, dass die Leute auch sehen dürfen, dass Journalismus auch Geld kostet und kosten darf. Dieser Gedanke ist in den letzten Jahren bei Internetnutzern ein wenig verloren gegangen.
Ihr habt euch als Plattform für Startnext und gegen die auf journalistische Projekte konzentrierte Plattform krautreporter entschieden. Wieso?
Steffi: Das hatte in erster Linie technische Gründe. Wir wären sehr gerne zu Krautreporter gegangen, aber die Seite wird momentan umgebaut und wir hätten da erst etwa zwei Wochen später mit dem Funding beginnen können. Das wäre zeitlich zu knapp geworden.
Lisa: Wir lieben aber Krautreporter. Sebastian Esser von Krautreporter hat uns sehr bei der Planung auch sehr unterstützt. Wir sind bei startnext allerdings auch sehr zufrieden und kennen tolle Journalisten-Kollegen, wie zum Beispiel Dirk von Gehlen oder Arne Fleckenstein von Störelement, die dort erfolgreiche Projekte gestartet haben.
Auf der Crowdfunding-Seite steht, ihr arbeitet anders als andere Journalisten und könnt Sachen herausfinden, die andere nicht sehen. Könnt ihr das konkretisieren?
Lisa: Wir arbeiten anders, weil wir mit den Lesern und Zuschauern im Team arbeiten und weil wir uns im Gegensatz zum normalen Redaktionsalltag in diesen drei Monaten auch Zeit für die Geschichten nehmen können. Bei Crowdspondent gibt es keinen Druck von oben. Welche Stories das genau sind, können wir bezogen auf Deutschland natürlich noch nicht sagen, das bestimmt schließlich ihr. In welche Richtung es gehen kann, zeigt aber unser Video (Link) ziemlich gut.
Steffi: Methoden wie Podcasts im Kleiderschrank, Couchsurfen beim Leser oder Themenabstimmungen bei Facebook vom letzten Jahr zeigen ja schon, dass unsere Methoden eher unüblich sind. Wichtig ist uns, dass wir auch spontan auf etwas reagieren können.
4.000 Euro für zwei Personen und drei Monate Tour durch Deutschland – wie kalkuliert man so etwas? Ihr wisst ja noch gar nicht, wohin euch die Crowd schickt?
Steffi: Die Rechnung war eigentlich ziemlich einfach: Wir brauchen Dauertickets für die Bahn, damit wir flexibel überall hinreisen können und Mikrofone, damit unser Ton nicht so rauscht. Dann müssen wir noch so Sachen wie Steuern und Dankeschön-Kosten kalkulieren, die beim Crowdfunding ja auch anfallen – auch wenn das gerne vergessen wird. Geld verdienen wir damit keines, aber wir können zumindest die Unkosten decken.
Eure Beiträge von der Brasilien-Reise sind auch bei vielen „klassischen Medien“ gelaufen. Sind da Kooperationen auch für dieses Projekt geplant?
Steffi: Es gibt bisher keine fixen Kooperationen. Wir sprechen natürlich schon mit Leuten von anderen Medien und werden auch sicher wieder Beiträge verkaufen. Uns ist aber wichtig, dass die Crowd und wir im Team die inhaltliche Hoheit haben. Durch das Crowdfunding sichern wir uns also auch eine gewisse Unabhängigkeit.
Lisa: Alle erfahrenen Journalisten meinten im Vorfeld zu uns: Ihr braucht ein fixes Oberthema, dann habt ihr in den großen Medien viel bessere Chancen, was zu verkaufen. Der Klassiker ist ja, dass man sich an irgendwelchen sogenannten Aufhängern orientiert. Wir haben lange darüber nachgedacht und entschieden: Nein. Dann kaufen uns die klassischen Medien halt nicht so viel ab. Aber bei uns setzt die Crowd die Themen und wir haben keine Lust, dass deren Kreativität durch irgendwelche inhaltlichen Korsetts eingeschränkt wird.
Was passiert, wenn die 4.000 Euro nicht zusammen kommen? Hängt ihr die Crowdspondent-Sache dann an den Nagel oder habt ihr weitere Projekte in Planung?
Lisa: Wir haben natürlich immer tausend Ideen für andere Projekte. Vorm Scheitern fürchten wir uns trotzdem. Sterben lassen werden wir Crowdspondent sicher nicht, aber die große Sommer-Recherche wird es dann vermutlich nicht geben können. Einen konkreten Plan B haben wir nicht.
Steffi: Das war letztes Jahr allerdings auch so. Wir haben darauf vertraut, dass wir crowdspondent in Brasilien finanzieren können und dass die Menschen Bock haben und mitmachen – und dieses Vertrauen haben wir auch dieses Jahr. Unser Plan B für Brasilien, wenn wir kein Reisegeld und keine Crowd-Themen gekriegt hätten, war immer drei Monate am Strand sitzen und Caipirinha trinken. Vielleicht müssen wir uns für dieses jahr noch ein Äquivalent ausdenken.
Auch Deutschland hat schöne Strände – nur so warm wie in Brasilien wird es da meistens nicht. Vielen Dank und viel Erfolg bei der Kampagne.
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: Crowdfunding, Crowdspondent, Interview, journalismus, Lisa Altmeier, Startnext, Steffi Fetz