Wir wollen, wir werden, es gilt, es muss, wir möchten, es soll. Die Inflation der Unverbindlichkeiten in der Politik der Bundesregierung zur digitalen Agenda hatte in den vergangenen vier Jahren Wackelpudding-Niveau.
Mangels zentraler Zuständigkeit und politischem Nachdruck wird die Digitalisierung in den verschiedensten Ministerien nur mit minimaler Sauerstoffzufuhr versorgt. Im Tagesgeschäft blockiert man sich mit Ressort-Eitelkeiten. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Wird sich das ändern? Schaut man sich das Wahlprogramm der CDU an, kann das bezweifelt werden.
„In den nächsten Jahren entscheidet sich, welche Länder bei der Digitalisierung erfolgreich und ganz vorne mit dabei sind. Dafür stellen wir die Weichen: Digitalisierung ist Chefsache. Deshalb wird im Bundeskanzleramt die Position eines ‚Staatsministers für Digitalpolitik’ neu geschaffen. Wir werden einen Kabinettsausschuss ‚Digitalpolitik’ einrichten, damit die Koordinierung zwischen den Ministerien weiter verbessert wird. Die Bundeskanzlerin wird einen ‚Nationalen Digitalrat’ berufen, der einen engen Austausch zwischen Politik und nationalen sowie internationalen Experten ermöglicht. Wir wollen, dass die klügsten Köpfe sich in den Dienst dieser Umgestaltung stellen“, heißt es hier.
Laber-Rituale auf Staatsminister-Niveau
Es geht wieder nur um interne Koordinierung, um Sitzungen, Konferenzen, Gremien und Posten – Laber-Rituale. Auf Bundesebene ist der Titel „Staatsminister“ eine auf Vorschlag des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister vom Bundespräsidenten verliehene Bezeichnung, an einen parlamentarischen Staatssekretär des Bundes für die Dauer seines Amtsverhältnisses oder für die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe, ohne dass damit eine größere Machtfülle verbunden wäre. Und bei den Etats sieht es wohl auch eher mager aus. Wie viel wird wohl in den Haushaltsplan eingestellt für den Breitband-Ausbau – ohne auf die ausbau-unwillige Telekom oder die Wettbewerber zu verweisen? Was im CDU-Programm steht, sind Placebo-Maßnahmen.
Politik wird mit Etats gemacht
Die Relevanz von politischen Themen lässt sich abmessen an den Finanzgrößen im Haushaltsplan der Bundesregierung. Mit Etats wird Politik gemacht. Internet Governance-Experte Professor Wolfgang Kleinwächter hält ein Digitalministerium für unwahrscheinlich. Sollte es funktionieren, wäre es ein Superministerium, das in Kernbereiche nahezu aller anderen Ministerien hineinregieren müsste. „Auch im Verteidigungs- und im Entwicklungshilfeministerium sind ‚Cyber’ und ‚Digital’ mittlerweile Führungsschwerpunkte. Sinnvoller wäre es, einen mit entsprechenden Kompetenzen ausgestatteten Internet-Koordinator im Bundeskanzleramt anzusiedeln – das geht in die Richtung des CDU-Vorschlags. Eine solche Koordinierung haben die Chinesen 2013 eingeführt, wo die sogenannte ‚Cyber Administration of China’ (CAC) als Scharnier zwischen dem Präsidenten und den einzelnen Ministerien fungiert.“
Wir benötigen die Internet Plus-Schubkraft
Ich schätze Kleinwächter sehr. Aber der Vergleich mit China hinkt. Entscheidend ist die KP China – der Regierungskoordinator hat nichts zu melden. Die Parteinormen regieren das Land. Und hier ist das Programm Internet Plus entscheidend beim Umbau des Landes. Was Kleinwächter und die Merkel-Partei ins Spiel bringen, ist nach Ansicht von Professor Tobias Kollmann vom Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eindeutig zu wenig. „Wir brauchen ein eigenständiges Digitalministerium, um das Tempo der Digitalisierung zu erhöhen. Zur Zeit laufen wir international hinterher. Wir müssen jetzt aber doppelt so schnell laufen, um wieder nach vorne zu kommen.“
Gründung des Umweltministeriums war ein programmatisches Statement.
Deshalb sei eine zentrale Kraft vonnöten, die dieses Thema mit den entsprechenden Budgets anzieht. Man dürfe sich nicht wieder in verschiedenen Ressorts verlieren. „Es dauert viel zu lange, in allen Ministerien die digitale Kompetenz auf der Arbeitsebene einzuziehen. Wir brauchen ein starkes Digitalministerium, das diese Misere beseitigt und eine eigene politische digitale Identität entwickelt. Die haben wir im Moment nicht. Wir haben auch keine zentrale Stimme in Brüssel zu dieser Thematik.“
Kollmann vergleicht die Sogwirkung einer solchen Entscheidung mit der Schaffung des Umweltministeriums im Jahr 1986. Auch Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Ökologie sind Querschnittsthemen – von Verkehr, Bauen, Landwirtschaft, Wirtschaft bis Bildung. Als Klaus Töpfer sein Amt als Bundesumweltminister antrat, war das ein klares programmatisches Statement für die Relevanz des Umweltschutzes. „Wenn man sieht, was sich danach entwickelt hat und wie wichtig die Umweltpolitik geworden ist, dann war es auch eine richtige Entscheidung“, erläutert Kollmann im StudioZ-Interview auf der Kölner Fachmesse Zukunft Personal.
Man müsse die Digitalisierung gleichberechtigt an den Kabinettstisch bekommen. „Ein Staatsminister darf zuhören, aber nicht viel entscheiden. Das ist zu wenig. In dieser Funktion wird mit einem überschaubaren Thema nur koordiniert. Deswegen hoffe ich inständig, dass man sich besinnt und das Thema größer denkt und den großen Sprung für eine große Vision wagt. Das geht nur aus einer Hand“, so Kollmann.
Das Notiz-Amt findet vor allem den Vergleich mit dem Bundesumweltministerium einleuchtend. Die neue Bundesregierung sollte dem Rat von Kollmann folgen.
Image (adapted) „Flagge“ by karlherl [CC0 Public Domain]
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Schlagwörter: Bundesministerium, Bundestagswahlen 2017, CDU, digitalisierung, Digitalpolitik, Internet, Internet Plus, politik, wirtschaft, zukunft