Über die letzten Jahre wurde es immer wieder diskutiert: Sollte E-Sport olympisch werden? Nun ist es tatsächlich offiziell. Die olympischen E-Sport-Spiele kommen ab 2025 als eigenes Event. Das scheint an sich eine vernünftige Entscheidung. Doch Saudi-Arabien als zunächst einziger Austragungsort wirft einen dunklen Schatten auf die Pläne des IOC. Damit unterstützt das olympische Komitee nämlich eine riesige Sportswashing-Kampagne, die sich quer durch populäre Sportarten und Großveranstaltungen zieht.
Sollte E-Sport überhaupt olympisch sein?
„E-Sport ist doch kein Sport“. Das ist bestimmt die Meinung vieler, die nicht in der kompetitiven Gaming-Szene verwurzelt sind. Und ja, zumindest körperliche Höchstleistungen sieht man beim E-Sport weniger – dafür aber sehr wohl geistige. Und was bedeutet „Sport“ überhaupt genau?
Unser Wort Sport kommt wie in vielen anderen Sprachen vom altfranzösischen Wort „disport“. Im Französischen hat „se desporter“ die bedeutung sich zu zerstreuen / zu vergnügen. Das kann man sowohl auf die ursprüngliche Motivation sportlicher Betätigung beziehen oder auch mittlerweile auf das Vergnügen der Massen, die sportlichen Höchstleistungen zu erleben. Beides trifft auf das Gaming zu. Das Spielen selbst ist im nichtprofessionellen Rahmen vor allem Zerstreuung, aber die Profis füllen mittlerweile auch ganze Stadien mit frenetischen Fans. Viele Sportarten können von solcher Aufmerksamkeit nur träumen.
Und auch beim klassischeren Sport ist nicht alles intensive körperliche Betätigung. Beim Reitsport macht das Pferd die meiste Arbeit, beim Sportschießen zählen Timing, innere Ruhe und der richtige Moment. Kampfsport ist zwar sehr wohl körperlich, aber essentiell ist es viele Bewegungen ins Muskelgedächtnis zu bringen, um möglichst ohne nachzudenken eine Antwort auf den Gegner zu haben.
E-Sport ist im Kern meist nicht anders. Die E-Sportler trainieren hart und professionell, um automatisch in bestimmten Spielsituationen das richtige zu tun. Coaching und Videoanalysen sind im Profibereich längst essentiell. Es ist kein Spielen ums Vergnügen, sondern harte Arbeit, um sich in die Weltspitze zu kämpfen und vor allem dort zu bleiben. Leider ist damit das Doping auch im E-Sport ein ernsthaftes Problem. Konzentrationsfördernde und aufputschende Mittel versprechen für viele E-Sportler den entscheidenden Vorteil. E-Sport ist Sport mit all seinen Höhen und Tiefen.
E-Sport ist trotzdem anders
Wenn es allerdings darum geht, ob E-Sport in die klassischen olympischen Spiele aufgenommen werden sollen, bin ich persönlich dagegen.
E-Sport hat sich die Anerkennung als Sport verdient, ist aber dennoch irgendwie anders. Die Kultur drum herum ist eine andere und ich wage die These, dass E-Sport-Fans im Schnitt auch ein eher unterdurchschnittliches Interesse am „klassischen“ Sport haben – was für sich auch wieder ziemlich schade ist.
Die olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 als eigene Veranstaltung auszutragen ist für mich daher nur folgerichtig. Auf der einen Seite kann man dem E-Sport dadurch einen stimmigeren Rahmen verleihen, zum anderen erspart es uns die sonst wohl noch lange anhaltenden Diskussionen und Proteste.
Allerdings fällt dadurch natürlich die gesellschaftliche Gleichstellung des E-Sports weg. An diesem Punkt sehe ich den E-Sport aber allein durch sein vergleichsweise kurzes Bestehen auch noch nicht angekommen. Große Teile der Gesellschaft haben davon einfach wenig oder nichts mitbekommen. Trotzdem können die olympischen E-Sport Spiele ab 2025 dafür sorgen, dass manche doch einmal reinschauen, was der neue Sport so kann.
Die Olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 – Vergabe an Saudi-Arabien unterstützt Sportswashing
Kommen wir jetzt aber zum großen Schatten, der sich über die olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 legt: Die zunächst exklusive Vergabe des Events nach Saudi-Arabien.
Das autoritär regierte Land kaufte sich in den letzten massiv kulturelle Großereignisse ins Land, darunter Wrestling-Events der WWE und Rennen der Formel 1. Mit hohen Preisgeldern warb die saudi-arabische LIV-Tour auch viele Talente von der PGA-Tour im Golf ab, erzwang nach zunächst strikter Konkurrenz schließlich sogar einen Zusammenschluss der beiden Touren. Sogar die asiatischen Winterspiele 2029 sollen in Saudi-Arabien auf Kunstschnee stattfinden.
Auch E-Sport steht sehr weit oben auf der Agenda. 2022 kaufte Saudi-Arabien für 1 Milliarde US-Dollar die Electronic Sports League auf. Aktuell findet in Riad außerdem der 8-wöchige Esports World Cup mit insgesamt 1.500 Spieler*innen und rund 60 Millionen US-Dollar an Preisgeldern in 22 Turnieren. Neben diesem jährlich geplanten Großereignis sollen nun auch noch die olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 in Saudi-Arabien stattfinden. Das macht das autokratisch geführte Königreich unweigerlich zum internationalen Hotspot des professionellen Gamings.
Neben dem Aufbau neuer Standbeine dient die Sport-Offensive leider auch dem „Sportswashing“. Man möchte das Image des Landes auf die Sportbilder lenken und dabei von Problemen mit Menschenrechten und Pressefreiheit ablenken. Saudi-Arabien ist von Reportern ohne Grenzen auf Platz 172 von 180 auf der Rangliste der Pressefreiheit gelistet. Das Land ist auch Teil des Minecraft-Projekts „Uncensored Library“. Auch Hinrichtungen zuletzt wieder zugenommen. Ein trauriger Rekord: 2022 gab es 81 Hinrichtungen an einem einzigen Tag.
Es kann die Situation in Saudi-Arabien auch verbessern
Auch wenn diese Marktdominanz und finanzielle Abhängigkeit von Sportarten zu denen das Land selbst oft keine entsprechend große Sportidentität besitzt ein Problem ist, kann die Situation am Ende zumindest auch positive Auswirkungen auf das Land an sich haben.
Auch wenn das Gaming selbst noch immer mit großen Sexismus-Problemen behaftet ist, so ist sie doch in großen Teilen sehr jung, bunt und weltoffen. Diese Spieler*innen und Fans sind es, die durch solche Events in das Land kommen und deren Werte sich nicht völlig vor der eigenen Bevölkerung verstecken lassen.
Der massive Einkauf internationaler, oft westlich geprägter Sport- und Unterhaltungskultur dürfte zumindest ein Stück weit abfärben und einen kulturellen Wandel beschleunigen, der auch bei uns erst über viele Generationen vollzogen wurde. Es sorgt bereits jetzt schon für einen riesigen E-Sport-Boom in der Jugend des Landes.
Trotzdem ist es schade zu sehen, wie die Öl-Milliarden sich auch den olympischen E-Sport exklusiv sichern. Geld ist wichtig für jeden Sport, aber Personen, Konzeren oder Staaten, die sich mit Geld jede Veranstaltung einkaufen, die sie wollen, sind der Sportkultur abträglich. Das gilt vor allem, wenn die Geldsummen teilweise so heftig am eigentlichen Marktwert vorbei gehen, dass die Konkurrenz einfach nicht mithalten kann. Zudem ist es ein Jammer, dass das olympische Komitee mit der Vergabe das Sportswashing Saudi-Arabiens unterstützt und das gleich über viele Jahre.
Besonders bizarr: Die olympischen E-Sport-Spiele ab 2025 müssen wohl ohne Shooter auskommen, weil die Gewaltdarstellung den olympischen Statuten widerspricht. Das betrifft mitunter beliebte Spiele wie Counter Strike oder Valorant. Welch ein Glück, dass das IOC zumindest in dieser Hinsicht plötzlich auf moralische Werte achtet!
Image by Nadia via Adobe Stock
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