Der kleine Unterschied ganz groß: Frauen im Netz

ComScore hat im Juni dieses Jahres eine Studie mit dem Titel Women on the Web: How Women are Shaping the Internet veröffentlicht, in der Zahlen und Statistiken zu Phänomenen aufgelistet sind, die ein Großteil der internetaffinen Menschen wahrscheinlich kaum überrascht: Der so genannte Gender Gap – die Ungleichheit des Zugangs zur Online-Welt in Hinblick auf Geschlecht – schließt sich zunehmend. Von den Internetuser_innen weltweit sind heute 54% männlich und 46% weiblich. In Singapur, den USA, Kanada, Neuseeland und Russland sind mindestens 50% oder mehr der Nutzer_innen weiblich, in Indien und Indonesien sind deren Anteile mit jeweils 28% und 35% am geringsten.

Obwohl Frauen und Männer im Internet in vielen Teilen der Welt quantitativ fast gleich stark vertreten sind, unterscheidet sich deren Nutzungsverhalten – wenn auch in vielen Bereichen nicht dramatisch: Weltweit verbringen Frauen mehr Zeit mit E-Mails, Instant Messenger (IM), Fotoseiten und insbesondere auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ.

Share of time spent online: Female vs. Males (zum Vergrößern bitte klicken)

Mehr und mehr Frauen in der Altersgruppe 45+ nutzen verstärkt soziale Netzwerke und E-Mails, wohingegen ältere Männer in diesem Alter weniger Interesse zeigen. IM spielt in Ländern Lateinamerikas eine erstaunlich wichtige Rolle, was wahrscheinlich der Tatsache geschuldet ist, dass die Bevölkerung im Vergleich zu anderen Ländern recht jung ist. Insgesamt verbringen Frauen und Männer in den meisten Online-Kategorien wie ,Multimedia’, ‚Onlineshopping’, ‚Suchmaschinen’ oder ‚Spiele’ ähnlich viel Zeit, wobei sich die Art der Nutzung unterscheiden kann, z.B. welche Suchmaschinen genutzt werden, was und wie viel gekauft wird oder welche Spiele gespielt werden. Auch auf Twitter tümmeln sich in etwa so viele Männer wie Frauen und unterscheiden sich in ihrem Nutzungsverhalten dahingehend, dass Frauen weniger eigene Tweets schreiben und häufiger nach Angeboten oder Kommunikation Ausschau halten…

Laut der Studie sei es “nicht überraschend“, dass Frauen sowohl den größeren Anteil an Käuferinnen stellen als auch die meisten Einkäufe tätigen und darüber hinaus mehr Geld beim Onlineshopping ausgeben. Wird hier der Stereotyp der einkaufswütigen Frau mit dutzenden Paaren von Schuhen bestätigt? Nicht unbedingt: Da Frauen in vielen Familien für Einkäufe zuständig sind, ist anzunehmen, dass viele der Online-Einkäufe nicht dem eigenen Kleiderschrank sondern den Kindern oder der Familie dienen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch nicht überraschend, dass das Interesse von Frauen an bestimmten Kategorien wie Gesundheit, Kinder, Essen etc. höher ist als das der Männer. Wer hauptsächlich für Kindererziehung verantwortlich ist, macht sich darüber auch mehr Gedanken.

Frauen haben einen wichtigen Platz in der Online-Welt eingenommen und sind besonders stark als Bloggerinnen vertreten. Sie sind zahlungskräftige Kundinnen, verbringen viel Zeit auf Fotoseiten, in sozialen Netzwerken und Kommunikationskanälen. Die Studie resümiert, dass das Internet zu „women’s work” avanciert. Hier dramatisieren die Forscher_innen das Ergebnis meiner Meinung nach (vielleicht, um den alten, langweiligen Geschlechterkampf nicht in Vergessenheit geraten zu lassen?): Ja, es gibt Bereiche im Internet, in denen Frauen dominieren. Und ja, es gibt (wenn auch in den meisten Bereichen nicht dramatische) Unterschiede in der Nutzung. Aber eine Verschiebung des Fokus weg von Geschlechterdifferenz offenbart auch, wie viele Parallelen es gibt. Überraschend: Frauen stehen Männern bei Online-Glücksspielen in fast nichts nach. Und die so genannten „Erwachsenenseiten” werden auch immer mehr von Frauen besucht – und stehen auf der Rangliste noch vor Bekleidungs-, Gesundheits- oder Elternratgeber-Seiten. Aber diese Ergebnisse lassen sich medial wohl nicht so interessant aufarbeiten.

Autorin:Magda Albrecht

Bildnachweis: ComScore

Crosspost von www.maedchenmannschaft.net

Die Netzpiloten nehmen immer mal wieder Gastpiloten mit an Bord, die über ihre Spezialthemen schreiben. Das kann dann ein Essay sein, ein Kommentar oder eine kleine Artikelserie.


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1 comment

  1. Interessante Studie und tolle Zusammenfassung! Und ja, die Ergebnisse bestätigen eher Gemeinsamkeiten als Geschlechterdifferenz.

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