Das Digitale macht Schule anders

In seiner Kolumne beschäftigt sich Nico Lumma mit dem Medienwandel und Kompetenzen die damit einhergehen. Nicht nur im Beruf, sondern auch in der Schule und Familie.

Damals, kurz nach dem Krieg, als ich zur Schule ging, da gab es einen Computerraum, den ich während meiner Zeit auf dem Gymnasium gefühlt zweimal betreten habe. Bei beiden Besuchen ging es darum, mit der Programmiersprache LOGO eine Schildkröte durch einfache Befehle Linien auf den Bildschirm zeichnen zu lassen. Natürlich hatten sich jeweils 5 Schüler einen Computer zu teilen, also hakte ich das Thema Computer und Schule schnell ab, auch weil ich zuhause mit einem C64, der Datasette, der Floppy 1541 und einem Lötkolben alles hatte, was das Herz begehrte.

Mittlerweile ist die Ausstattung an Schulen viel besser geworden. Es gibt Computerräume, Laptop-Stationen und Whiteboards, um den Unterricht multimedialer zu gestalten, aber so ganz ist das Digitale noch nicht in den Schulen angekommen. Wir halten es in Deutschland schon als großen Erfolg, dass Medienkompetenz an Schulen vermittelt werden soll, gehen allerdings stark am Kern der eigentlichen Herausforderung der digitalen Zeit vorbei. Die Schule versucht immer
noch, gute Anwender zu schulen, aber schafft es nicht, das Digitale als gestalterische Aufgabe zu verstehen.

Exemplarisch ist das Verhalten des Lehrerkollegiums an der Theodor Storm Schule in Husum zu sehen. Dort wurde ein kategorisches Medienverbot auf dem Schulgelände verhängt, das auch die Nutzung von Smartphones, MP3-Playern und ähnlichen Tools in der Pause verbietet. Während sich Schüler vernetzen, denkt die Schule weiterhin hierarchisch und verbietet.

Die Mediennutzungsrealität sieht dabei allerdings ganz anders aus. Die Schüler bedienen nicht einfach mehr passiv ihre Geräte für den Konsum, sondern erschaffen selber Inhalte, nutzen digitale Medien zunehmend aktiv. Die Schule sollte dies unterstützen und nicht versuchen, weiter auf ihren Strukturen aus der Bismarck-Zeit zu beharren.

Eine der großen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft ist es, das Konzept des mündigen Bürgers so zu adaptieren, dass es nicht bei der passiven Mediennutzung stehen bleibt. Eine Programmiersprache als zweite Fremdsprache ist daher die logische Schlußfolgerung, wenn man den Schülerinnen und Schülern vermitteln will, wie die Zukunft gestaltet werden kann. Mediennutzungsverbote greifen zu kurz, das wäre so, als ob man Zettel und Stift wegnehmen würde, weil jemand rummalt, anstatt sich Notizen zu machen im Unterricht. Ein Medienverbot zeigt allerdings auch, dass die Herausforderungen des digitalen Wandels zu
Überforderungen führen kann, weil es zu viele Aspekte des bisherigen Arbeiten und Lebens durcheinander bringt.

Schule muß sich dringend entschlacken und auf Zukunftsthemen fokussieren, als sich auf die alten Griechen und Römer zu stürzen. Es wird das Bildungsbürgertum nicht erfreuen, aber mit Latein wird es zunehmend schwerer, sich gute Job-Aussichten zu schaffen, Javascript hingegen ist eine gute Grundlage für die Berufe von Morgen.


 


arbeitet als COO des next media accelerator (http://nma.vc) in Hamburg. Er bloggt auf lumma.de und ist seit 1995 eigentlich nicht mehr offline gewesen. Er ist Mitglied der Medien- und netzpolitischen Kommission des SPD Parteivorstandes und Co-Vorsitzender des Vereins D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt. Unter @Nico findet man ihn auf Twitter. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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9 comments

  1. Ich bin ein klarer Befürworter des Mediennutzungsverbot in der Schule, denn gerade die Pause ist Pause und als Ablenkung und Bewegungsort wichtig.
    Das ganze muss aber einher gehen mit entsprechendem medial intelligentem Unterricht und Aufgaben. Gerade dann vervielfältigt sich der Gewinn der Medienfreien Pause nochmals. Pausen sind in jedem Zusammenhang wichtig für’s Lernen und das Memorieren des Beigebrachten.
    Ganz abgesehen davon können die Kids auch mal reden anstatt sich über 2m ne WhatsApp zu schicken.
    Grüße,
    @vykos

  2. Also mit Latein und den alten Griechen und Römern war es auch früher schon nicht so leicht, schnell gute Jobs zu finden. Handwerker, Kaufmänner, Dienstleister – wer braucht da schon die klassische Bildung? Gut, jetzt fallen im Gegensatz zu Kaisers Zeiten auch noch die Beamten raus. Und der Arzt an sich gilt immer öfter nicht mehr als „guter Job“.

    Aber war die universelle Bildung, die der Humanismus anstrebt nicht ohnehin eher ein Privileg derer, die kein Geld verdienen mussten? Zumindest in Form eines Studiums an einer Uni.

    Auf was soll die Schule denn vorbereiten? Aufs Leben, auf ein lebenslanges Lernen oder auf große Kohle scheffeln?

  3. Wenn sich überall im Land die Eltern für ein Medien-Gebot statt Medien-Verbot einsetzen, würde der Anpassungsdruck in den Schulen schon deutlich steigen und sich etwas ändern. Aktuell ist es oft so, dass Medienverbote von den Eltern begrüßt werden.

    Solange die Nutzung des Smartphones nur mit „Spiel und Ablenkung“ assoziiert wird, haben wir ein Problem. Daher ran an die Devices und im Schulalltag sinnvoll einsetzen. Für Texte, Fotos, Recherche & Co. Die SchülerInnen haben ihre kleinen Computer dabei – lasst uns sie nutzen!

  4. Danke für den Artikel. Genauso sieht es auch an anderen Schulen aus. Lieber mit Biologie Büchern von 1979 arbeiten, nein die Umwelt hat sich ja nicht geändert, ein Beispiel. Anstatt die Kinder auf das aktive Leben mit vorbereiten (Also nicht nur)und den Kindern das vermitteln was sie auch aktuell brauchen. Neben klassischen Fächern wir Deutsch, Mathe und Englisch. Und dann eben die Medienkomepetenz fördern aber wie auch die IT ist vorhanden nur die Komepetenz bei den Kindern ist weit besser als bei vielen Lehrern . Irgendwo muss die Mitte gefunden werden um die Kinder für die Zukunft bestens auszustatten. Zuviel aus alten Tagen wird versucht zu vermitteln, wem soll es etwas nützen. Nicht umsonst gehen einige Lehrer schon daher und nutzen andere Bücher, die die Sprache der Kinder sprechen und nicht hypergalaktische Overtüren aus ANNO Knipps. Etc…grosses Thema wo alle ran müssen.

  5. Verbote von Mediennutzung entstehen meistens dann, wenn der Verbietende (hier die Lehrerschaft) das Medium nicht schätzen gelernt hat. Kluge, innovative und weiterdenkende Pädagogen gehen diesen Themen aktiv entgegen und sprechen mit ihren Schülern über Apps, Facebook, Twitter & Co.

  6. Bitte nicht Latein gegen Digital ausspielen. Denn eine solide Grammatik-Ausbildung ist auch zukünftig notwendig, was der Deutschunterricht in den meisten Fällen nicht leistet (warum auch immer). Den Mangel merkt man leider heute schon vielen Beiträgen im „Netz“ an.
    Natürlich muss sich die Form des Lehrens und Lernens ändern und Inhalte angepasst werden, aber keiner wird jemals in Frage stellen, dass die vier Grundrechenarten obsolet werden, oder?

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