E-Autos in China: Low-Speed-Motorisierung trifft auf High-Speed-Urbanisierung

Während viele Länder weitweit die Erderwärmung zu bekämpfen versuchen, wurde in China der Übergang zum kohlenstoffarmen Transport zum vorrangigen Ziel erklärt. Ein Teil der Bemühungen, kohlenstoffarme Fahrzeuge zu entwickeln, liegt darin, dass nationale Produzenten elektrischer Autos vom chinesischen Staat unterstützt werden. Trotz dieser Unterstützung gehen die Verkäufe nur schleppend voran. Sie werden sogar noch von einer außergewöhnlichen Entwicklung überholt: dem elektrischen Low-Speed-Fahrzeug.

Ein Low-Speed-Fahrzeug ist allerdings nicht ganz so langsam unterwegs, wie es der Begriff zunächst vorgibt. Bei einer Maximalgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern sind sie schnell genug für die überfüllte Großstadt. Die meisten Modelle sind eher klein und ähneln den Dreirad-ähnlichen Fahrzeugen, die für die Straßenreinigung oder auf dem Golfplatz eingesetzt werden. Das kann sehr praktisch sein, da der Parkplatzmangel ein echtes Problem geworden ist, seit immer mehr Chinesen Autos besitzen.

Das wohl beste Arument, das für ein Low-Speed-Fahrzeug spricht, ist, dass es mit 4.000 Euro recht günstig in der Anschaffung ist. Jeder Low-Speed-Fahrzeughalter bekommt zudem ein Nummernschild zugesprochen – egal, um welche Marke es sich handelt oder wieviel Platz sein Auto beansprucht. Bemerkenswert ist das deshalb, weil bis vor Kurzem die meisten Low-Speed-Fahrzeuge keine Nummernschilder besaßen – tatsächlich gab es bis zum Oktober 2015 keine Regulierung zur Nutzung oder auch nur der Herstellung dieser Fahrzeuge. Nun jedoch hat die Regierung angekündigt, dass man den Sektor genauer überwachen wolle. Denn bei der massiv voranschreitenden Urbanisierung spielen diese Minifahrzeuge eine wichtige Rolle.

Die Städte der Zukunft

Der neue Plan zur Urbanisierung Chinas sieht die Umsiedlung von 100 Millionen Menschen in Städte dritten oder vierten Ranges bis 2020 vor, eine Lösung für einen erschwinglichen Transport wird also zwigend gebraucht. Die chinesische Regierung hat durch ihre Erkenntnisse über die Entwicklung und Zunahme der Low-Speed-Fahrzeuge eine neue Möglichkeit an die Hand bekommen, mit der die Umwelt neu gestaltet werden kann. Chinas Städte gelten als autofreundlich, oftmals gibt es jedoch Probleme wie Staus und Luftverschmutzung. Die Low-Speed-Fahrzeuge könnten neben dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel die beste Möglichkeit darstellen, um Chinas Städte wieder in Ordnung zu bringen. Hier könnte man den Nutzern schadstoffärmere und platzsparendere Fahrzeugalternativen bieten.

Das Low-Speed-Fahrzeug ist aber nicht die einzige städtische Transportmöglichkeit in China, die mit Low-Tech funktioniert – wir zählen ungefähr 300 Millionen elektrische Roller verschiedener Formen und Fabrikate. Das E-Bike ist derzeit neben dem Auto das wohl beliebteste kraftstoffbetriebene Fahrzeug seit Beginn der Motorisierung in China. E-Bikes waren den Oberen lange ein Dorn im Auge, die modernere technische Lösungen vorzogen, um ihre Städte moderner wirken zu lassen. Tatsächlich wurden vor allem in Peking und Shenzhen strengere Regeln eingeführt, um kontroversen Bemühungen zu Folge den Gebrauch einzudämmen.

Ob E-Bikes tatsächlich einmal aussterben könnten, ist schwierig zu sagen. Unsere eigenen Forschungsergebnisse der kohlenstoffarmen Mobilitätsinnovation in China haben ergeben, dass E-Bikes und Low-Speed-Fahrzeuge in den kommenden Jahrzehnte weiterhin nebeneinander existieren und miteinander konkurrieren werden. Dennoch wird die Entscheidung des chinesischen Staates, den Low-Speed-Fahrzeugen einen amtlichen belgaubtigten Status zu verleihen, den Fahrzeugbauern definitiv neuen Schwung im Rennen um Low-Tech-Mobilität verleihen.

Trotzdem sind die bisherigen Versuche, Chinas Geschäft in Sachen Elektroautos zu regulieren, etwas aus dem Ruder gelaufen, um es vorsichtig auszudrücken. Im August 2016 wurde berichtet, dass 90 Prozent der Autobauer wegen strengerer Regeln aus dem Geschäft verdrängt werden könnten. Eine strenge Regulierung hebt also den Standard zu Gunsten einiger großer Produzenten und unterdrückt die Konkurrenz.

Weltweite Trendsetter

In China besitzen derzeit weltweit die meisten Privatpersonen ein Low-Speed-Fahrzeug. Hier werden auch die meisten Low-Speed-Fahrzeuge für Car-Sharing genutzt. Die Regierung möchte auf diesen Erfolg aufbauen. Aus Europa wird ein Interesse an kleineren und auseinandernehmbaren Low-Speed-Fahrzeugen immer deutlicher, in Japan interessiert man sich für Low-Speed-Fahrzeuge aus dem 3D-Drucker. Bis jetzt zögerten viele internationale Städte jedoch, diese in größeren Mengen einzuführen. Dies ist auch ein Grund, wieso die Low-Speed-Fahrzeuge noch nicht überall verbreitet sind.

Der chinesische Staat will Standards erheben können, indem er den wachsenden Sektor kontrolliert. Dies wird nicht nur den Konsumenten zu Gute kommen und interne Verkäufe steigern, sondern auch Produzenten helfen, neue europäische Absatzmärkte, wie beispielsweise Mailand zu erreichen.

Internationale Märkte zu erschließen, wird den Produzenten mehr Kapital bringen, das sie wieder darin investieren können, die Low-Speed-Technologie auszubauen. Die Fahrzeuge werden noch ansprechender werden und besser mit Autos und konventionellen E-Autossowohl für die Privatnutzer als auch für die Car-Sharing-Pläne konkurrieren können.

So mancher Gelehrte geht von dem Grundsatz aus: „Was in China funktioniert, klappt auf der ganzen  Welt. Etwas bescheidener betrachtet, werden wohl viele Länder der Welt Chinas Beispiel folgen, was die urbane Entwicklungen angeht. Die Entscheidung des chinesischen Staates, die Produktion der Low-Speed-Fahrzeuge mitzubestimmen, zeigt, dass China die Entwicklung der kohlenstoffarmen Mobilität ernst nimmt und anführen will – und das nicht nur zu Hause, sondern auf der ganzen Welt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. 


Image „traffic“ by quinntheislander (CC0 Public Domain)


ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute of Social Futures an der Lancaster Univeristy in England.


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