Die Zukunft der Kommunikation – ist die E-Mail nun tot oder nicht?

Totgesagte leben ja bekanntlich länger und kaum jemand wurde so oft zu Grabe getragen, wie die E-Mail. Bereits 2010 behaupteten Onliner aus allen Bereichen des Webs, dass die E-Mail in Zeiten moderner Web-2.0-Anwendungen keine Zukunft mehr habe. Einer davon war beispielsweise der IBM’ler und Lotus-Manager Chris Chrumney, der auf der DNUG in Berlin vor zwei Jahren sogar so weit ging zu behaupten, die „E-Mail ist was für alte Menschen“. Doch was ist denn nun daraus geworden? Zwei Jahre später? Ist die E-Mail nun verschwunden und fristet ihr Dasein lediglich noch unter den sogenannten Best Agern?

Für jedes Bedürfnis gibt es eine Anwendung…

Das Schöne an unseren digitalisierten Zeiten ist die Vielfalt der elektronischen Medien und der damit verbundenen Anwendungen, die uns so zur Verfügung stehen. Wir sind mobil auf dem Smartphone erreichbar und nutzen neben der SMS, auch „Whats App“ für den schnellen Austausch. Abends vor dem Fernseher kommentieren wir gerne den aktuellen Tatort via Twitter und wenn wir mal ein ausgedehnteres Gespräch mit einem alten Klassenkameraden führen möchten, dann bietet sich beispielsweise Facebook, als Hub sämtlicher Bekanntschaften, geradezu an.

Ebenso gibt es inzwischen gut angenommene und beliebte Cloud-basierte Plattformen wie Flickr, Dropbox oder YouTube auf denen wir Fotos und Bewegtbilder unseren Freunden und der Familie zugänglich machen können, ohne große Datenpakete an jeden einzelnen schicken zu müssen. Für jede Tätigkeit, jedes Vorhaben und jedes Bedürfnis hält das Web die entsprechende Anwendung oder eine geeignete Plattform bereit. Insofern kann man sagen, dass die E-Mail in einigen Bereichen tatsächlich abgelöst wurde. Doch heißt abgelöst auch immer gleich beerdigt?

Die Zukunft gehört allen…

Das Zukunftsforschungsinstitute See More hat im Auftrag von Microsoft bereits vor einigen Wochen eine Studie durchgeführt und 50 Experten der Online-Kommunikation befragt, wie Menschen künftiger Generationen miteinander kommunizieren werden und welches Medium sich behaupten wird. Das Ergebnis der Befragung unter den Spezialisten war eindeutig:

„Es gibt die sozialen Medien wie die SMS für kurze Aussagen oder Twitter für den kleinen Kommentar. Die Mutter der Kommunikation ist und bleibt jedoch die E-Mail. Sie ist sicher, sie hat sich bewährt und sie ist einfach zu nutzen“, meint Oliver Leisse, Zukunftsforscher und Geschäftsführer von See More, auf die Frage nach dem Platz der E-Mail in der zukünftigen Kommunikation.

Die befragten Experten sind sich zunehmend einig, dass es keines Falles nur ein Medium geben wird, sondern der Nutzer weiterhin alle elektronischen Medien konsumieren wird – je nach Anlass und Inhalt der Kommunikation das Social Web, Instant Messaging, Microblogging, SMS oder eben die E-Mail. Doch ist es damit getan? Wenn dem so wäre, würden wir ja eigentlich derzeit auf dem Zenit der Entwicklung stehen bleiben, oder?

Kommunikation wird emotionaler und persönlicher…

Natürlich wird die Entwicklung weitergehen. Und glaubt man den Studienteilnehmern, dann wird die Zukunft der Kommunikation emotionaler und persönlicher werden. Doch auch die Automation spielt in der Kommunikation von morgen eine immer wichtigere Rolle.

„Die Menschen möchten zukünftig einfacher und persönlicher kommunizieren. Sie wollen dabei alle Sinne direkt ansprechen, um ihre eigenen Emotionen stärker zu vermitteln. Zum Beispiel durch E-Mails, in denen die Musik oder die Farben die Stimmung des Absenders widerspiegelt. Darüber hinaus wünschen sie sich Medien, die mitdenken. Das können beispielsweise automatisierte Hilfen für die Formulierung oder auch für das Layout sein. Alles, was die Kommunikation erleichtert, ist dringend erwünscht“, erläutert Christian Weghofer von Microsoft. Erwünscht scheinen diese Hilfen vor allem, weil die Überallereichbarkeit und die kaum mehr zu bewältigende Informationsflut, die Nutzer bisweilen zu überfordern scheinen.

Sechs Thesen zur idealen Kommunikation der Zukunft…

Experten und Zukunftsforscher würden ihrem Status allerdings nicht gerecht werden, wenn sie nicht auch einen Blick in die Zukunft wagen würden. In diesem Sinne haben sich die Teilnehmer dazu hinreißen lassen sechs Thesen aufzustellen, die die ideale Kommunikation der Zukunft skizziert:


 

Sechs Trends von morgen:

These 1: Aus Electronic Mail wird Emotional Mail

Die Studie macht deutlich: Die Menschen fühlen sich durch die Informationsflut überfordert. Der Ausdruck von Gefühlen soll die Informationsaufnahme erleichtern. Dies wird durch die gezielte Ansprache aller fünf Sinne – von sensual-musikalischen Codes in E-Mails bis zu unterstützenden Bildern und Filmen im Hintergrund erreicht.

These 2: Der Sender wird zum Künstler

Sowohl in der gestalterischen als auch der rhetorischen Auswahl erhoffen sich die Menschen mehr Kreativhilfen – wie zum Beispiel Layout und- Formulierungsvorschläge.

These 3: Die E-Mail der Zukunft werden wir nicht mehr schreiben, sondern denken

Barrieren für Kommunikation, wie Eingabegeräte, sollen in Zukunft verschwinden. Der Wunsch der Nutzer ist eine intuitive Eingabe, die durch Gesten, Sprache oder sogar Gedanken gesteuert werden könnte. Tatsächlich wird schon heute intensiv an sogenannten Brain Computer Interfaces geforscht.

These 4: Aus E-Mail wird Smart Mail

Der Wunsch nach Programmen, die mitdenken und wiederkehrende Aufgaben der Kommunikation übernehmen, ist groß. Die Forscher erwarten mehr Unterstützung durch die Mailsoftware bei Routineschreiben und wiederkehrenden Aufgaben.

These 5: Meine Identität wird mobil

In einer immer mobiler werdenden Welt wollen die Befragten der Studie alle Informationen synchron auf jedem Gerät. Ihre virtuelle, digitale Identität soll in einem umfassenden Kommunikations-Medium überall dabei sein. Auch systemübergreifende Synchronisation muss reibungslos funktionieren.

These 6: Ich bin, was ich kommuniziere

Menschen möchten durch Kommunikation ihre Identität aufbauen. Das Motto lautet: „Ich bin, was ich kommuniziere“. Gewünscht ist deshalb eine Eingabeform, die eine persönliche Note ermöglicht, wie zum Beispiel ein individualisierter Auftritt mit Avatar oder Profilbild.


Sechs Thesen also, die soweit ich es beurteilen kann, nachvollziehbare Bedürfnisse befriedigen sollen. Was glaubt Ihr persönlich? Hat die E-Mail im Rahmen dieser Thesen eine Chance weiter zu existieren, oder werden sich die Aussagen der Skeptiker a la Chris Chrumney schlussendlich doch bewahrheiten? Wer nutzt überhaupt noch E-Mails im privaten Bereich? Und wer beispielsweise nur noch im Berufsleben?

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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6 comments

  1. Also ich nutze die Email auch privat noch sehr gerne, da sie einfach verlässlich ist und jeder praktisch eine Email Adresse hat. Denn mit What’sApp, Facebook Messenger und so weiter ist man doch leicht begrenzt. Nicht alle haben dann diesen bestimmten Dienst, nutzen diese App, oder sind dort nicht vertreten. Die Email ist ein „de facto Standard“. Und um einen Standard zu verdrängen braucht es schon Zeit und einen konkurrenzfähigen, besseren Dienst.

  2. Also ich muss ehrlich sagen, das die E-Mail in meiner privaten Kommunikation gar keine Relevanz mehr besitzt. Eigentlich nur noch im beruflichen Bereich. Ich glaube allerdings auch nicht das die E-Mail verschwindet. Sie wird als Teil der Landschaft etabliert bleiben. Skeptisch bin ich allerdings bei der ersten These.

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