Die Chancen des Internet oder warum Verzicht keine Lösung ist

Immer wieder hören Überwachungsgegner – sei es von Gleichgesinnten oder von entnervten politischen Gegnern – den Vorschlag, auf moderne Kommunikation zu verzichten und so den Späh-Exzessen zu entgehen. Für Einzelfälle, in denen es wirklich auf Diskretion ankommt, mag das sinnvoll sein. Eine Dauerlösung ist es aber nicht. Denn trotz seiner Probleme ist das Internet vor allem eines: ein Werkzeug, das uns große Chancen bietet. Deswegen sollten wir es gegen Unfreiheit aller Art verteidigen.

Unsere moderne Welt – eine Welt der Telekommunikation

In unserer heutigen Welt funktioniert kaum noch etwas ohne Telekommunikation, insbesondere das Internet. Seien es soziale Anlässe, seien es Schule, Uni oder Berufsleben, sei es die Interaktion mit dem Staat oder mit privaten Unternehmen. Nicht umsonst sind Angriffe auf kritische Infrastrukturen so gefürchtet – kaum noch etwas funktioniert ohne solche Technologien. Das mag man kritisieren oder sogar verdammen, ändern wird man es realistisch gesehen nicht. Lediglich in kleinen Nischen ist es noch realistischer Weise möglich, auch ohne das Internet problemlos auszukommen. Wer also sich selbst oder andere von der Nutzung dieser Möglichkeiten ausschließen will – und sei es in bester Absicht – hat es schwer, erfolgreich zu sein. Je jünger dieser Mensch, desto mehr gilt das.

Eine Chance zur globalen Kommunikation

Natürlich gibt es weitaus bessere Gründe, auf die Nutzung moderner Kommunikation nicht zu verzichten, als die Anpassung an die heutige Gesellschaft. Durch seine globale, dezentrale Natur bietet das Internet uns Chancen, die zwar hinter all den Überwachungsskandalen, den Flame Wars und Katzenbildern mitunter in Vergessenheit geraten, aber nichtsdestotrotz eine bessere Gesellschaft ermöglichen würden, wenn wir sie in vollem Umfang zu nutzen wüssten.

Das Internet erlaubt uns, in kurzer Zeit und bisher nicht gekanntem Umfang global zu kommunizieren. Das ist nicht nur eine gute Nachricht für diejenigen, die den Kontakt mit Freunden oder Verwandten in der Fremde halten wollen. Es ermöglicht uns auch, neue Leute kennen zu lernen, die uns in unserem täglichen Leben nicht begegnen würden. So kann das Verständnis für andere Kulturen und Lebensentwürfe wachsen. Nationalstaaten und die angeblich zwischen diesen existierenden Unterschiede bekommen weniger wichtig. Wenn diejenigen, die mit diesen Erfahrungen aufgewachsen sind, mehr zu sagen hätten, könnte das ein Schritt hin zu einer offeneren, friedlicheren Gesellschaft sein.

Wissen ist Macht

Neben einem Kommunikationsmittel ist das Internet auch ein Hort des Wissens. Nie zuvor war es so einfach, sich weiterzubilden und seine Neugier zu befriedigen. Das alleine ist schon begrüßenswert, denn Wissen stellt schon ohne konkreten Sinn einen Wert da, eine gebildetere Gesellschaft ist schon an und für sich ein erstrebenswertes Ziel. Daneben gibt es natürlich auch genug konkrete Beispiele, wie das Internet als Werkzeug zum Ansammeln und Austauschen von Wissen den Menschen von Nutzen sein kann. Und: Wissen, so heißt es, ist Macht. Ist es nicht Grund zur Freude wenn wir die Chance haben, auch diese Macht künftig etwas gleichmäßiger zu verteilen?

Gesellschaftliche Partizipation per Internet

Daneben ist das Internet auch eine Plattform für gesellschaftliche Partizipation. Jeder kann sich an Diskussionen beteiligen und an Aktionen teilnehmen – auch Personen, denen das sonst, sei es wegen ihres Wohnortes, wegen wie auch immer gearteter Krankheiten oder anderer Lebensumstände verwehrt bliebe. Wer Angst vor Repression hat, kann im Internet anonym bleiben und sich dennoch am Dialog beteiligen.

Eine große Chance trotz Trollen und Flame Wars

Natürlich werden auch diese Freiheiten und Chancen mitunter missbraucht. Allzu viele Leute nutzen die Möglichkeit zur anonymen Kommunikation, um ungestraft gute Manieren und Respekt zu vergessen. Beleidigungen und Drohungen, massive Trollerei, Flame Wars, Sexismus, all diese Probleme der Internet-Kommunikation sind real. Daneben kommt es online mitunter zu Missverständnissen, die bei anderen Kommunikationsmitteln nicht in diesem Ausmaß vorkommen.

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Der Austausch von Wissen auf Augenhöhe lässt auch merkwürdige Verschwörungstheorien, von Chemtrails bis zu Echsenwesen, an Popularität gewinnen. Und die Chancengleichheit, die das Internet bieten könnte, wird erst dann zur Wirklichkeit werden, wenn auch wirklich alle Menschen Zugang zu dieser Ressource haben.

All das sollte uns aber nicht davon abhalten, die moderne Kommunikation als Chance zu begreifen. Es zeigt uns nur, dass wir den Umgang mit dieser neuen Ressource erst noch lernen und anderen dabei helfen müssen.

Ein Werkzeug, das es wert ist, darum zu kämpfen

Das Internet als solches hat nicht die Macht, die Welt zu verbessern. Es ist aber ein Werkzeug, mit dessen Hilfe wir gesellschaftlichen Fortschritt erreichen können. Dazu aber müssen wir es sinnvoll nutzen können – und das geht nicht, wenn die Antwort auf jede Kritik und insbesondere auf den Missbrauch dieser Kommunikationswege durch die Überwacher ist, zu sagen „dann nutz‘ es halt nicht“. Wir müssen im Gegenteil den Wert dieses Werkzeugs erkennen und dann umso entschlossener dafür kämpfen, dieses nach unseren Regeln nutzen zu können.

Technische Hilfsmittel (insbesondere Verschlüsselung) sind dazu ein notwendiger und sinnvoller erster Schritt. Aber letztendlich lässt sich dieses Problem nur auf gesellschaftlicher und politischer Ebene lösen. Kämpfen wir dafür, dass unsere Menschenrechte auch im Internet gelten und wir dieses nutzen können, ohne an allen Ecken Zensur und Überwachung befürchten zu müssen. Lassen wir, die wir den Wert dieses neuen Werkzeugs erkennen, es uns nicht von denjenigen kaputt machen, die Angst vor allem neuen (oder schlichtweg vor der Freiheit) haben. Dazu bietet es uns zu viele Chancen.


Teaser & Image „“(adapted) by (CC)


schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt.


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