Die Musikbranche musste Digitalisierung auf den harten Weg lernen, die neue Generation nutzt von Anfang an die digitalen Möglichkeiten. Im Hochschulanzeiger der Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt der freie Journalist Stephan Knieps fünf Menschen vor, die schon heute in den Jobs der Musikbranche von morgen tätig sind. Drei der fünf Berufe basieren auf der Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Vertriebswegen und einem analogen wie auch digitalem Phänomen der Popkultur. Die Musikbranche musste Digitalisierung auf den harten Weg lernen, doch die neue Generation scheint ihren Beruf von Anfang an mit den digitalen Möglichkeiten zu gestalten.
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Die Generation der Digital Natives in der Musikbranche nutzt von Anfang an die digitalen Möglichkeiten.
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Durch Spaß an der Sache, Leidenschaft und Können entwickeln sich neue Geschäftsmodelle für die Zukunft.
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Viele der neuen Geschäftsmodelle basieren auf dem Community-Gedanken und modernen Ideen von Nutzungsmöglichkeiten durch das Internet.
Community-Management: Viele Bächlein ergeben einen Bach
Das Berliner Startup „SongFor“ scheint nur ein weiterer Ausdruck der digitalen Kreativszene in Berlin zu sein, doch drehen die von Stephan Knieps porträtierten Sven Wedig und Björn Kötter am richtigen Rad: Emotionen. Mit der Online-Plattform lassen sich Playlists zusammenstellen, die zu bestimmten Gefühlen oder Anlässen passen. „Auf diese Weise entstehen individuelle Playlists im eigenen Profil des Nutzers mit Erlebnissen und Emotionen„, erklärte Produktmanager Nicolaus von Schorlemer gegenüber der Berliner Morgenpost. Sei es zum Thema Liebe, dem Karneval oder einfach einem gemütlichen Beisammensein mit Freunden – Musik spielt in unserem Leben eine wichtige Rolle. Genau da setzt „SongFor“ an. „Musik ist ein extrem emotionaler Markt“, sagt Sven Wedig auf FAZ.de. „Musik ist omnipräsent„, ergänzt Björn Kötter und weist damit auf das Erfolgsgeheimnis hin: Musik geht uns alle an, die Crowd ist deshalb die stärkste Grundlage von „SongFor“.
Die Crowd sammelt sich in der Community, sie zu erhalten und zum teilen ihrer Emotionen zu bewegen, ist deshalb oberste Priorität. Kötter und Wedig sind darin scheinbar sehr erfolgreich: in den ersten sechs Monaten hat sich die Zahl der User verzehnfacht. Persönliche Playlisten zu erstellen spricht die Menschen an, dass man sich andere Playlisten anhören kann und durch eine Vermarktungspartnerschaft mit iTunes entdeckte Songs auch gleich kaufen kann, ist ein angenehmer Service für die Nutzer. Die Community ist nicht klein, die Chancen für „SongFor“ deshalb riesig. Niemand weiß das so gut wie Wedig: „Musik ist ein lebensnotwendiges Gut – wie Wasser. Die Zielgruppe sind eigentlich alle.“ Durch die Digitalisierung können Menschen sich vernetzen und so eine Community bilden. „SongFor“ baut darauf auf und bietet der Musikindustrie durch die Verkaufs- und Entdeckungsoption neue Absatzmöglichkeiten.
„Everything is a Remix“
„Es ging damals ums Muckemachen, nicht ums Geldverdienen.“ fasst Hip-Hop-Produzent und Sounddesigner Sebastian Röder seine musikalischen Anfängen in Knieps Porträt zusammen. Röder wird durch Hip-Hop musikalisch sozialisiert, lernt schon als Jugendlicher Remixe zu erstellen. Mit der Kulturform des Remix hat Röder die kreative Kopie als Kommunikationsmittel entdeckt, durch die er sich mitteilt. Mit Erfolg. Seine ersten beiden Alben stellt er zum Download online. Nach dem Studium „Digitale Medien“ in Darmstadt folgt ein experimentelles Hip-Hop-Album, dass von einem kleinen Label veröffentlicht wird. Die kreative Ausbildung durch Remixe und das Verständnis für die digitalen Möglichkeiten durch das Studium legen scheinbar die Grundlage für Röders Erfolg als Sounddesigner. Im FAZ-Artikel erzählt er, wie er Alben produziert, „aber auch die Musik für ARD-Filmproduktionen und Berlinale-Kurzfilme.„
Sebastian Röder ist mit dem Internet aufgewachsen und hat das neue transformierende Nutzungsverhalten von Anfang an kennengelernt. Verstärkt wurde dies durch seine Liebe zum Hip-Hop, einer Musikrichtung, die ohne dem Bruch mit dem traditionellen Urheberrecht, besonders nach der deutschen Gesetzeslage, niemals entstanden wäre. Dadurch hat er seinen Beruf als Sounddesigner schon als Jugendlicher erlernen können, aber auch die Alltagsrealität von heutigen Jugendlichen aufgezeigt, die sogar durch das reflexhafte Teilen von digitalen Inhalten kommunizieren. Sein Weg zeigt aber auch, dass mit dem Bruch alter Gesetze und den neuen Möglichkeiten durch die Digitalisierung Innovation und Geschäfte entstehen können. Eine Lektion, die die Musikindustrie auf die harte Weise gelernt hat, für Röder hingehen war sie nur eine Entwicklung.
Mehr als 15 Minuten Ruhm im Internet
Ob es der von Knieps ebenfalls vorgestellte britische Musiker George Barnett zu Weltruhm bringen wird, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Wenn, dann basiert sein Erfolg zweifelsohne auf zwei Sachen: dem Internet und Transformation. Barnett beherrscht wie viele Menschen schon seit seiner Kindheit Musikinstrumente, spielt mit seiner Band kleinere Konzerte und träumt davon ein professioneller Musiker zu werden. Dank dem Internet und einem ungefragten Cover ist er diesem Traum ein Stück näher gekommen. An einem freien Wochenende coverte er zu Hause den Song „Get Lucky“ von Daft Punk und Pharrell Williams und stellte das Video von sich, wie er den Song an allen Instrumenten nachspielt, ins Netz. Seine Version kommt an, er wird zu Konzerten nach Kroatien und Chile eingeladen und vor allem seine eigenen Songs erfahren mehr Aufmerksamkeit. „Wenn wir jetzt auf Konzerten spielen“, sagt Barnett auf FAZ.de, „sehe ich viele Zuschauer meine Texte mitsingen.
Das alles hat Barnett durch seinen Mut zum Cover und dem Internet geschafft. Er agiert als junger Musiker im digitalen Zeitalter ohne Label im Hintergrund, kommuniziert mit seiner Fan-Community via Facebook, Twitter, Tumblr und eben YouTube. Auf Facebook hat er 38.400 Fans, mehr als 8.600 Menschen folgen ihm auf Twitter, doch Googles Videoplattform Youtube scheint sein wichtigstes digitales Instrument sein: hier haben mehr als 108.800 Menschen seinen Kanal abonniert. Zum Vergleich: den YouTube-Kanal der deutschen Band „Die Ärzte“ haben nur 41.798 andere YouTube-Nutzer abonniert. An den neuen Möglichkeiten schätzt Barnett vor allem die Möglichkeit, einen Sing hochzuladen und ihn der ganzen Welt präsentieren zu können. Auf seiner Homepage können deshalb alle seine Songs kostenlos heruntergeladen werden, obwohl sie auch noch auf iTunes und Amazon MP3 zum kostenpflichtigen Download angeboten werden. Geld verdient Barnett trotzdem, auch weil seine durch das Internet gestiegene Bekanntheit für mehr Zuschauer bei den Konzert sorgt.
Image (adapted) „Digital Design Slam: Music Award Show Identity“ by Vancouver Film School (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: community, digitalisierung, Innovation, musikindustrie, Nutzerverhalten, Teilhabe
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