Nach dem Wortgefecht zwischen Sigmar Gabriel und der „heute-journal“-Moderatorin Marietta Slomka wird viel über Journalismus und die Einflussnahme der Politik diskutiert // von Lars Sobiraj
Twitter ist immer ein schöner Gradmesser wenn es darum geht, ob ein Thema die Gemüter erregt. Diesbezüglich war gelinde gesagt der Teufel los. Manch einer nahm ihr letzten Donnerstag die Rolle als ernsthafte ZDF-Journalistin ab und obwohl auch die Zukunft von Thomas Bellut vom Gusto der Mitglieder des Rundfunkrates abhängt, plädiert er klar gegen eine Einflussnahme der Politik, wieder andere verspotteten und beschimpften sie. Immerhin: 4,33 Millionen Zuschauer verfolgten den Schlagabtausch. Bei YouTube werden es stündlich mehr.
Schon nach der ersten Frage genervt
Beim „heute journal“ wurde nach Hessen geschaltet, wo ein paar führende Genossen der Basis mitteilten, wie sie zum Thema Große Koalition abstimmen sollen, so zumindest wirkte es. SPD-Chef Sigmar Gabriel schien gelöst, doch schon nach der ersten Frage wurde er patzig. Frau Slomka habe wohl „nicht zugehört“, es gebe in der Basis eine große Zustimmung für die Koalitionspläne seiner Partei. Natürlich gäbe es Fragen und Bedenken von einigen Mitgliedern, das sei doch nur „logisch“. Doch als Herr Gabriel die Veranstaltung weiter PR-trächtig bejubeln wollte, kam ihm Frau Slomka mit verfassungsrechtlichen Bedenken in die Quere. Die SPD-Basis schreibe demnächst den vom Volk gewählten Abgeordneten vor, ob sie eine Rot-Schwarze Koalition befürworten sollen. Das ging Herrn Gabriel offenbar zu weit. Er versuchte das Gespräch mit der Aussage „Lassen Sie uns diesen Quatsch beenden“ zu beenden. Doch Frau Slomka ließ nicht locker. Das Interview dauerte am Ende über sieben Minuten und war mehr als doppelt so lang wie üblich. So mancher Fernsehzuschauer wurde von der Heftigkeit des Wortgefechts verblüfft. Bei Facebook und Twitter stürmte schon Sekunden später die Diskussion los, ob die ZDF-Moderatorin bohrende und somit berechtigte oder überflüssige Fragen gestellt hatte.
Doch womit beschwor sie eigentlich den Unmut des SPD-Politikers herauf? Eigentlich wies sie lediglich auf die Binsenweisheit hin, dass auch in Deutschland die meiste Macht nicht vom Volk, sondern von einer Handvoll Parteifunktionäre ausgeht. Normalerweise ist es üblich, dass solche Entscheidungen in stickigen Hinterzimmern und nicht von regulären Parteimitgliedern gefällt werden. Wahrscheinlich hatte sich Herr Gabriel ausgemalt, er würde bei so viel Basisdemokratie Lob und Beifall ernten. Stattdessen musste er sich von der aufmüpfigen Journalistin bohrende Fragen gefallen lassen.
Horst Seehofer: Tadel per SMS
Kaum war die Sendung gelaufen, reagierte CSU-Chef Horst Seehofer. Er schrieb dem ZDF-Intendanten Bellut eine SMS und beschwerte sich über die Form des Interviews. Bemängelt wurde vor allem die „mangelnde Qualität“ der Diskussion. Die Abstimmung habe keinen verfassungsrechtlichen Bezug. Gabriel sollte wie ein „Schulbub“ vorgeführt werden. Der CSU-Vorsitzende kann seine Beschwerde schon am Freitag persönlich vorbringen. Das ach so unabhängige ZDF wird nämlich vom Rundfunkrat kontrolliert. In diesem Kontrollgremium hat auch Herr Seehofer einen Sitz inne. Von daher kann er sich mit dem ZDF-Intendanten am Freitag direkt austauschen.
Nicht begriffen?
Der Sohn des Spiegel-Gründers, Jakob Augstein glaubt, der oberste Genosse habe recht, die Dame vom ZDF habe es „nicht begriffen“. Auch NRW-Landesvorsitzende, Armin Laschet versucht die Gunst der Stunde zu nutzen. Man könne sich nicht bei jeder größeren Entscheidung mit der Parteibasis „rückkoppeln“. Die Mitglieder zu befragen zeige die Schwäche des SPD-Vorstands und stelle auf Dauer keine Stabilität her, ätzt er in Richtung Berlin.
Thomas Bellut hingegen stellt sich vor seine Mitarbeiterin. Vor der Kamera könne es eben auch mal „zur Sache gehen“. Der Interviewte sei am Eklat zudem nicht „ganz unbeteiligt“. ZDF-Chefredakteur Peter Frey ergänzt, dass es nicht der Demokratie schadet, sollten vor der Kamera einmal die „Fetzen fliegen“.
Wer wird schon gerne unterbrochen?
Den Befragten ausreden zu lassen, ist letztlich eine Zeitfrage. Auch bei Twitter wurde Frau Slomka häufiger vorgeworfen, sie hätte ihren Gesprächspartner ständig unterbrochen. Das Problem ist aber, dass Politiker wie Journalist wissen, dass für das Gespräch maximal drei Minuten zur Verfügung stehen. Wer die geschulten Profipolitiker ausreden lässt, erntet einen nicht enden wollenen Monolog nebst epischer Selbstbeweihräucherung. Weil das niemand hören und sehen möchte, ist die Moderatorin in der Pflicht, den Redefluss vorzeitig zu beenden. Das lässt sich auch ein Sigmar Gabriel nur ungerne gefallen.
Übrigens haben die beiden Streithähne mit dem Eklat das kleinste Problem. Gabriel sagte später, man müsse doch auch mal Emotionen zeigen dürfen. Insgesamt beurteilte er das Gespräch als „nicht dramatisch“.
Die FAZ machte aus der Pflicht eine Kür und legte in der Glosse mehreren Politikern das eine oder andere Wort in den Mund. Lesepflicht: Wie hätten Angela Merkel, Gerhard Schröder, Gregor Gysi oder Guido Westerwelle auf die bissigen Fragen reagiert?
Teaser & Image by heute-journal
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Schlagwörter: heute journal, journalismus, Marietta Slomka, politik, Sigmar Gabriel
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