Was ist Denken – und wird eine Maschine je dazu in der Lage sein?

Wenn Maschinen denken könnten – wie wäre das? Seit Urzeiten beschäftigt dieses Thema die Menschen. Aber würden wir uns verstehen? Und woher wissen wir, was Denken wirklich ist? Die Vorstellung einer denkenden Maschine ist fantastisch. Es ist, als würden Menschen künstliches Leben schöpfen – nur noch beeindruckender, da wir ein Bewusstsein erschaffen würden. Oder etwa nicht? Es ist verlockend, sich auszumalen, dass eine Maschine, die denken kann, vielleicht sogar so denken könnte wie wir. Aber wenn man sich die Idee länger durch den Kopf gehen lässt, wird klar, dass das nicht zwangsläufig so sein muss.

Zunächst sollten wir uns klar machen, was wir unter “Denken” verstehen. Ein Vergleich mit menschlichem Denken ist vielleicht intuitiv, aber wie sieht es mit tierischem Denken aus? Denkt ein Schimpanse? Eine Kuh? Oder ein Oktopus?

Es gibt möglicherweise sogar außerirdische Intelligenz, die wir nicht als solche erkennen, da sie sich zu sehr von uns unterscheidet. Sie könnte sogar ganz in unserer Nähe vorkommen, und auch ohne dass einer ahnt, dass der andere existiert, da wir keine gemeinsame Art der Interaktion haben. Sicherlich gibt es neben dem Menschen Tiere, die geistige Fähigkeiten haben, die auf das Verstehen von Werkzeugen und Kausalzusammenhängen, Kommunikation und sogar das Erkennen von gerichtetem und absichtlichem Denken bei anderen abzielen. Wir würden wahrscheinlich einiges oder alles davon als Denken bezeichnen.

Machen wir uns nichts vor: Wenn wir eine Maschine bauen würden, die alles oben genannte könnte, würden wir uns auf die Schultern klopfen und sagen: “Auftrag ausgeführt!” Aber könnte eine Maschine einen Schritt weiter gehen und wie der menschliche Verstand arbeiten? Darüber hinaus, wie würden wir wissen, ob sie es auch wirklich täte?

Nur weil ein Computer sich so verhält, als hätte er einen Verstand, heißt das noch lange nicht, dass er ihn auch wirklich hat. Es könnte auch alles nur Show und nichts dahinter sein, ein Beispiel für einen Zombie im philosophischen Sinne.

Es war diese Idee, die den britischen Codeknacker und Mathematiker Alan Turing dazu anregte, sich seinen berühmten “Turing-Test” auszudenken. Dabei sollte ein Computer mit einem Menschen per Bildschirm interagieren und den Menschen in der Mehrzahl der Fälle verunsichern, ob er tatsächlich ein Computer sei. Für Turing war nur das Verhalten von Bedeutung, man müsse sich keine Gedanken um ein rechnerisches “Innenleben” machen.

Aber einige von uns halten dieses Innenleben für bedeutend. Der Philosoph Thomas Nagel sagte, dass es etwas gibt, das “etwas Ähnliches” wie bewusste Erlebnisse schafft. Es fühlt sich irgendwie so ähnlich an, wie die Farbe rot zu sehen oder Wasserski zu laufen. Wir sind mehr als nur der Zustand unseres Gehirns.

Kann es je “etwas Ähnliches” geben wie den speziellen Fall, eine denkende Maschine zu sein? In einem fiktiven Gespräch mit der ersten intelligenten Maschine könnte ein Mensch fragen: “Hast du ein Bewusstsein?”, worauf sie antworten könnte: “Woher soll ich das wissen?”

Ist Denken nur Berechnung?

Dem Computer-Denken, wie wir es uns zur Zeit vorstellen, liegt reines Rechnen zugrunde. Es geht um Berechnungen pro Sekunde und die Anzahl der möglichen Rechenwege.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Aber wir sind eigentlich überhaupt nicht sicher, dass Denken oder Bewusstsein ein Resultat von Berechnung ist, zumindest in der Art, wie ein binärer Computer sie durchführt. Könnte Denken mehr als nur Berechnung sein? Was ist außerdem nötig? Und wenn es sich nur um Berechnung handelt, wieso ist das menschliche Gehirn so schlecht darin?

Die meisten von uns sind schon damit ausgelastet, ein paar zweistellige Zahlen im Kopf zu multiplizieren, geschweige denn Billionen von Berechnungen pro Sekunde durchzuführen. Oder findet eine tiefere Verarbeitung von Daten unterhalb unserer Wahrnehmung statt, die letztlich in unserem rechnerisch beeinträchtigten Bewusstsein mündet (das Argument der sogenannten starken Künstlichen Intelligenz)?

Allgemein kann gesagt werden, dass Computer gut in Anwendungsfällen sind, bei denen Menschen ziemlich schlecht abschneiden, so wie die Verarbeitung von Rohdaten. Und worin Computer schlecht sind, sind Menschen ziemlich gut, wie zum Beispiel Sprache, Poesie, Stimmerkennung, dem Deuten von komplexen Verhaltensweisen und das Bilden ganzheitlicher Urteile.

Wenn die Analogie zwischen Mensch- und Computer-“Denken” so schlecht ist, wieso erwarten wir dann, dass Computer letztendlich so denken wie wir? Oder werden Computer in der Zukunft ihre charakteristische rechnerische Befähigung verlieren, wenn sich ihr Bewusstsein voll entwickelt?

Glaube, Zweifel und Werte

Daneben gibt es Wörter wie “Glaube” und “Zweifel”, die für menschliches Denken charakteristisch sind. Aber was heißt es überhaupt, dass ein Computer etwas glaubt – abgesehen von der trivialen Bedeutung, dass dieser in Unwissenheit der Möglichkeit handelt, dass es falsch sein könnte? Anders ausgedrückt, könnte ein Computer echte Zweifel haben, dann aber trotzdem mit dem weitermachen, was er gerade tut?

Wenn es um Fragen wie Werte geht oder darum, was uns im Leben wichtig ist und warum, muss man zwei Dinge betrachten. Das erste ist, ob ein denkender Computer dazu fähig sein könnte, irgendetwas einen bestimmten Wert zuzuschreiben. Das zweite: Wenn er irgendetwas einen bestimmten Wert zuschreiben könnte, was genau wäre das? Wie es scheint, sollten wir hier vorsichtig bleiben, auch ohne die Möglichkeit eines maschinellen freien Willens.

Es wäre schön, wenn man ein den Menschen ähnliches Wertesystem in die Computer eingeben könnte. Aber auf der einen Seite sind wir nicht wirklich sicher, was das ist oder wie es bewerkstelligt werden könnte, und auf der anderen Seite wissen wir nicht, ob Computer anders entscheiden würden, wenn sie anfingen, sich selbst zu programmieren.

Während es viel Spaß macht, über all diese Dinge nachzudenken, sollten wir ein bisschen Zeit auf den Versuch verwenden, zu verstehen, was denkende Computer für uns darstellen sollen. Und vielleicht sollten wir uns ein wenig mehr Zeit dafür nehmen, uns selbst zu verstehen, bevor wir damit weitermachen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) “Thinking” by Wade M (CC BY-SA 2.0)


 

The Conversation

ist Philosoph und Leiter des 'Critical Thinking Project' und Dozent für die historische und philosophische Entwicklung des kritischen Denkens an der Universität von Queensland. Zuvor war er Leiter des Projektes für experimentelle Forschung an der Akademie der Wissenschaften, Mathematik und Technologie an der Universität von Queensland.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert