Einer der am weitesten verbreiteten Vorbehalte gegenüber Elektroautos ist die Schwierigkeit, sie dauerhaft mit Strom zu versorgen.
Stellen Sie sich also eine Welt vor, in der die Straßen selbst dazu beitragen, dass Ihre Batterie stets vollgeladen ist, oder in der Ihre Auffahrt mit dem Ladeprozess beginnt, kaum dass Sie das Auto abgestellt haben. Diese Art von Traum verlangt nicht nur massive Investitionen in die Infrastruktur, sondern wirft auch einige grundlegende Fragen der Automobilphilosophie auf.
Die Medien zeigen neuerdings ein enormes Interesse an der Technologie und haben auf diese Weise ein neues, nützliches Diskussionsfeld eröffnet. Wir gewöhnen uns langsam an die Idee der drahtlosen Energieübertragung, wenn es um unsere Handys geht – warum also nicht auch im Bezug auf Elektroautos im Straßenverkehr?
Einige vielversprechende Experimente wurden bereits mit Bussen durchgeführt, die über Induktionsschleifen an Bushaltestellen aufgeladen werden. Rolls-Royce hat unterdessen vorgeschlagen, drahtlose Ladestationen in Privatgaragen zu installieren. Andere Vorschläge bemühen sich um eine Ausweitung dieser Idee auf Hauptverkehrsadern und Schnellstraßen, die entlang mehrerer Kilometer mit Induktionssystemen versehen werden könnten, um jedes entsprechend ausgerüstete Fahrzeug aufzuladen. In Verbindung mit den jüngsten Durchbrüchen im Feld der Batterietechnologie scheint sich hier eine realisierbare Alternative für das Verkehrswesen aufzutun.
Fahrerkontrolle
Abgesehen von den beachtlichen Kosten, die voraussichtlich mit der Einführung einer solchen Technologie verbunden wären, stellt sich auch die grundlegende Frage darüber, bei wem die Kontrolle über die Technologie verankert sein sollte: Im Gerät selbst – in diesem Falle also dem Auto – oder innerhalb der Infrastruktur.
Wäre die Technologie im Auto selbst verortet, dann befände sie sich größtenteils unter der Kontrolle des Fahrers. Funktioniert sie überwiegend im Rahmen der Infrastruktur, dann ist sie unter der Kontrolle des Anbieters, sei dieser nun staatlich oder einem Unternehmen zugehörig.
Dadurch, dass wir unseren Schwerpunkt immer auf individuelle Verantwortlichkeit legen, ist es für uns ganz normal, dass wir die Kontrolle über Schlüsseltechnologien ebenfalls auf dieser Ebene ansiedeln wollen. Der Staat wird jedoch, genau wie die Privatunternehmen, in den meisten Fällen versuchen, seine Macht- und Kontrollsphäre auszubauen. In genau diesem Kontext sollten wir daher nicht nur die Idee drahtloser Energieübertragung, sondern auch andere Entwicklungen sehen, die in Richtung eines autonomen Autos führen.
Zusammenarbeit von Unternehmen
Aktuelle Beispiele für den schleichenden Einfluss größerer Unternehmen werden in Gebieten wie dem Cloudcomputing sichtbar. Das Speichern von Daten in der Cloud mag in bestimmten Fällen zwar durchaus nützlich sein, gibt dem Anbieter aber auch potenziellen Zugriff auf eine riesige Menge an Daten, die zu Geld gemacht werden können. Dass jeder individuelle Benutzer für dieses Privileg zahlt, macht das Ganze nur noch besser. Im Falle drahtloser Energieübertragung ist es theoretisch zwar möglich, dass das Auto eine kleinere Batterie benötigt – es wird aber gleichzeitig auch abhängiger von der Infrastruktur, wodurch es leichter nachverfolgt werden kann und zusätzliche Daten generiert.
Andere, weniger philosophisch angehauchte Fragen tauchen in diesem Kontext natürlich ebenfalls auf – beispielsweise die erheblichen Kosten, die mit der Ausarbeitung einer solchen Infrastruktur verbunden wären; die Störungen im Straßenverkehr, die durch Bauarbeiten entstehen würden, und die Frage darüber, was passiert, wenn die Technologie versagt. Dann steht da auch noch die Frage im Raum, wer überhaupt für all das aufkommen soll: Die Fahrer von Elektroautos, alle Verkehrsteilnehmer, oder der Infrastrukturanbieter, der anschließend Daten sammeln kann?
Probedurchläufe
Die Idee drahtloser Energieübertragung für Autos ist ihrem Kern nach Teil einer größeren Entwicklung, die den Fahrerinput eliminiert und ihn von seinem Auto entfremdet. Autonome, nicht nur fahrerlose, Autos rücken in greifbare Nähe.
Die wenigen autonomen Autos und LKWs, die aktuell an Orten wie Kalifornien und Nevada im Testlauf unterwegs sind, sind bereits in einige kleinere Unfälle verwickelt worden. Wenngleich beim Großteil dieser Unfälle zwar die menschlichen Fahrer anderer Autos beschuldigt wurden, bleibt der Umstand bestehen, dass es solche Zwischenfälle gab. Tatsächlich wird die Kombination autonomer und menschengesteuerter Fahrzeuge auf den Straßen zu einem zunehmend ausschlaggebenden Problem. Werden Autofahrer sich gegenüber autonom gesteuerten Autos mit derselben Vorsicht verhalten, die sie auch gegenüber anderen Fahrern zeigen?
Es hat sich ebenfalls erwiesen, dass autonom gesteuerte Fahrzeuge – gesetzeskonform, wie sie sich nun einmal verhalten müssen – Probleme in vielen alltäglichen Verkehrssituationen haben, in denen Menschen stattdessen Einsicht und Initiative walten lassen. Zum Beispiel bei der Auffahrt auf eine verkehrsreiche Straße: Aktuell kommt es dazu, dass autonom gesteuerte Fahrzeuge in diesen Situationen steckenbleiben und auf einen netten Menschen warten müssen, der ihnen erlaubt, sich einzufädeln.
Wenn Sie also weder für die Fahrt noch für den Ladeprozess zuständig sind, was ist dann überhaupt Ihre Rolle als “Fahrer” in einem autonom gesteuerten Auto? Diese Frage ist besonders mit Hinblick auf solche Fahrzeuge besorgniserregend, die noch nicht hundertprozentig autonom sind. Sollte die dringende Intervention eines Menschen nötig sein, so verstreichen zunächst wertvolle Sekunden, in denen sich die Aufmerksamkeit des Menschen auf die sich nahende Gefahr richtet.
Die logische Schlussfolgerung ist also, dass eine klare Entscheidung gefällt werden muss, wenn sich diese Technologie nicht im Treibsand der Realität festfahren soll. Die volle Verantwortung muss entweder dem Menschen überlassen werden, der dann permanent aufmerksam sein muss – oder dem Fahrzeug. Möglicherweise zeichnet die drahtlose Energieübertragung aber auch bereits das Bild einer zukünftigen Welt, in der die Infrastruktur die volle Kontrolle übernehmen wird und nicht nur den Menschen, sondern auch das Fahrzeug von jeglicher Verantwortung entbindet.
Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image (adapted) “Park and charge” by Justin Pickard (CC BY-SA 2.0)
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: Auto, cloud, Daten, Elektronik, Energie, Infrastruktur, IT, kontrolle, lkw, Menschen, Technologie, test, Verkehr