Während mittlerweile knapp der Hälfte der weltweiten Bevölkerung online ist, gehen die Versuche, das Internet weiter zu verbreiten, unvermindert weiter. Die Likes von Facebook und Google bieten „kostenlose“ Datendienste an, während Satelliten, Drohnen und Ballons eingesetzt werden, um diese Orte abzudecken, die die traditionellen Technologien nicht erreichen konnten.
Diese Agenda geht auf das Grundprinzip zurück, dass die Verbreitung des Internets direkt zu wirtschaftlichem Wachstum und zu wirtschaftlicher Entwicklung führt. Es dürfte wenig überraschend sein, eine solche Begründung von Leuten aus dem Silicon Valley zu hören. Schließlich profitieren sie von der Verbreitung dieser Technologie und es ist ihre Mission, „die Welt offener und vernetzter zu gestalten“. Einfacher ausgedrückt, steckt die Logik dahinter, dass das Internet eine demokratisierende Kraft ist, die allen überall und in jeder Weise zugutekommt.
Sehr ähnliche Ideen greifen auch in den Kreisen der internationalen Entwicklung um sich. Ganz besonders betrifft es Afrika. Besucht man ein Treffen der Oberschicht, wo die Mächtigen sich versammeln, wie etwa das World Economic Forum oder der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, wird man ähnlichen Erzählungen begegnen. Sie preisen das Potenzial der Technologie oder speziell des Internets an, um die Entwicklung zu befeuern und die Armut zu lindern.
Jedoch verspotten Wissenschaftler zunehmend die Idee des technologischen Determinismus – der Glaube oder die Annahme, dass Technologie im Alleingang unsere soziale Welt antreibt und formt. Sie betonen vielmehr das komplexe Vor und Zurück zwischenmenschlichem Handelns, der Gesellschaften und von Technologien wie dem Internet.
Wie sollen wir mit dieser riesigen Kluft zwischen den unterschiedlichen Denkweisen umgehen? Können wir sicher davon ausgehen, dass das Internet auf die Entwicklung eine positive Wirkung hat – und das immer und überall?
Eine erstaunliche Lücke
In einer bevorstehenden Arbeit versucht unsere Forschungsgruppe am Oxford Internet Institute diese Fragen anzusprechend. Wir wollten einen direkten Vergleich zwischen dem Diskurs von einflussreichen Schauspielern in der internationalen Entwicklung und der zur Verfügung stehenden Faktenlage ziehen. Afrika wurde unser Anwendungsbereich, weil der Kontinent angeblich von einer „digitalen Renaissance“ oder „Informationsrevolution“ mitgerissen wurde, die die industrielle Revolution des Nordens überspringt.
Wir haben die ICT-Strategien von sechs afrikanischen Ländern und 13 vielbeachteten Berichten von Geschäftsmännern, Entwicklungsorganisationen und Beratungsfirmen analysiert. Die Entwicklung hat viele Dimensionen, daher haben wir unsere Analyse auf den Einfluss des Internets auf das wirtschaftliche Wachstum und die Ungleichheit beschränkt.
Es überrascht vielleicht nicht, wenn die Leser darüber informiert werden, dass wir auch Meinungen von Regierungen und Entwicklungsgruppen ermittelt haben, die die positiven Effekte des Internets überteuert verkaufen sollen. Wir waren sogar erstaunt, wie groß diese Lücke war.
Die Berichte und Strategien gaben an, dass das „Internet eine ungeheure, unbestrittene Kraft für das wirtschaftliche Wachstum und den sozialen Wandel ist“. Wissenschaftliche Studien fassten zusammen, dass der Einfluss des Internets auf die Entwicklung unsicher und unterschiedlich ist, und dass es im Süden geringere Effekte als im Norden gab.
Fehlgeleitete Anstrengungen
Wir waren auch überrascht, wie pauschal und sogar sorglos einige der Behauptungen waren. Einige Berichte nutzten vereinfachende Methoden, um den „Einfluss“ oder die „Effekte“ zu bewerten, während sie ihre Ergebnisse als endgültig bewarben. In einem anderen Beispiel hat ein Bericht sogar eine Quelle falsch zitiert, um seine Argumentation zu stützen, dass das Internet die globale Ungleichheit senkt. Diese Behauptung war eigentlich gegenläufig zu den Erkenntnissen gründlicher Studien.
Die Ergebnisse unserer Analysen zeigten, dass Afrikanische Regierungen, internationale Organisationen und Beratungsfirmen große Visionen zu dem Einfluss der Internetvernetzung nähren. Das Internet wird als positiver, integrativer und transformativer Entwicklungsmotor gesehen. Diese Behauptungen wurden ungeachtet eines Mangels oder Gegenbeweises getätigt. Daher gibt es so ein spürbares Risiko, dass die integrative „digitale Entwicklung“ lediglich ein Trugbild sei, das Politik und Praxis dazu verleitet, Geld und Ressourcen mit fehlgeleiteten Anstrengungen zu verschwenden. Wir argumentieren nicht, dass das Internet für die Entwicklung unwichtig ist. Dagegen ermutigen wir einen differenzierteren Blick, der anerkennt, dass die Verbreitung der Internetvernetzung mit Risiko und unbeabsichtigten Folgen kommt. Während die Wertschöpfung globalisiert wird, bleibt die Wertegewinnung oft im Norden.
In einem weiteren Sinn interpretiert, können die Informationstechnologien die Gräben in der Gesellschaft vertiefen. Es wäre unverantwortlich und naiv, würden wir weiterhin vorgeben, dass eine größere Vernetzung einfach zu einer besseren Entwicklung für alle und überall führend würde.
Ein ermutigendes Zeichen, dass so eine Anerkennung innerhalb der internationalen Entwicklung möglich ist, war der neueste Entwicklungsbericht der Weltbank. Er gab im Grunde zu, dass die digitale Entwicklung für viele „digitale Habenichtse“ im Süden nicht greifbar war.
Was wir ermutigend fanden, war, dass dieser Bericht das Ergebnis einer produktiven Diskussion zwischen der Wissenschaft und den Praktizierenden darstellte. Wenn wir den Einfluss des Internets in die Richtung lenken sollen, die für die Armen und Machtlosen der Welt funktioniert, werden noch viele weitere Gespräche zwischen den Gläubigern und Skeptikern der digitalen Entwicklung folgen müssen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image (adapted) „Ethernet Cable“ by pfly via Flickr (CC BY-SA 2.0)
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