Digitale Chancen für Deutschland

Deutschland steht an einem Scheideweg: Die Digitalisierung entwickelt sich weltweit rasant und verändert nahezu alle Lebensbereiche. Ob in der Wirtschaft, im Bildungswesen oder in der Verwaltung – es gibt viele digitale Chancen für Deutschland, um Prozesse zu verbessern, Innovationen voranzutreiben und die Lebensqualität der Menschen zu steigern. Doch während andere Länder bereits Vorreiterpositionen einnehmen, kämpft Deutschland vielerorts noch mit grundlegenden Herausforderungen wie langsamen Internetverbindungen und unzureichender digitaler Infrastruktur.

Die anstehende Bundestagswahl bietet nun eine entscheidende Gelegenheit, die Weichen für eine digitale Zukunft zu stellen. Vor allem jüngere Wählerinnen und Wähler erwarten von der Politik klare Visionen und Strategien, um die digitalen Defizite zu überwinden und die Chancen der Digitalisierung optimal zu nutzen. Und Deutschland kann ja auch anders. Das haben wir bereits in einem anderen Artikel die Tech-Innovationen aus Deutschland gezeigt.

In diesem Artikel schauen wir allerdings vor allem auf die digitalpolitischen Chancen. Dabei werfen wir natürlich auch einen Blick auf Länder mit Vorreiter-Rolle wie Südkorea oder Estland. Auf dem Weg zur Digitalisierung warten aber auch noch einige Herausforderungen darauf überwunden zu werden.

Aktueller Stand der Digitalisierung in Deutschland

Die Digitalisierung in Deutschland schreitet voran, jedoch deutlich langsamer als in vielen anderen Industrienationen. Trotz verschiedener Förderprogramme und Digitalstrategien bleibt der Ausbau der digitalen Infrastruktur eines der größten Probleme. Der flächendeckende Ausbau von Glasfaser– und 5G-Netzen verläuft schleppend, was insbesondere ländliche Gebiete benachteiligt und diese zunehmend unattraktiv zum Leben oder auch für Unternehmensgründungen machen.

Auch im Bereich der digitalen Verwaltung steht Deutschland weit hinter den Erwartungen zurück. Während in Ländern wie Estland oder Dänemark viele Behördengänge längst digital erledigt werden können, erfordert ein Großteil der deutschen Verwaltungsprozesse weiterhin persönliche Vorsprachen und Papierdokumente. Die Einführung des sogenannten Onlinezugangsgesetzes (OZG), das bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen digital verfügbar machen sollte, ist immerhin bis Ende 2024 für die wichtigsten 115 Dienstleistungen umgesetzt. Trotzdem fehlen auch hier noch einige Leistungen. Online-Stimmabgaben wie in Estland (seit 2005!) gibt es bei uns auch noch nicht.

Im Bildungswesen zeigt sich ein ähnliches Bild: Obwohl in der Corona-Pandemie viele Defizite in der digitalen Ausstattung und Lehre deutlich wurden, wurde der erzwungene Online-Unterricht nicht nachhaltig genutzt, um die Schule an sich zeitgemäß zu digitalisieren. Länder wie Südkorea, Finnland und Estland haben durch massive Investitionen in ihre digitale Infrastruktur und Bildungssysteme deutliche Wettbewerbsvorteile erlangt. Die Verzögerungen in Deutschland könnten langfristig die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft gefährden und den Zugang der Bürger zu modernen Dienstleistungen einschränken.

Im Gesundheitswesen geht es dafür gut voran. Die 2020 zunächst freiwillig eingerichtete elektronische Patientenakte (ePA) sammelt alle wichtigen Daten auf einem zentralen Server. Das ermöglicht eine Behandlung ohne für jeden Arzt erneut Daten und Befunde einzureichen und erleichtert es auch, Medikamente ohne ungewollte Wechselwirkungen mit bereits genutzten Medikamenten zu verschreiben. Für die neue ePA 3.0 gibt es laut einer AOK-Umfrage viel Zuspruch, auch wenn noch viel Informations- und Überzeugungsarbeit nötig ist.

Konkrete Maßnahmen und Strategien für eine digitale Zukunft

Um die digitalen Chancen für Deutschland voll auszuschöpfen, sind konkrete Maßnahmen und strategische Weichenstellungen erforderlich. Diese betreffen sowohl den technologischen Ausbau als auch die Entwicklung digitaler Kompetenzen in der Gesellschaft sowie die Förderung von Innovationen. Das sind die unserer Meinung nach wichtigsten Maßnahmen.

Ausbau der digitalen Infrastruktur

Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist die Grundlage für die erfolgreiche Digitalisierung. Das bedeutet einen flächendeckenden Ausbau von Glasfaser und 5G auch inkl. der ländlichen Regionen. Satelliteninternet wäre ebenfalls eine wichtige Technologie, in die zukunftsgerichtet investiert werden sollte.

Digitalisierung im Bildungssystem

Die digitale Bildung benötigt sowohl eine starke Infrastruktur als auch gelebte Kompetenzen. Es müssen beispielsweise digitale Bildungsplattformen und E-Learning-Angebote geschaffen werden (Die Lernplattform Byte Challenge ist ein gutes Beispiel). Auch Schulen und Universitäten selbst benötigen eine entsprechende technische Ausstattung. Fortbildungen des Lehrpersonals müssen nicht nur für Kompetenzen sorgen, sondern das diese auch vorgelebt werden. Digitale Kompetenzen könnten so auch fächerübergreifend im Lehrplan verankert werden.

Förderung von Innovation und Digitalisierung in der Wirtschaft

Start-ups und mittelständische Unternehmen benötigen Steueranreize, Förderprogramme und den Abbau bürokratischer Hürden. Auch Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich Künstliche Intelligenz, Blockchain und andere Zukunftstechnologien müssen stärker gefördert werden. Hier ist aber auch die EU in der Pflicht, sich gemeinsam stark gegenüber USA und China aufzustellen. Innerhalb Deutschlands sind Digitale Plattformen für die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung nötig.

(Weiterer) Ausbau von E-Government und digitaler Verwaltung

Mit dem Onlinezugangsgesetz und dessen Umsetzung ist der erste Schritt gemacht. Einige Verwaltungsprozesse müssen aber noch vollständig digitalisiert werden. Die BayernApp ist aktuell ein Vorreiter der mobilen Verwaltungsleistungen, doch eigentlich ist eine deutschlandweit nutzbare App nötig, die auch nach Umzzg in ein anderes Bundesland weiterhin nutzbar ist.

Maßnahmen zur Cybersicherheit und zum Datenschutz

Gerade mit dem wachsenden Umfang digitaler Aktivitäten hat Datenschutz und Datensicherheit höchste Priorität. Staatliche und private Institutionen müssen gegen Cyberangriffe besser geschützt werden. Die EU liefert bereits strikte Richtlinien, aber die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Bereich Cybersicherheit hat noch Luft nach oben.

Förderung digitaler Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit

Der Zugang zu digitalen Technologien soll als grundlegendes Recht für alle Bürger etabliert werden. Digitale Dienste und Informationen der öffentlichen Hand sollen barrierefrei gestaltet sein. Für die Umsetzung des E-Governments ist darüber hinaus aber auch noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Diese beginnt bei den Beamten in der Verwaltung, muss aber auch durch gezielte Programme für den Erwerb digitaler Kompetenzen unterstützt werden. Das schließt auch besonders Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen ein.

Entwicklung einer langfristigen Digitalstrategie

Eine erfolgreiche digitale Transformation erfordert eine langfristig angelegte und konsistente Strategie. Eine zentrale Digitalagentur oder ein Digitalministerium könnte die Umsetzung von Maßnahmen koordinieren und überwachen. Elementar sind auch neue Prozesse um schneller auf technologische Entwicklungen zu reagieren. Wo es möglich ist sollten sich Bund, Länder und Kommunen daher auch auf eine einheitliche Digitalstrategie und ihre Umsetzung einigen.

Digitalpolitische Forderungen der Parteien

Der Branchenverband Bitkom stellt analog zum bekannten Wahlomat auch einen Bitkomat zur Verfügung. Für diesen haben die Parteien zu 20 digitalpolitischen Themen Stellung bezogen. Einzig die AfD hat dabei auf eine freiwillige Erläuterung ihrer Positionen verzichtet. Wir fassen lediglich die grobe Position zusammen. Für genauere Erklärungen zu den Punkten und den Positionen der Parteien solltet ihr unbedingt den Bitkomat selbst nutzen. Die Erklärungen können nämlich auch eingeschränkte Zustimmung oder konkretere Ideen beinhalten.

Weitere Themen werden übrigens auch in der Wahlcheck-Sonderausgabe unseres Podcasts Tech & Trara diskutiert – inklusive Positionen der Parteien. 

Wettbewerbsfähigkeit

  Superabschreibung auf Digitalinvestitionen Umsetzung von EU-Vorgaben Wachstumskapital mobilisieren Anwerbung ausländischer IT-Fachkräfte Einheitlichkeit beim Datenschutz
SPD ❌ ✅ ✅ ✅ ✅
CDU 🔘 ✅ ✅ ✅ ✅
Die Grünen ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
FDP 🔘 ✅ ✅ ✅ ✅
AfD 🔘 ✅ 🔘 ❌ ✅
Die Linke ❌ ❌ ❌ 🔘 ✅

Digitale Infrastruktur & Schlüsseltechnologien

  KI-Revolution nicht verpassen, Daten nutzen Mehr Tempo für den Netzausbau Aktionsplan für Rechenzentren Autonomes Fahren auf deutschen Straßen Digitale Zeitenwende (Bundeswehr)
SPD ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
CDU ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
Die Grünen ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
FDP ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
AfD 🔘 ✅ 🔘 🔘 ✅
Die Linke ❌ ❌ ❌ 🔘 ❌

Digitale Gesellschaft

  Telemedizin und Telepharmazie erleichtern Ende von Cash-Only Einsatz digitaler Lehrmittel Bundeszentrale für digitale Bildung Pflichtfach Informatik
SPD ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
CDU ✅ ❌ ✅ ❌ ✅
Die Grünen ✅ 🔘 ✅ ✅ ✅
FDP 🔘 ❌ ✅ 🔘 ✅
AfD 🔘 ❌ ❌ 🔘 🔘
Die Linke ✅ ❌ ✅ 🔘 ❌

Moderner & resilienter Staat

  Schaffung eines echten Digitalministeriums Behörden als One-Stop-Shop Transparentes und digitales Gesetzgebungsportal Öffentliche Vergabe vereinfachen Cybersicherheit zentralisieren
SPD ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
CDU ✅ ✅ ✅ ❌ ✅
Die Grünen ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
FDP ✅ ✅ ✅ ✅ ✅
AfD ❌ ✅ ✅ 🔘 🔘
Die Linke 🔘 ✅ ✅ 🔘 ✅

✅Stimme zu

🔘Stimme teilweise zu

❌Stimme nicht zu

Mögliche Risiken und Hindernisse

Die digitale Transformation bietet große Chancen, bringt jedoch auch erhebliche Risiken und Hindernisse mit sich, die Deutschland bewältigen muss. Ein zentrales Problem stellt, wie schon in den Maßnahmen erwähnt, der Datenschutz dar. Die zunehmende Erhebung und Verarbeitung persönlicher Daten weckt Ängste vor Überwachung und Datenmissbrauch durch Staat und private Unternehmen. Strenge Datenschutzregelungen sind daher notwendig, um Vertrauen in digitale Technologien zu schaffen. Gleichzeitig wächst die Gefahr durch Cyberkriminalität. Hackerangriffe und Datenmissbrauch bedrohen sowohl Unternehmen als auch staatliche Einrichtungen. Ein umfassender Ausbau der Cybersicherheit ist erforderlich, um digitale Systeme widerstandsfähiger zu machen.

Gleichzeitig besteht die Gefahr einer digitalen Spaltung. Menschen in strukturschwachen Regionen oder mit geringer digitaler Kompetenz drohen von der Entwicklung abgehängt zu werden. Eine noch größere Herausforderung sind aber der Teil der Bevölkerung, welche die ganze Digitalisierung schlicht nicht wollen. Kompromisse sind nötig, bremsen aber potentiell den Fortschritt.

Ein weiteres Hindernis ist der Fachkräftemangel im digitalen Bereich. Der Bedarf an IT-Spezialisten und Experten für Cybersicherheit übersteigt das verfügbare Angebot, was die Umsetzung wichtiger Digitalisierungsprojekte verlangsamt. Dies führt zu einem zunehmenden Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Daher müssen Bildungseinrichtungen und Unternehmen verstärkt in die Ausbildung und Weiterbildung investieren. Da in vielen Branchen auch Jobs durch Maschinen und KI ersetzt werden könnten, sind Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme ebenfalls wichtig, um den technologischen Wandel sozial abzufedern.

Darüber hinaus wird die digitale Transformation durch bürokratische Hürden und mangelnde Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen erschwert. Langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten ineffiziente Entscheidungsprozesse und viele zerpflückte Geldtöpfe blockieren oft dringend notwendige Maßnahmen. Eine zentralisierte Steuerung und klare Verantwortlichkeiten könnten diese Probleme beheben.

Digitale Chancen für Deutschland richtig nutzen

Für eine erfolgreiche digitale Transformation in sind nicht nur Parteiziele wichtig. Eine zentrale Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Digitale Innovationen können nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn sie durch gezielte politische Maßnahmen gefördert und von Unternehmen sowie Bildungseinrichtungen aktiv umgesetzt werden. Eine langfristige, parteiübergreifende Digitalstrategie ist dabei essenziell. Deutschland benötigt einen klaren Fahrplan mit messbaren Zielen, um den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Förderung von Innovationen und die digitale Bildung konsequent voranzutreiben. Sie braucht aber auch den Willen der Gesellschaft, die Digitalisierung vieler Bereiche anzunehmen und Unternehmen, die Innovation schaffen.

Ein weiteres Schlüsselelement ist daher die Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds. Bürokratische Hürden für Start-ups und digitale Geschäftsmodelle müssen abgebaut werden, während Forschung und Entwicklung stärker gefördert werden sollten. Gleichzeitig ist die Sicherstellung von Datenschutz und Cybersicherheit unerlässlich, um das Vertrauen der Bevölkerung in digitale Lösungen zu stärken. Auch die digitale Verwaltung muss effizienter werden, damit Behörden schneller und bürgerfreundlicher arbeiten können.

Die Bundestagswahl bietet die Chance, digitale Themen in den Fokus der politischen Agenda, aber auch der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu rücken. Mutige Investitionen, klare politische Entscheidungen und ein entschlossenes Handeln sind notwendig, um digitale Chancen für Deutschland zu nutzen und Risiken zu minimieren. Deutschland hat das Potenzial, zu einem digitalen Vorreiter zu werden – doch dafür müssen jetzt die richtigen Weichen gestellt werden.


Image via Canva (mit KI-Unterstützung)

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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