Das permanente Checken unserer Emails kostet uns nicht nur wertvolle Zeit, sondern schadet auch unserem Gehirn. Wir alle sind es mittlerweile gewohnt, dass jeder permanent erreichbar ist. Das führt auch zu einem gewissen Zwang, selbst jederzeit erreichbar sein zu müssen oder zu wollen. Wir prüfen permanent unsere Emails und Handy-Nachrichten und unterbrechen dafür ständig, was wir gerade tun. Studien zeigen aber, dass dieses Verhalten uns nicht nur wertvolle Zeit und Mühe kostet, sondern auch schädlich für unsere Gehirnleistung sein kann.
Was wäre, wenn wir jedes Mal, wenn wir einen Krümel auf dem Esstisch sehen, alles stehen und liegen lassen würden, um die Küche zu putzen? Oder wenn wir einen Fleck auf einem T-Shirt entdecken und daraufhin alles aufschieben, um dieses eine T-Shirt sofort zu waschen? Allein die Zeit, die Mühe und auch die Ressourcen, die wir dafür aufbringen müssten scheinen so aufwändig, dass wohl keiner von uns so irrational handelt. Wir sammeln Wäsche, um sie dann auf einmal zu waschen. Genau so wie wir gewisse Tage haben, an denen wir unsere Wohnung putzen.
Doch was uns im Alltag so logisch erscheint, ignorieren wir komplett, wenn es darum geht unsere Emails zu checken. Studien zeigen, dass wir im Schnitt eine Email spätestens 60 Minuten nachdem wir sie bekommen haben, beantworten. Die meisten von uns lassen alles stehen und liegen, um zu gucken was die neue rote Eins bei Facebook uns gebracht hat, die letzte Mitteilung bei Twitter, der neue Whatsapp-Chat – oder eben welche Emails in den letzten 10 Minuten angekommen sind. Dieses permanente, beinahe schon obsessive Nachschauen von Nachrichten hat fatale Folgen.
Multitasking ist ein Mythos
Das ständige Wechseln von einer Aufgabe zur anderen, das berühmte Multitasking, führt dazu, dass wir unseren Fokus und unsere Konzentration verlieren. Denn unser Gehirn ist so aufgebaut, dass es für jede neue Aufgabe eine Art Warmlaufzeit benötigt, um uns mit der neuen Situation vertraut zu machen. Eine Studie der University of California hat herausgefunden, dass wir im Schnitt 25 Minuten brauchen, um nach einer Ablenkung unseren vorigen Arbeitsprozess wieder aufzunehmen. Diese Zeit variiert, je nach Komplexität der Aufgabe. Wenn wir “nur mal kurz” auf unser Handy schauen oder “mal eben” die Emails checken, sind das vielleicht nur wenige Sekunden oder Minuten, die wir im Anschluss brauchen, um uns wieder auf unsere Arbeit zu konzentrieren. Doch Fakt ist: Diese Minuten häufen sich – und am Ende des Tages hat man so wertvolle Zeit vergeudet. Sicherlich, ab und zu kann eine Pause oder eine Abwechslung auch erfrischend sein oder uns neue Ideen geben. Wenn das Multitasking aber überhandnimmt, schadet es mehr als das es nutzt.
Denn es geht nicht nur um wertvolle Zeit, die uns dabei verloren geht, unser Gehirn leidet massiv unter Multitasking. Die Amerikanische Gesellschaft für Psychologie sagt sogar, dass unser Gehirn nicht für Multitasking geeignet ist. Die Tatsache, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf etwas Neues richten, beansprucht unser Gehirn sehr stark. Es muss sich umstellen, anpassen, neu fokussieren. Je mehr und je schneller wir von einer Aufgabe zur nächsten wechseln, also umso fragmentierter wir arbeiten, desto mehr beansprucht das unsere Gehirnleistung – und umso schlechter ist auch das Ergebnis der abgelieferten Arbeit. Einer britischen Studie zufolge, kostet uns das ständige Schielen auf unsere Emails bis zu 10 Punkte unseres IQs. Das entspricht in etwa einer durchgezechten Nacht.
Es ist anstrengender, seine Emails NICHT zu prüfen
Warum sind wir dennoch so versessen darauf, immer gleich unsere Emails zu checken, wenn eine neue Nachricht ankommt? Warum können wir es trotz allem nicht lassen, auf die neue Facebook-Benachrichtigung zu klicken?
Weil es einfach mehr Spaß macht, seine Nachrichten sofort anzugucken. Sobald wir das Piepen unseres Handys hören oder sehen, dass eine neue Email in unseren Posteingang geflattert kommt, macht uns das auch neugierig. Wir wollen sofort wissen, was es ist und wenn wir es direkt nachschauen, erleben wir ein Gefühl der sofortigen Befriedigung. Das Anschauen der neuen Nachrichten zu verschieben ist dagegen viel schwieriger. Es erfordert mehr Disziplin, einen stärkeren Willen und ist deshalb anstrengender.
Wir müssen uns vor unseren eigenen Emails schützen
Deshalb greifen viele Menschen zu Hilfsmitteln, um sich selbst davor zu schützen, ständig ihre Inbox zu prüfen. Einige schlagen vor, die Emails und Nachrichten erst nach dem Beenden einer Aufgabe anzuschauen oder sich Clusterzeiten im Tag einzuteilen, in denen man seine Emails prüft. Andere wiederum greifen zu trickreicher Technik, um sich selbst vor dem ständigen Blick auf ihren Posteingang zu schützen.
Eine ganz andere Methode schlägt wiederum Universitätsprofessor und Autor Frank Partnoy vor: alles erst mal aufschieben, solange es geht. In seinen Studien hat er herausgefunden, dass wir tatsächlich besser informierter Entscheidungen treffen und letztendlich erfolgreicher sind, wenn wir nicht immer alles im Moment entscheiden. Das gilt auch für das sofortige Beantworten von Emails und Nachrichten. Er schlägt vor, Emails, die nicht sofort beantwortet werden müssen, erst mal liegen zu lassen und erst dann zu beantworten, wenn es wirklich sein muss (und sich beispielsweise mit einer Kalenderfunktion daran erinnern zu lassen). Nach seiner Einschätzung kann man sich so selbst viel mehr freie Zeit schaffen und arbeitet letzten Endes effektiver.
Es ist also tatsächlich viel komplizierter, als man glaubt, sich selbst vor dem ständigen Email-Check zu bewahren. Das bewusste eigene Disziplinieren ist aber sinnvoll: Schließlich bewahre ich auch nicht zehn Packungen Schokolade im Schrank auf, wenn ich auf Diät bin.
Der Selbstversuch
Diese Studien haben mich neugierig gemacht. Sind wir tatsächlich produktiver, wenn wir unsere Emails nicht ständig angucken? Ist das überhaupt machbar, wenn man zum Beispiel, wie ich, über verschiedene Zeitzonen hinweg erreichbar sein muss? Ich war zunächst relativ skeptisch, dass wir so angeblich produktiver sind und wollte es genauer wissen. Also habe ich das Abstellen meiner Emails im Selbstversuch ausprobiert.
Mein erstes Ziel war, meine Emails nur alle drei Stunden zu checken. Ich habe aber schnell gemerkt, dass mir das unglaublich schwer fällt, wenn das Browserfenster zu meinen Emails geöffnet ist und ich direkt sehen kann, dass eine neue Email eintrudelt. Also habe ich alle Emailfenster, Facebook sowie Twitter geschlossen und mein Smartphone stumm geschaltet. Das Ergebnis: Anstatt ständig zwischen meiner Arbeit und meinen Nachrichten hin und her zu wechseln, habe ich tatsächlich meine Arbeit in einer Stunde ohne Unterbrechungen erledigt – etwas, wofür ich normalerweise bis zu drei Stunden brauche.
Der nächste Schritt war es, nicht nur nach Beenden einer Aufgabe die Emails zu checken, sondern dies tatsächlich auf drei Mal pro Tag zu reduzieren. Ich prüfe mittlerweile meine Emails einmal morgens, gegen 09:00 Uhr und beantworte hier alles Wichtige, was sich über Nacht angesammelt hat. Der zweite Check ist nachmittags gegen 14:00 Uhr. Hier schaue ich, was es tagsüber Neues gibt und widme dann auch Plattformen wie Facebook und Twitter mehr Zeit. Abends gegen 19:00 Uhr checke ich dann ein letztes Mal mein Postfach, also nach meinem Arbeitstag. Hier lese ich aber ganz bewusst nur Newsletter und Artikel und beantworte persönliche Emails.
Ich gestehe, ich habe das bisher nicht ganz konsequent durchhalten können. Hin und wieder ist die Versuchung, doch mal zu schauen, was es Neues gibt, einfach zu groß. Doch jedes Mal, wenn ich wieder in alte Verhaltensmuster zurückfalle, merke ich, wie sich mein Arbeitstag massiv in die Länge zieht. Das rare Prüfen meiner Emails hat mir auch bisher keine beruflichen Probleme beschert. Noch hat sich niemand beschwert, ich würde nicht schnell genug antworten oder reagieren und ich vermute auch, dass das bewusste Fokussieren auf Emails auch meine Antworten und das Abarbeiten der Emails selbst effizienter und produktiver macht.
Mein Fazit
Wir scheinen tatsächlich wertvolle Zeit und Gehirnleistung durch die ständige Ablenkung mit unseren Nachrichten zu verlieren. Welche Taktik letztendlich für den individuellen Arbeitstag am besten ist, muss man selbst ausprobieren. Wer beispielsweise permanent erreichbar sein muss, kann seine Emails sicherlich nicht nur ein Mal pro Tag checken. Aber auch 30-minütige Prüf-Pausen sind schon sehr effektiv. Meine Erfahrung zeigt, dass wir viel gezielter und zielstrebiger arbeiten, wenn wir einer Aufgabe unsere volle Aufmerksamkeit widmen.
Image (adapted) “Morning Coffee and Laptop” by nosha (CC BY-SA 2.0)
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Schlagwörter: Arbeit, Arbeitswandel, Arbeitswelt, email, Multitasking, Social Media, Work-Life-Balance, Workflow
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