Clay Shirky hat den heiligen Gral des Investments in den Schmutz geworfen: Warren Buffett. Dessen Investitionen in 24 mittlere Tageszeitungen seien geradezu hanebüchen und sein Verdikt über die Facebook-Aktie wenig weitsichtig. Gut gebellt: „Der Erfolg der Tageszeitungen ist nur ein Unfall gewesen.“ Shirky weist darauf hin, dass Reichweite und Umsatz nicht immer linear korrelieren. Werbung kommt in Buffetts erklärendem Memo gar nicht vor. Das hat einen Grund.
Ein Investor möchte Märkte dominieren. Da Märkte zu einem sehr großen Prozentsatz durch die Psychologie der Anlegermassen in Bewegung geraten, läßt sich am besten spekulieren, wenn man diese Massen lenken kann. Das ist in etwa das Geschäftsmodell der BILD-Zeitung bzw. des Murdoch-Imperiums. Nur das Letztere gerne Macht in Form von Einfluß auf Politik ausüben und Buffett die sogenannten Märkte nutzt, um unliebsame Kräfte vor sich her zu treiben, um seine Investments zu schützen.
Insofern greift Shirkys Widerspruch zu kurz. Shirky schaut aus der engen Perspektive desjenigen, der den Fortbestand der Informationsindustrie im Auge hat. Für Buffett ist diese Industrie nur ein Lieferant von Halbfabrikaten. Das sind in diesem Fall Meinungen, die zu jeder Zeit skandalisiert, aufgestachelt oder entschärft werden, um Öffentlichkeit zu produzieren. Diese Öffentlichkeit übt dann nicht selten genau den Druck aus, den man braucht, um Gesetzesvorlagen aus dem Keller zu holen oder fertige Richtlinien schneller durchzupeitschen – oder eben um Firmen klein zu schreiben, damit deren Wert sinkt, um sie billig zu erwerben. Insofern ist Buffett nicht auf Werbekunden angewiesen. Er verkauft ja nicht Produkte sondern Hoffnungen oder Enttäuschungen. So wie Versicherungskunden die Hoffnung erwerben, dass sie Unterstützung erhalten in Grenzsituationen, so erhoffen sich die Kunden von Leuten wie Buffett, dass statt ihnen ihr Geld arbeiten geht. Das funktioniert natürlich mittlerweile nur noch dadurch, dass der Produktivitätszuwachs auf Kosten Anderer funktioniert. Das sind entweder Menschen mit weniger Bildung oder Leute aus Ländern mit gering ausgebildetem Sozial- und Gemeinwesen.
Man hatte nämlich festgestellt, dass das Einführen von Robotern in der Industrie und deren Pendant namens Software in der Verwaltung und Dienstleistung zu einer enormen Abhängigkeit führt: Lizenzen, Wartung, Support – all das frisst auf Dauer die erwarteten Gewinne durch Entlassungen auf. Dann sind nicht mehr die Gewerkschaften der natürliche Feind der Marge sondern neue Lizenzmodelle, Schulungen für neue Versionen und der ständige Drang nach leistungsfähigerer Hardware.
Aber laut der gruppenhydraulischen Theorie der Mächtigen brauchen die gemeinen Leute Feindbilde, um Zusammenhalt zu finden. Sowas wie die BILD mit den Griechen machte. Oder die amerikanischen Medien mit China. Hauptsache, man verortet die Feindbilder möglichst weit weg vom eigenen Aktionsradius. Dafür braucht man Medien. Denn man muss sich entscheiden, ob man mit den Schafen blöken will oder mit den Hunden bellen. Und Zeitungen sind zum Bellen da.
Oh, da sehe ich schon die jüngste Sau im digitalen Dorf: der Knowledge Graph von Google. Mal was Neues, nicht immer nur Semantic Web. Jetzt Neu: Semantic Dingsbums mit Social Dingsbums vereinigt. Die Herde macht den Google schlau. Wer will es ihm verdenken, wenn der Zuckerberg auch plötzlich mit sowas um die Ecke käme. Und dann würde der Kurs sich verdoppeln, wenn das Ding funzen würde.
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Schlagwörter: Buffett, facebook, Medien, semantic, semantisch, Shirky