Gibt es in den USA auch Nachrichtenthemen aus der Politik, die nicht von Trump und seiner Person dominiert werden?Außerhalb der USA wird die Aussicht, dass Donald Trump zum Präsidenten gewählt werden könnte, typischerweise mit eine Mischung aus Belustigung und Beunruhigung aufgenommen. Wie kann letzten Endes ein Milliardär und Reality-TV-Star der mächtigste Mann der Welt werden? Vor allem bei Vorschlägen wie dem Bau einer riesigen Mauer, um mexikanische Immigranten daran zu hindern, in die USA zu kommen oder allen Muslimen zu verbieten das Land zu betreten?
Aber in den vergangene zwei Wochen, als ich als Gastgelehrter an der Universität von Texas in Austin arbeitete, hatte ich viel zu viel Zeit damit vergeudet, die Fernsehberichterstattung über die Wahlkampagne zu verfolgen. Sobald man den Fernseher einschaltete, war es schwierig, Trump zu vermeiden oder persönlich von ihm zu hören. Andere Kandidaten tun ihre Meinung über Trump kund oder es werden Politikthemen angesprochen, die durch den Spiegel von Trumps Politik betrachtet werden. In der Tat gibt es neben der Wahlberichterstattung – mit Trump als Hauptfigur – beim Umschalten zwischen den Nachrichtensendern nur wenig Angebot.
Es stimmt, wir sind im Dickicht der ersten Wahlperiode, wo das Hauptaugenmerk auf einer Berichterstattung liegt, die einem Pferderennen gleicht und genau das wohl einfach erwartet wird. Aber meine eindrücklichen Beobachtungen von Trumps Dominanz gelten für weit länger als zwei Wochen.
Wie The Economist berichtet, hat Trump zwischen Anfang 2015 und dem 26. Februar 2016 mehr als 400 Minuten Sendezeit in den Abendnachrichten von ABC, NBC und CBS erhalten, im Vergleich zu weniger als 100 Minuten für seine beiden republikanischen Hauptkontrahenten Ted Cruz und Marco Rubio. Über Hillary Clinton und Bernie Sanders zusammen wurde weniger als halb so viel Berichterstattung geführt wie Trump.
Da Trump der klare Spitzenreiter im republikanischen Rennen ist, so sei es nur richtig – so mögen manche Journalisten argumentieren – dass er die Berichterstattung dominiert und die Richtung vorgibt. Aber es sind wohl die verlässlichen Nachrichtenwerte, die bei der Planung der Wahlkampagnenagenda die Trumpifizierung der Wahlberichterstattung bestimmten.
Außer Kontrolle
Im Gegensatz dazu müssen Fernsehsender in Großbritannien strenge Vorgaben für Unparteilichkeit bei der politischen Berichterstattung befolgen. Wenn auch oftmals falsch interpretiert, hat dies nicht zur Folge, dass die Hauptparteien und –kandidaten eine gleiche Sendezeit erhalten. Auf Grund der strengen unparteilichen Richtlinien des Journalismus. Aber wenigstens fördert es eine höhere redaktionelle Sensibilität bei der Ausübung von journalistischen Urteilen, bezüglich der Erreichung von einem “Gleichgewicht” und der Bewahrung von öffentlichem Vertrauen in die Unparteilichkeit von Fernsehsendern.
Da US-Fernsehsender keinen solchen regulatorischen Verpflichtungen genügen müssen, können kommerzielle Nachrichtenwerte jedes Gebot der Unparteilichkeit beim Berichten über Spitzenkandidaten und Parteien ersetzen (oder übertrump(f)en!). Dies verzerrt die Berichterstattung zugunsten von Politikern, die die Kunst beherrschen, die Frank Essner als “Selbstmediatisierung” bezeichnet: die Fähigkeit die Medienrichtung vorzugeben, indem sie die Nachrichtenwerte von Mainstream-Journalisten beeinflussen.
Dies ist wohl Trumps erfolgreichste Kampagnenstrategie. Von provokanten Reden in Wahlkampfveranstaltungen bis hin zu billigen persönlichen Angriffen auf seine Gegner in TV-Debatten: die Trumpifizierung der Politik passt perfekt zu den kommerziellen Zielen der US-Fernsehsender. Bei der jüngsten TV-Debatte der republikanischen Spitzenkandidaten auf Fox News schalteten 17 Mio. Zuschauer ein – die höchste Zuschauerquote, die für eine der Spitzendebatten erzielt wurde. Aber anstatt die politischen Positionen der übrigen vier Kandidaten zu untersuchen, gingen die meisten Fragen an Trump oder betrafen seine Person.
Viele republikanische Wähler scheinen einen Geschäftsmann, anstatt eines Washington Insiders, als bevorzugten Kandidaten auszuwählen. Hier liegt eine wirklich große Geschichte: der demokratische Rebell Bernie Sanders verlässt sich auf die Spenden von Privatleuten, statt auf die Gelder von großen Firmen. Trumps Fähigkeit hingegen, sich selbst zu finanzieren und so dem Parteien-Establishment die Stirn zu bieten, ist eine wesentliche Anfechtung dessen, wie sich Kampagnen typischerweise finanzieren und wie sie geführt werden. Aber während dies eine erfrischende Veränderung im Vergleich zu früheren Wahlzyklen darstellen könnte, geht die Medienaufmerksamkeit auf Kosten einer Diskussion dessen, was wirklich auf dem Spiel steht.
Post-Wahrheit
Natürlich ist das Spektakel von Kandidaten, die Politikthemen ausweichen oder Wähler täuschen, nichts Neues in der modernen Politik. Der US-Wahlkampf von 2012 zeichnete sich als Vorbote einer Ära von Post-Wahrheit-Politik aus. Aber wenn ein Kandidat wie Trump aufsteigt, verwandelt sich diese sogenannte Ära der Post-Wahrheit-Politik in einen alles in allem gefährlicheren Vorschlag als das, was wir in den letzten Jahren gesehen haben.
Offensichtlich ist Trumps wütende Rhetorik mit der Angst vieler Leute vor Immigration und nationaler Sicherheit verbunden. Aber die impraktikablen Lösungen, die er vorschlägt, müssen von Journalisten gründlicher hinterfragt, geprüft und öffentlich angezweifelt werden, anstatt implizit akzeptiert und legitimiert zu werden.
Die Politik der reaktionären populistischen Angst ist kaum einzigartig für die USA. Viele europäische Demokratien sind im Zuge der sich verschärfenden Flüchtlingskrise drastisch nach rechts gerückt – zuletzt die Slowakei, wo eine offen neonazistische Partei in das Parlament eingezogen ist.
Aber worin sich die USA von den meisten anderen fortschrittlichen westlichen Demokratien unterscheidet, sind die formalen Regeln, die die Fernsehberichterstattung kontrollieren, die für viele amerikanische Wähler die Hauptinformationsquelle über die Wahl ist. Der amerikanische Ansatz der Wahlberichterstattung ist fast ausschließlich durch Verfolgung von kommerziellen Nachrichtenwerten geprägt, anstatt durch einen journalistischen Versuch, die Blickwinkel der Parteien und die Ansichten der konkurrierenden Kandidaten auszubalancieren.
Das heißt nicht, dass die Medien ganz alleine für das Phänomen Trump verantwortlich sind, das in einer angespannten Zeit und in einer stets komplizierten politischen Kultur aufgetaucht ist. Jedoch hatte das vorherrschende US-Mediensystem auch nur wenig Einfluss auf die Verringerung der Möglichkeiten, die einem Politiker wie Trump geboten werden. Wenig Einfluss darauf, dass ein Politiker mit einer solchen Missachtung für Politik die Chance hat, sich als glaubhafter Präsidentschaftskandidat zu etablieren.
Sich allein auf Nachrichtenwerte zu verlassen, scheint eine vernünftige und professionelle Strategie zu sein, um Wahlberichte in einer Branche mit starker Konkurrenz auszuwählen, aber sie ist alles andere als politisch neutral. Redaktionelle Prioritäten können die Gestaltung der Wahlkampfagenda direkt beeinflussen und die Auswahl an Themen, die diskutiert und erörtert werden, einschränken. Niemand möchte überregulierte oder unterdrückte Rundfunkmedien, aber unabhängig von der politischen Gesinnung, kann die Ausübung eines gewissen Grades an Gleichgewicht in der Wahlberichterstattung sicherlich nur gut für die Bewahrung eines demokratischen Diskurses sein – ob in den USA oder andernorts.
Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image (adapted) „Trump“ by MIH83 (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: Berichterstattungen, Dominanz, Donald Trump, nachrichtendienst, Nachrichtensender, trumpifizierung, USA