Das erste Disney Land Resort setzte damals neue Maßstäbe in Sachen Vergnügungspark. Der 1955 in Kalifornien eröffnete Park bezeichnete sich selbst als „glücklichster Ort der Welt“ und prägt Vergnügungsparks weltweit noch bis heute. Schon damals hatte Walt Disney mit Tomorrowland immer einen Blick auf die Zukunft gehabt und plante mit Epcot ursprünglich sogar die erste Smart City nach Vorbild seiner Parks. Seit einigen Jahren findet nun aber eine Digitale Transformation im Vergnügungspark-Sektor statt. Sie verbindet das zeitlose Erlebnis der Parks mit Apps und VR-/AR-Technologien.
Als Fan solcher Parks und Tech-Enthusiast ist das für mich natürlich eine spannende Entwicklung und ich stelle euch die zahlreichen Bereiche vor, in denen neue moderne Erfahrungen entstehen. Einige Änderungen sind aber auch einfach Verbesserungen der Bequemlichkeit – teils für Gäste, teils für den Park und im besten Fall sogar für beide Seiten.
Tickets werden virtuell
Corona beschleunigte, was vermutlich sowieso nach und nach passiert wäre. Als die Parks nach den schweren ersten Wellen endlich wieder öffnen konnten, war das Ticket-Kontingent zunächst sehr begrenzt, um die Ansteckungsgefahr gering zu halten. Tickets gab es wegen der begrenzten Verfügbarkeit daher nur online im Vorverkauf. Die Lage hat sich längst normalisiert, die Beschränkungen sind weg, doch im nahen Heide Park blieben die Tickethäuschen für immer geschlossen.
Mittlerweile gibt es zwar ein begrenztes Kartenkontigent am Ticketautomaten vor Ort, aber ohne Vergünstigungen und ohne Bargeldoption. Das Phantasialand in Brühl bietet sogar überhaupt keinen Verkauf mehr vor Ort an und der Europapark in Rust – der größte seiner Art in deutschsprachigen Raum – verlangt 10 Euro Aufpreis gegenüber der Online-Tickets. Es gibt aber auch noch Fälle wie den Hansa-Park wo der Preis vor Ort derselbe ist.
Die Onlinetickets haben sich während der Pandemie bewährt und die Parks sparen so natürlich auch entsprechendes Personal ein. Onlinetickets gab es jedoch auch schon zuvor, wenn auch optional. Diese waren da bereits etwas preiswerter und ich war sehr froh, mir das Anstehen zumindest am Ticketschalter zu sparen. Ich bin mir aber auch bewusst, dass der Onlinezwang mancher Parks auch einige potenzielle Kunden ausschließt. Ich kann mir vor allem den Frust vorstellen, wenn man erst vor Ort merkt und man nicht die technische Selbstverständlichkeit besitzt, die Tickets schnell per Smartphone zu buchen.
Und beim Eintritt endet es noch nicht. Als ich das erste Mal die neuen Schließfächer im Heide Park nutzen wollte, bin selbst ich zuerst halb verzweifelt, da die App für die Onlineabwicklung etwas Probleme machte. Es ist aber auch Zahlung mit EC- und Kreditkarte möglich. Trotzdem zeigt sich dabei, dass Digitale Transformation im Vergnügungspark auch noch einige Fallstricke besitzt.
App statt Parkplan
Als Kind freute ich mich bei den seltenen Besuchen in einem Park immer über die Faltkarte, die es beim Ticketkauf gab. Die wurde sofort begierig studiert um zu schauen, was es alles im Park zu entdecken gibt. Der Reiz verflog aber zunehmend. Ich entwickelte immer mehr Freude für die schnellsten Fahrgeschäfte und die Karte war dabei ein immer nervigerer Störfaktor, wenn man den Rucksack sonst bereits im Schließfach hatte. Außerdem hatte ich sowieso schon online geschaut, was der Park bietet oder ich kannte ihn bereits gut.
Dank der digitalen Transformation im Vergnügungspark hat die klassische Faltkarte aber ohnehin schon fast ausgedient. Jeder Park hat mittlerweile seine eigene App, die ihr downloaden könnt. Diese verfügt in der Regel über eine Karte mit Suchfiltern und teilweise sogar ein GPS-Feature, das eure Position in Echtzeit anzeigt oder sogar den Weg zum Wunschziel zeigt. Natürlich hat die alte Karte trotzdem ihren Charme und ist auch eine schöne Erinnerung.
Die Apps können aber auch mehr. Sie zeigen euch Speisekarten der Restaurants, die Startzeiten der Shows oder die Wartezeiten der großen Attraktionen an. Im Europapark geht man mit der VirtualLine sogar einen Schritt weiter. Die VirtualLine erlaubt es euch virtuell für ausgewählte Attraktionen anzustehen. Bis zu eurem reservierten Zeitslot könnt ihr so die Zeit für andere Attraktionen oder einen Snack nutzen. Das ist im Gegensatz zu vielen Vorzugs-Tickets sogar kostenlos nutzbar und damit ein deutschlandweit einzigartiges Angebot.
Ein kleiner Nachteil der Apps: Sie sind oft nur innerhalb des Parks nutzbar. Wer vor dem Besuch bereits schauen möchte, was die üblichen Wartezeiten sind, kann das nicht bei jedem Park vorher machen. Und nicht jede App ist gleich gut. Der Hansa-Park hat in dieser Hinsicht leider den statischen Charme einer alten Internetseite. Der Parkplan ist dort wirklich nur der Plan wie von der Faltkarte ohne anklickbare Elemente um mehr Informationen zu erfahren.
AR und VR in Vergnügungsparks
Erst in den letzten Jahren habe ich so wirklich gelernt, was mit Technik auch für neue Erlebnisse möglich sind.
Im Phantasialand bin ich beispielsweise Crazy Bats gefahren, eine der dort ältesten Achterbahnen, die durch eine VR-Brille aufgepeppt wurde. Es ist eine echte Achterbahn-Fahrt doch die VR-Brille lässt uns stattdessen durch die abgefahrene Kulisse eines Animationsfilms fahren, auf dessen Fahrt die verrückten Fledermäuse einigen Unsinn anstellen, uns aber auch die Brille zwischendrin von einer Vereisung befreien. Mir sind die echten Achterbahnen vor handgemachten Kulissen zwar lieber, aber das familienfreundliche VR-Erlebnis holt aus der betagten Indoor-Achterbahn dann doch nochmal das bestmögliche heraus.
Nochmal verrückter wurde es allerdings in den Universal Studios Japan, beziehungsweise in dessen neuesten Themenbereich, der Nintendo World. Dort wird das Videospiel Mario Kart nämlich zum AR-Ride. Man fährt durch tatsächlich durch eub liebevoll von Hand erbaute Mario Kart-Kulisse, die durch Augmented Reality lediglich um virtuelle Spielelemente ergänzt wird. Mario Kart-Erfahrung hilft einen hier aber nur bedingt: Die Attraktion fährt deutlich langsamer und in einem vorbestimmten Tempo. Da wir außerdem nicht alleine im Wagen sind, ist es auch eine kooperative Angelegenheit. Besonders der nostalgische Rainbow Road-Abschnitt zum Schluss ist aber ein riesiges Erlebnis.
Augmented zieht sich dort sogar durch den gesamten Themenbereich. Überall in der von Super Mario geprägten Welt gibt es interaktive Elemente und Geschicklichkeitsherausforderungen über die ihr mit einem Armband im ganzen Bereich Münzen und in 5 interaktiven Spielen Schlüssel sammeln könnt. Habt ihr mindestens drei der Schlüssel, fordert ihr in einem kooperativen AR-Spiel Bowser Jr. im großen Bosskampf heraus.
Interaktive Elemente gibt es übrigens auch in der Wizarding World, dem Harry Potter-Bereich des Parks. Mit den dort gekauften Zauberstäben gibt es im ganzen Bereich Stellen, wo ihr mit dem Zauberstab Effekte auslösen könnt. Die freundlichen Mitarbeiter im Bereich bringen euch die Zauber bei.
Das digitale Andenken
Apropos zauberhaft – Die Warner Bros. Studio Tour zählt vielleicht nicht wirklich als Vergnügungspark, ist aber zumindest auch eine interaktive Themenwelt. Ich hatte das Glück die neue Attraktion in Tokio kurz nach ihrer Eröffnung zu besuchen und war begeistert von der interaktiven Gestaltung.
So gibt es etwa einige Fotospots, an denen ihr genial in Szene gesetzt werdet und erscheint dann tatsächlich auch in den beweglichen Porträts. An anderer Stelle seid ihr zusammen mit anderen Besuchern das Publikum in einer echten Filmszene eines Quidditch-Spiels, die ihr euch später als kleinen Film anschaut. Für eine kleine Extragebühr dürft ihr euch sogar selbst auf den Besen setzen und eure Flugkünste zeigen.
Zu Beginn der Tour verbindet ihr euer Smartphone übrigens mit der Webapp. Dort erhaltet ihr einen QR-Code, den ihr nutzt, um sämtliche Bilder und Videos an den interaktiven Stationen zu erhalten. So erhaltet ihr auch über den Besuch hinaus einzigartige Andenken, die ihr per Social Media oder auch privat mit Freunden und Familie teilen könnt.
Ähnliches gilt aber auch zunehmend für Actionfotos bei Achterbahnen. Ich sehe immer mehr Parks, die ihre Fotos digital umrüsten. Es ist zwar schade, wenn das „echte“ Foto damit komplett wegfällt, aber insgesamt ist die digitale Variante schon um vieles unkomplizierter und lässt sich trotzdem später noch im gewünschten Format ausdrucken.
Transrapid-Technologie in Achterbahnen
Eine Sache hätte ich doch fast vergessen, die eigentlich eine riesige Errungenschaft moderner Parks ist. Es ist an sich kein Teil der digitalen Transformation in Vergnügungsparks und dennoch eines der Highend-Features: Linearmotoren. Lange Zeit waren Achterbahnen auf ihre Lifthügel angewiesen, die den Wagen hochziehen. Je höher, desto schneller und spektakulärer die Achterbahn. Mittlerweile geht der Trend zum Abschuss. Die Achterbahn wird nicht hochgezogen, sondern vom Boden aus auf ihre Höchstgeschwindigkeit beschleunigt.
Die ersten Achterbahnen dieser Art wurden mechanisch umgesetzt, unter anderem Desert Race im Heide Park. Mittlerweile wurde aber die Technologie des Linearmotors für Achterbahnen immer mehr perfektioniert. Hierbei handelt es sich im Prinzip um die selbe Technologie wie im Transrapid und anderen Magnetschwebebahnen: Die Achterbahn wird durch die Verschiebung der Magnetfelder von Wagen und Schiene beschleunigt.
Mittlerweile nutzen ein Großteil neuer Großachterbahnen diese Technologie und verfeinern sie immer weiter. Immer mehr Achterbahnen haben im Verlauf ihrer Bahn weitere Beschleunigungsmomente oder benutzen das Spiel mit der Geschwindigkeit vor allem zu Beginn der Fahrt für Storytelling-Elemente.
Auch wenn der „Punch“ eines hydraulischen Starts stärker ist, revolutionieren LSMs (Linearer Synchronmotoren) derzeit die Achterbahnwelt. Für das von mir geliebte Phantasialand ermöglicht das zudem niedrigere Streckenprofile, die Lärmbelästigung für die Nachbarschaft durch thematisch gestaltete Wände reduzieren.
Die Digitale Transformation im Vergnügungspark ist real
Sie hat ein wenig gedauert, die digitale Transformation im Vergnügungspark. Mittlerweile ist sie aber angekommen und das in allen Bereichen des Erlebnisses. Ich kenne kaum eine Freizeitbereich, in dem so schnell das Ticket an der Tageskasse verschwunden ist. Vielleicht gab es aber auch hier einen Personalnotstand, der etwa über ein Streichen der Tageskasse ausgeglichen wurde.
Schon zuvor entwickelte sich allerdings eine digitale Transformation in Form von interaktiver Apps. Mit der Super Nintendo World setzen die Universal Studios-Park zudem einen neuer Maßstab, wie nahtlos man virtuelle Erlebnisse in eine handgemachte Kulisse mit klassischen Animatroniken einfügen kann. Nach dem Besuch profitieren Parks mittlerweile davon, dass Besucher ihre virtuellen Andenken wie das Actionfoto aus der Achterbahn direkt teilen können.
Insgesamt ist die digitale Transformation aber mehr eine Evolution als eine Revolution für Vergnügungsparks. Es verändert die Erfahrung nicht grundlegend, sondern zeigt sich mehr in vielen kleinen Dingen. Natürlich sind auch ganz neue Erlebnisse entstanden. Den Thrill echter Geschwindigkeit oder den immersiven Genuss echter, anfassbarer Kulissen ersetzt es zum Glück nicht.
Als nächstes könnte Technik die Abfertigung von Großattraktionen beschleunigen. Die neue Rekordachterbahn Voltron Nevera im Europa-Park hat dabei bereits sehr gute Ansätze. Dort läuft die Abfertigung auf einem langsamen Laufband und die Bügel schließen automatisch. Menschliche Kontrolle gibt es natürlich trotzdem, aber die Abfertigung erlaubt eine überragende Taktung der Züge, von der sich andere Parks hoffentlich etwas abschauen.
Fotos & Screenshots by Stefan Reismann
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