Educamp #ecco12: Flugstunden in Köln

Am vergangenen Wochende war ich in Köln beim neunten Educamp – einem Barcamp über Bildung mit den Neuen Medien. Hier kommt mein kleiner Rückblick – mit Lernapps ohne Programmierkenntnissen, Screencasts in der Schule, digitalen Lerntypen, der Identität in digital sowie einigen Überlegungen zum Verhältnis von Medien, Wissen und Lernen.

Es war mein zweiter Besuch bei einem Educamp – 2009 verschlug es mich nach Ilmenau, die anderen passten zeitlich nicht oder waren zu weit weg. Ausreden, ich weiß. Beim Kölner Educamp konnte ich sie beim besten Willen nicht gelten lassen, und so möchte ich euch hier meine persönlichen Erlebnisse auf dem neunten Educamp schildern. Ihr könnt einzelne Themen gerne überspringen, wenn sie euch nicht interessieren – die Überschriften geben genügend Anhaltspunkte.

Edulize: Lernen ohne Programmieren ja – Programmieren lernen nein

Den Start für mich machte eine Session über Edulize, eine „Entwicklungsumgebung“ für Lern-Apps in Beta-Phase. „Entwicklungsumgebung“ in Anführungszeichen, weil ihr Ansatz ist, kein technisches Vorwissen zu erfordern, um Bildung in die diversen Plattformen zu bringen. Anwender können sich Lernapps zusammenklicken und dabei auf Artikel, Tests und Lernkarten zurückgreifen. Ein paar Layoutoptionen gibt es ebenfalls. Am Ende lässt sich die eigene Anwendung für alle möglichen Plattformen exportieren.

Nun bin ich nicht unbedingt ein Freund plattformübergreifender Entwicklung – zu oft fühlen sich solche Programme wie Fremdkörper an. Edulize hat aus meiner Sicht noch einen weiteren Schwachpunkt: Der Programmcode bleibt dem Anwender verschlossen. So ist es unmöglich zu überprüfen, ob die Software technischen Qualitätskriterien genügt, und Programmieren lernen kann man so ebenfalls nicht.

Schön ist, dass die Macher eine Plattform in einem so frühen Entwicklungsstadium bereits auf einem Educamp vorstellten. So war das Interface an vielen Stellen noch hakelig, eine Aufhübschungskur wäre dringend angeraten. Ein paar Demo-Apps sollten erstellt werden, um den Nutzern die Möglichkeiten ein wenig zu präsentieren. Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie es mit Edulize weitergeht – die Plattform könnte zur ersten Wahl für Lehrer und Lehrerinnen werden, die ihren Unterricht mit Lernapps anreichern möchte. Für mich ist hingegen die fehlende Möglichkeit, den Programmcode zu überprüfen, ein No-Go – da gehöre ich wohl nicht zur Zielgruppe.

Medienkompetenz im Unterricht

Mit einer der spannendsten Sessions ging es weiter – „Schülervideos“ von Thorsten Groß. Er ist Lehrer und entwickelte gemeinsam mit der von ihm betreuten Linux-AG an seiner Schule Lernvideos zum Thema Linux. Die Teilnehmer planten dabei eigenständig, welche Themen als Screencast behandelt werden sollten und kümmerten sich um die Videos.

In einer kleinen Gruppe von sieben Teilnehmern entstand in der Session ein intensiver, praxisbezogener Austausch, den wir im Etherpad festgehalten haben. Dort warten eine Reihe von Software-Empfehlungen auf euch mit praxisnahen Beispielen. Spannend war die Diskussion darüber, ob eine Schule in solchen Projekten die Videos nur auf einer internen Plattform zur Verfügung stellen sollte. Ich halte es für sinnvoll, das nicht zu tun, denn (1) sind solche Videos durchaus auch für externe Betrachter interessant, (2) dürfte es die TeilnehmerInnen mit Stolz erfüllen, ihre Videos öffentlich zu sehen und (3) lernen sie so quasi „nebenbei“ noch etwas über Medienkompetenz, indem sie erfahren, dass ihr Handeln im Netz öffentlich ist – statt ihnen eine vermeintlich sichere Umgebung zu suggerieren.

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Bildungsarmut: Gibt es digitale Lerntypen?

Unter dem Thema „Bildungsarmut im Web 2.0“ entwickelte sich in einer neuen Session eine diffuse Diskussion, in der es vorrangig um die „computerspielenden Hartz-IV-Zuwandererkinder“ ging, die Sessioninitiator Christian Füller als Bildungsverlierer von heute sieht. Dabei wurde eine große Zahl von Argumenten in den Ring geworfen und spannende Diskussionen angerissen – wie etwa die Frage, ob das Lernen einer Handschrift für Kinder noch notwendig ist, oder ob die Einführung von Tablets im Unterricht nicht die Kinder ausschließt, deren Eltern sich die teuren Geräte nicht leisten können.

Obwohl gut besucht und teils mit großer Emotionalität geführt, habe ich aus der Session wenig im Kopf behalten. Mir fehlte irgendwie ein roter Faden in der Session, eine klar formulierte und argumentierte These. Weniger wäre meiner Ansicht nach mehr gewesen: Wie wirken Computerspiele auf die Entwicklung von Jugendlichen, und wie lassen sie sich für Bildungsprozesse nutzen? Welche Rolle spielt die Handschrift für die Bildung im Jahr 2012? Eine Session zu einem dieser Themen hätte mir persönlich mehr gebracht, als alle Themen in einer Session zur Frage nach einer Bildungsarmut verbinden zu wollen. Die Thesen an sich hätten genügend Potenzial, eine Vielzahl cooler Sessions zu füllen.

Spannend waren besonders die Erfahrungen der anwesenden Lehrkräfte. Aus der Session mitgenommen habe ich vor allem eine Anmerkung von @herrlarbig. Er hat erzählt, dass er bei Schülern, die sich frei entscheiden können, in welcher Form sie eine Arbeit abgeben (handschriftlich oder computergeneriert), große Unterschiede feststellt. Er habe den Eindruck, dass einige SchülerInnen mit Computern bessere Arbeiten erstellen als handschriftlich, bei anderen sei es umgekehrt. Daraus leitete er die Frage ab, ob es vielleicht analoge und digitale Lerntypen gäbe.

Da fängt mein Forscherherz natürlich mit Träumen an, ohne direkt eine Idee zu haben, worin sich digitale Lerntypen von anderen unterscheiden könnten oder wie man dies herausfinden könnte. Allerdings habe ich in meinem Umfeld ähnliche Unterschiede wahrgenommen: Das Netz spielte in meinem Studium seit jeher eine große Rolle, doch während es von einigen als Plattform zum Dateiaustausch oder als großes Nachschlagewerk wahrgenommen wurde, haben es andere zum Mittel ihres Erkenntnisgewinns gemacht. Besonders aufgefallen ist mir das beim Umgang mit ungesicherten oder diskussionswürdigen Inhalten – von den einen wurden sie als zu unsicher ignoriert, während andere gerade durch die Teilnahme am Austausch Erkenntnisse gezogen haben.

Aber das sind unvollständige Gedanken. Ich werde sie weiterspinnen.

Digitale Identität: Wer bin ich in Digitalien, und wie viele?

Spannend (und gut besucht) war die Session von Thomas Bernhard über „Identität 2.0“, zu der es ebenfalls ein gut geführtes Etherpad gibt. Ausgehend von einigen Grundüberlegungen entwickelte sich ein sehr spannender Austausch über die Arten, wie man mit seiner Identität im Netz umgehen kann. Dabei gibt es große Unterschiede, weil mögliche Konsequenzen sehr unterschiedlich bewertet werden, und die TeilnehmerInnen konnten von sehr verschiedenen Erfahrungen berichten. Und so gibt es einige, die mit Pseudonymen und mehreren Accounts arbeiten, während andere mit ihren Realnamen vertreten sind. Spannend fand ich die Erkenntnis, dass der Beruf bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle spielt – gerade die Lehrerinnen und Lehrer wussten zu berichten, dass es viele Aspekte ihres Lebens gibt, von denen die Schülerinnen und Schüler nichts wissen sollten, während diese Überlegungen für Selbstständige weniger relevant sind. Trotz aller Bedenken gilt aber das kleine Fazit der Session: soziale Medien brauchen auch persönliche Aspekte, um einen Austausch anzuregen.

Ein Aspekt, der mir erst im Nachhinein eingefallen ist: Nicht immer hat man überhaupt die Wahl, seine private Person aus dem sozialen Netz herauszuhalten. Das gilt insbesondere für Blogs, die nach deutschem Recht mit einem vollständigen Impressum versehen werden müssen. Das kann durchaus ausgenutzt werden: Ich habe beispielsweise vor ein paar Wochen herausgefunden, dass die Berliner Agentur Meltwater meine persönlichen Kontaktdaten in eine Datenbank übertragen und für den Versand von PR-Meldungen ihrer Kunden verwendet hat – ungefragt natürlich, die Daten seien halt öffentlich verfügbar.

Etwas schade fand ich, dass nicht stärker auf den Text „Digital Identity“ von Ilona Buchem eingegangen wurde, den Thomas verlinkt hat – hier muss ich mich natürlich an der eigenen Nase packen, denn wie so oft habe ich es nicht geschafft, mir ihn im Vorfeld durchzulesen. Er eignet sich aber durchaus auch zur Nachbereitung, weil die Autorin eine Reihe wichtiger Werke zum Thema zusammenfasst und verbindet – und mit ihrem Delicious-Stack weiter am Thema bleibt. Vielleicht schreibe ich einmal einen eigenen Beitrag über das Thema, das ich gerade extrem spannend finde.

Hier soll es aber erst einmal mit meinem Educamp-RoundUp weitergehen.

Medien, Wissen, Lernen: Versuch einer Theorie-Session

Medien, Wissen, Lernen – drei Begriffe, die mein Studium in großen Teilen zusammenfassen, und so hatte ich entsprechend hohe Erwartungen an die entsprechende Session. Friedrich-Alexander Ittner gab Einblicke in seine Masterarbeit. Hier ergab sich dann bereits eine erste Herausforderung: Wie soll eine theoretisch elaborierte Session ohne Vorbereitung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ablaufen? Friedrich-Alexander versuchte es, indem er zunächst einige Definitionen diskutierte, bevor wir gemeinsam Thesen ausarbeiteten und Schlussfolgerungen zogen.

Bei den Definitionen bin ich gedanklich lange hängen geblieben, insbesondere bei verschiedenen Definitionen des Medienbegriffs. In der Session blieb mir dieser Begriff zu schwammig, was ich insbesondere bei den Thesen problematisch finde. Ein paar Beispiele:

  • „Medien erleichtern das Lernen…“: Ja, schon (denke ich). Zwei Einwände bzw. Ergänzungen: (1) Lernen mit Medien ist immer auch Lernen über Medien. Wer Photosynthese über einen Film lernt, lernt gleichzeitig etwas über Photosynthese und über Filme. Das kann erwünscht oder störend sein, denn (2) Medien und ihr Inhalt interagieren – Medien sind keine Behälter, in die man etwas reinsteckt, um es woanders wieder herauszunehmen. Eine Aussage wie „Medien erleichtern das Lernen“ halte ich daher für zu allgemein.
  • „… können sie besser aufbereiten“: Medien bereiten Inhalte auf, um sie lernbar zu machen. Klar, geht mir aber auch nicht weit genug: Medien verändern Inhalte. Es ist eben nicht gleichgültig, ob ich eine Information als Text, Bild oder Ton wahrnehme, weil andere Sinneskanäle andere Informationen vermitteln. Es ist genauso wenig gleichgültig, ob ich über ein Thema in einem Schulbuch oder in einer Zeitung lese – Zeitungsjournalisten arbeiten nach anderen Kriterien als Buchautoren. Und selbst wenn ich einen Text lese und ihn mir danach vorlesen lasse, ist das nicht gleichgültig – während ich nämlich mein Lesen selbst steuere (und sogar dabei von Typografie und Layout beeinflusst werde!), steuert nun eine zweite Person die Rezeption. Diese Aufbereitung sollte daher aus meiner Sicht dringend reflektiert werden.
  • „Handlungskompetenz als Begriff fehlt“: Diese Anregung kam (wenn ich mich richtig entsinne) aus der Idee, dass Lernende das Gelernte auch praktisch einsetzen können sollten. Tatsächlich geht mir das aber nicht weit genug. Lernen mit Medien ist aus meiner Sicht kein reiner Konsum (ich halte den Konsum von Medien sowieso für unwahrscheinlich), sondern eine aktive Auseinandersetzung mit ihnen. Dabei spielt es eine große Rolle, ob die Lernenden gelernt haben, mit dem entsprechenden Medium umzugehen. Hinzu kommt, dass man, wenn man Lernen als aktives Handeln der Lernenden betrachtet, dieses Handeln in den Blick nehmen sollte – es reicht also meiner Ansicht nach nicht, am Ende abzufragen, was Lernende gelernt haben, sondern man muss eben auch evaluieren, wie sie gelernt haben.

Natürlich kann eine kurze Session niemals den Inhalt einer Masterarbeit wiedergeben. Ich bin daher sehr gespannt auf das Ergebnis und werde das entsprechende Wiki auf jeden Fall weiter verfolgen. Die Ergebnisse der Session solen in die Arbeit von Friedrich-Alexander einfließen. Mir hat er aber bereits durch die Session selbst einige spannende Denkanstöße gegeben.

Ein Resümee zum Schluss

Im Vergleich zu meinem ersten Educamp in Ilmenau kam mir die neunte Auflage sehr lehrerlastig vor. Das war einerseits sehr interessant, weil es mir neue Perspektiven gegeben hat, bewirkte andererseits aber auch, dass ich mit vielen Diskussionen nicht so viel anfangen konnte. Insbesondere fehlten mir die Session zu innovativen StartUps (Edulize war hier die rühmliche Ausnahme), und für die Arbeit mit Erwachsenen konnte ich sehr wenig Input finden. Nun lebt ein Barcamp natürlich vom Mitmachen, und vielleicht schaffe ich es wirklich, in einem der nächsten Educamps einmal selbst eine Session zu einem meiner Themen beizusteuern. Lust gemacht hat das #ecco12 auf jeden Fall.

Wenn ihr euch für die Sessions interessiert, könnt ihr im Ecco12-Pad die Links zu den entsprechenden Etherpads finden.


Quellen:


ist Medienwissenschaftler und beobachtet als Autor („Grundkurs Gutes Webdesign“) und Berater den digitalen Wandel. Seine Themenschwerpunkte sind User Experience, anwenderfreundliches Design und digitale Strategien. Er schreibt regelmäßig für Fachmedien wie das t3n Magazin, die Netzpiloten oder Screenguide. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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