TV ist tot, das Internet befreit uns von der Knechtschaft der stumpfen Flimmerkiste! So etwa wurde eins das Ende des Zeitalters der Massenmedien vorhergesehen, und so sagen manche auch heute noch. So gerne ich es würde: Ich kann daran noch nicht so recht glauben. Der Fernseher, Inbegriff passiven Konsums, Verstumpfungsmaschine: Lange vorbei die Zeiten, in denen Fernsehen ein Fenster war in die große, weite Welt, Zugang zu Politik, Wirtschaft, Sport, dem Weltgeschehen eben. Ob Quotendruck oder Verflachung des gesellschaftlichen Diskurses, aus irgendwelchen Gründen scheint das TV heute dümmer – oder vielmehr, als habe es sich nicht im gleichen Tempo weiterentwickelt. Fernsehen hat einen schalen Beigeschmack.
„Halt“, kommt jetzt der Aufschrei, „was ist mit den Öffentlich-rechtlichen, Bildungsfernsehen, Kultur & Aufklärung!“ Klar, es gibt Ausnahmen. Nicht nur bei den Öffentlich-rechtlichen, nicht nur die Maischbergers, nicht nur Arte, Phoenix oder Logo. Es gab und gibt spannende Formate, gar keine Frage.
Auftritt: Das Internet. Mit der Bitte, diese Vergleiche nicht überzubewerten: Das Internet verhält sich zum Fernsehen wie der Smart zum Maybach, wie ein Segelboot zum Ölfrachter, wie die hübsche Philosophiestudentin zum alternden BWL-Professor: Irgendwie smarter, jünger, frecher, politisch korrekter oder doch zumindest: interessanter. Spannender eben, und more engaging, den Zuschauer stärker einbindend. Das Internet ist der kleine, smarte und witzige Bruder des Fernsehens. Den Fernseher braucht man irgendwie, er ist ein notwendiges Übel. Aber eigentlich will man seine Zeit doch viel lieber mit dem Netz verbringen.
Leider haben sich die Hoffnungen, das Internet würde das Fernsehen ruckzuck als Unterhaltungsmedium ablösen, bisher nicht wirklich erfüllt. Nach wie vor hat das Fernsehen gigantische Einschaltquoten. Nach wie vor fließen die Werbegelder eher Richtung Flimmerkiste als zu obskuren Videopodcasts. Offenbar ist die ökologische Nische für stumpfe Unterhaltung deutlich größer als bisher angenommen. Einerseits.
Andererseits stehen wir noch ganz am Anfang einer spannenden Entwicklung, vermutlich zumindest. Zwar sind die Abrufzahlen von Videopodcasts nach wie vor in absoluten Zahlen eher mickrig. Andererseits brauchen Podcasts natürlich auch weniger Zuschauer, da ihre Produktion nur einen Bruchteil dessen kostet, was für eine Fernsehsendung draufgeht. Die alte Vision, dass es dereinst jedem offenstehen würde, eigene Medien zu produzieren, ist längst Realität geworden. Selbst in Standardlaptops und Mobiltelefonen sind heute Kameras eingebaut, kaum ein Computer wird ohne Videoschnittsoftware verkauft, der Vertrieb als Videopodcast ist kostenfrei: Wer produzieren will, der kann es tun, jederzeit. Und natürlich gibt es den Austausch mit Gleichgesinnten nur im Netz, im Fernsehen ist er praktisch unmöglich.
Natürlich bricht das noch lange nicht die Vorherrschaft des Massen-TVs. Doch gibt es dank des Internets Alternativen, Vielfalt und Abwechslung. Das ist ein guter erster Schritt. Vielleicht – hoffentlich! – entdecken noch viel mehr Zuschauer die kleinen Perlen, die das Netz jetzt schon hervorbringt. Längst haben ja einige TV-Sender lustige Katzenvideos aus dem Netz in ihr Programm aufgenommen. Langsam aber sicher fangen sogar ARD und ZDF an, ihre Inhalte auch im Netz anzubieten und somit den Konsum abseits fester Sendezeiten zu erlauben. Ein guter erster Schritt. Auch lässt sich die eigene Fernsehdiät über’s Netz ganz gut mit Formaten aus dem Ausland ergänzen – die Daily Show entschädigt für so einiges, was das deutsche Fernsehen verbockt.
So richtig befreit sind wir also vom Fernsehen der alten Schule noch nicht. Aber vielleicht sind wir doch schon freier als befürchtet. Am besten schaue ich einfach ein paar neue Folgen von Ehrensenf, stöbere in den Videopodcasts bei Miro und klinke mich ein einen der Livekanäle bei Mogulus ein. Dann kann ich bald auch wieder glauben: ans Ende des Fernsehzeitalters, an Communities und an die Zukunft kleiner, smarter Formate.
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Schlagwörter: Internet, LIFE, Medien, medien-2.0, podcasting, social-medias, streaming, tv, videopodcasting, videostream
4 comments
Prinzipiell teile ich ja die Meinung des Autors, aber ein bisschen einseitig ist sie schon. Das Internet ist nicht nur smart, witzig, schnell. Es ist mindestens genauso dumpf, dröge und lahm wie das Fernsehen. Man kann Massen unerträglicher Dummheit darin finden, es gibt im Internet wahrscheinlich mehr schlechte Inhalte als in sonst einem Medium – eben weil die Schwelle so niedrig ist und jeder seinen Meinung ungefiltert absondern kann (so wie ich es gerade tue).
Prinzipiell gilt für das Internet, was schon seit je her für das Fernsehen gilt: es macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer.
Das Internet ist tot, doch wer befreit uns von der Knechtschaft der stumpfen Blogger?
Es stimmt zwar, dass die Möglichkeiten Inhalte und bewegte Bilder zu transportieren, einfacher geworden sind. Das hält Macher und Blogger aber nicht davon ab, dass Internet jeden Tag langweiliger zu machen.
Jedes Medium muss sich langfristig über die Inhalte positionieren. Und da werde ich in Zukunft lieber vermehrt zur Fernbedienung greifen, als noch mehr solcher Blogs zu entdecken, die im Grab von Kalfofe wühlen.
Das Internet bietet definitiv mehr Auswahl. Dabei kann es einerseits
smarter, aber auch viel dumpfer als Fernsehen sein. Ist alles eine
Frage der Wahl. Und die hat man beim Fernsehen nicht (ausser ausschalten).
Die Angebote im Internet bleiben auch ’stehen‘, d.h. sie sind nicht
mal da und wieder weg sondern man kann meist noch lange nach deren
Erscheinen darauf zugreifen.
Ich glaube darum nicht, dass Fernsehen in seiner jetzigen Form
weiterexistieren kann. Nur die noch niedrige Bandbreite, mangelnde
Englischkenntnisse und die mangelde Akzeptanz der älteren
Generationen halten das Fernsehen noch am Leben.
Die Entwicklung wird vermutlich von den Innovationen in diesem Bereich abhängen. Aber die Nutzerforderung ‚Fernsehen muss smarter werden‘ erscheint angemessen. Verwunderlich ist aber die Haltung der Sender, die dieser Forderung viel zu langsam nach kommt.