Demonstrantenmieten.de – ich verkaufe meine Rechte

Ich bin ja ein jemand, der dafür plädiert sich mehr zu engagieren. Sich mehr um die gesellschaftlichen Belange in unserem kleinen Staate zu kümmern und nicht alles durchzuwinken, was uns so diktiert wird. Ich glaube daran, dass man Macht auch von unten nach oben, anstatt nur von oben nach unten ausüben kann. Doch ich weiß auch, dass es nicht Wenigen egal ist, bzw. – nein – dass es vielen an Anreizen fehlt, sich tatsächlich an einem Sonntagmittag aufzuraffen, um seine kostbare Freizeit auf einem städtischen Platz damit zu verbringen, ein gebasteltes Schild in die Höhe zu halten. „Bringt doch eh nichts!“, behaupten zynische Mitbürger, wenn sie beispielsweise an Demos denken. Eine neue Plattform könnte dem nun Abhilfe leisten, denn über www.demonstrantenmieten.de, kann man nun für seinen Einsatz entlohnt werden.

Dabei scheint die Idee gar nicht so neu, wie Jürgen Vielmeier von BasicThinking feststellte. Laut Vielmeier gab es da zum Beispiel schon 2006 den Ärztestreik, für den Mediziner tatsächlich Arbeitslose engagierten, um mit den Göttern in Weiß zu marschieren. Oder auch einen Fall, bei dem ein Jahr später eine Agentur auf Erento angeblich Demonstranten für den New-York-Besuch von Mahmud Ahmadinedschad gesucht hat. Alles hat seinen Preis.

Demonstrantenmieten.de springt also scheinbar nur auf einen Trend auf und vermietet Personen für Stundensätze ab 10 EUR bis hin zu einer Tagespauschale von 250 EUR (+ Vermittlungsgebühr). So kann man, wenn man denn Angst hat, dass mit der eigenen Demo nicht genug Resonanz bewirkt wird, dafür sorgen das Personen wie z.B. Frida Jold für ein Honorar von 60 EUR pro halbe Stunde vorbeischauen, um gegen Milchpreise, Tierversuche oder Pelzmäntel zu protestieren. Und wer jetzt glaubt, dass dieser Preis ganz schön teuer sei, der irrt gewaltig. Denn das Demonstranten-Rundum-Sorglospaket von Frida beinhaltet ferner, dass sie sogar „Interview-tauglich“ ist. Hört hört.

Hinter dem Projekt steht übrigens Tim Rohrer. Dem Verantwortlichen kam die Idee als er davon las, dass eine Frau hauptberuflich Demonstrantin ist. Rohrer zählte eins und eins zusammen und entwickelte kurzerhand die Page zur Eingebung. Dass nun leider nicht jede Anfrage nach Demonstranten erstgemeint ist, liegt auf der Hand. Ist die Idee doch so unglaublich, dass sie die gedankliche Dimension einiger zu sprengen vermag. Der Entwickler aber, geht mit gutem Beispiel voran und bietet sich selber für 10 EUR die Stunde an. Im Dienste der Sache, versteht sich.

Doch was für ein Beispiel soll das eigentlich sein? Was bewirkt eine Demo, die keine echten Demonstranten vereint? Und zieht man damit nicht sogar das Engagement derer, die es ernst meinen, wenn sie gegen Atomlobby oder ACTA ins Feld ziehen, ins Lächerliche? Ich sehe vor meinem inneren Auge schon die üblichen Politiker sich ins Fäustchen lachen, wenn sie auf Massendemonstrationen mit frisierten Argumenten, die die tatsächliche Besucherzahl relativieren sollen, entgegnen: „ACTA-Protestler? Ist doch nur ein Haufen von Rentnern und Schülern, die sich was dazu verdienen wollen“.

Um es mal ganz klar zu sagen. Ich prangere solch Kommerzialisierungen von unseren Mitteln zur Durchsetzung unserer Rechte an. Was kommt als nächstes? Wählermieten.de? Vielleicht sehe ich das zu eng. Vielleicht hat eine Seite, wie diese keine Zukunft, weil der Bürger sich vielleicht doch schämen würde, wenn er auf ein solches Angebot eingeht. Vielleicht ist das nur gerade wieder eine dieser Säue, die mit harten Peitschenhieben durch das Dorf gescheucht wird. Doch wenn nicht, dann brauchen wir uns bald nicht mehr wundern, dass uns die Politik an der Nase herumführt. Denn dann haben wir es auch nicht anders verdient.


 


schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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1 comment

  1. Gekaufte Demonstranten würden Auch die eigene Überzeugung verraten, wenn es nur Geld dafür gibt. Mir tun diese Menschen leid, es ist so eine Art blutgeld. Sie würden definitiv auch ihre Eltern oder Großeltern verraten, wenn es bezahlt wird. Jeder hat seinen Preis.

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