In den USA gründen in der Medienkrise viele Journalisten eigene Unternehmen. Aus dieser Innovationsfreude und Risikobereitschaft sind spannende Projekte wie Vice oder Buzzfeed entstanden. In Deutschland fehlt es dagegen bisher noch am Mut für radikal neue Konzepte. Zwar gibt es mit Krautreporter und EDITION F erfolgreiche Gründungen, doch die meisten Innovationen kommen noch von oben, von den Verlagen und Medienhäusern. Einzelne Journalisten sind seltener bereit, vom Grund auf Neues zu starten – dabei wäre es gerade dafür an der Zeit.
Unternehmerisches Denken im Journalismus
Die meisten Journalisten sind Idealisten. Das gilt insbesondere für Berufseinsteiger – das Problem nur: Idealismus ist noch kein Garant für Erfolg. Experten sind sich einig: Es braucht zusätzlich mehr unternehmerisches Denken.
„Da es immer weniger Anstellungen für Journalisten gibt, sind Tätigkeiten als freier Journalist oder innerhalb eines kooperativen Arbeitsverbundes von Selbständigen eine typische Alternative.“, sagt etwa Jost Küpper, freiberuflicher Dozent für Journalistik an der Hochschule Macromedia. „Journalisten müssen in der Lage sein, unternehmerisch zu denken.“
Das gilt vor allem für Journalisten, die ein eigenes Projekt starten wollen. Oft sind die Ideen gut, die Umsetzung aber nicht. „Journalisten sind getragen von Idealismus und vernachlässigen oft das Finanzielle. Darin liegt der häufigste Fehler: Die Angebote sind zwar gut, können aber langfristig nicht unterhalten werden, da die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zu wenig durchdacht wurden“, sagt Dominique Strebel, Studienleiter an der Schweizer Journalistenschule MAZ.
Was ist also notwendig, um auf dem Markt mit dem eigenen Projekt Erfolg zu haben? „Ein ordentlicher Businessplan, eine erstklassige journalistische Ausbildung, Organisationstalent, souveränes Auftreten, betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Rücklagen für mindestens zwei Monate und eine gründliche Vorbereitung fürs Marketing“, sagt der freie Journalist Wolfgang Kiesel. Er hat zwei Bücher geschrieben, die sich mit Existenzgründung und freiem Arbeiten im Journalismus beschäftigen.
Julian Heck ist freier Journalist und Dozent mit den Schwerpunkten Medien und Startups. Für ihn gibt es kein Patentrezept für eine erfolgreiche Gründung – aber ein Mindestmaß an unternehmerischen Fähigkeiten sollte vorhanden sein, sagt er. „Die muss man als Journalist aber nicht alle selbst besitzen, weil sie auch ein anderes Teammitglied haben kann oder externe Experten hinzugezogen werden können.“
Unternehmerisches Denken gehört also dazu. Einige Ausbildungsangebote gehen auf die Entwicklung ein und bieten Fort- und Weiterbildungen in Sachen Unternehmertum – leider sind das noch nicht alle. „Viele Ausbildungsstätten haben so etwas wie Selbstvermarktung, Existenzgründung oder Buchhaltung in ihre Lehrpläne integriert. Allerdings ist das bisher noch oft ein Randthema“, sagt Heck.
Gute Beispiele: Krautreporter und EDITION F
In den USA scheint Gründen einfacher zu sein als in Deutschland. Das liegt für die Experten vor allem an der höheren Risikobereitschaft. Diese Mentalität sei hierzulande nicht so stark ausgeprägt, Medienmacher seien eher vorsichtig und verlassen sich auf bewährte Strukturen,sagt Michael Geffken, Direktor der Leipziger School of Media. „Deutsche Medienmacher können von Amerika lernen, dass Geschäftsmodelle jenseits des klassischen Modells nicht von vornherein verdammt werden sollten.“
Dozent Heck fordert zudem mehr Unterstützung für Gründer seitens Politik, Wirtschaft und Ausbildung. „In den USA wird viel mehr ausprobiert“, sagt er. Allerdings müsse man auch im Hinterkopf behalten, dass der englischsprachige Markt um ein Vielfaches größer sei.
Auch wenn Deutschland noch nicht die gründerfreundlichsten Perspektiven für Journalisten bietet, gibt es doch einige Fälle, die zeigen, dass es auch hier möglich ist. Krautreporter oder EDITION F zum Beispiel. Was haben die richtig gemacht?
„Krautreporter sucht den Kontakt zu den Lesern und Userinnen – von der Themenfindung über die Finanzierung bis zu Recherche und Feedback. Die Nutzer sind also Geldgeber, Informanten und Leser in einem“, sagt Strebel von der Journalistenschule MAZ. Diese Nähe zu den Mitgliedern biete großes Potential.
EditionF hingegen vereinbare so ziemlich alles, was ein erfolgreiches Journalisten-Startup ausmacht, sagt Dozent Heck. „EDITION F hat als Magazin für karrierebewusste Lifestyle-Frauen eine thematische Nische gefunden, es stecken sehr sympathische Gründerinnen dahinter, das Magazin ist im Netz sehr präsent, aber doch unaufdringlich, es besitzt mit Native Advertising, einer Jobbörse und einem Marktplatz ein solides finanzielles Konzept und EDTION F setzt ebenfalls auf eine starke, treue Community.“
Image (adapted) „Abstrakt“ by Meditations (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: EDITION F, Entrepreneurship, gründer, journalismus, Krautreporter, medienkrise
3 comments
“Ein ordentlicher Businessplan, eine erstklassige journalistische Ausbildung, Organisationstalent, souveränes Auftreten, betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Rücklagen für mindestens zwei Monate und eine gründliche Vorbereitung fürs Marketing” – EINSPRUCH! Das ist eben diese institutionalisierte, Regelwerk orientierte, unfreie deutsche Vorgehensweise, von der man glaubt, das sie das Erfolgsgeheimrezept sei. Es gibt viele Freiberufler die nicht an einer Nannten-Schule waren und herausragende Texte produzieren. Viele Künstler und Autoren gehen genau aus den zitierten Zeilen ins Ausland – weil man dort den Quereinstieg schätzt, die Fähigkeit sich Skills selbst anzueignen, über den indoktrinierten Tellerrand hinauszuschauen. Energie nicht in Ellenbogenkämpfe in großen Redaktionen zu beugen, sondern Ideen eigenständig zu produzieren. Mut versteckt sich nicht in zwei Monaten Rücklagen und Kreativität nicht in einer erstklassigen journalistischen Ausbildung um die sich jedes Jahre Tausende schlagen. Falsche Ideale.
Liebe Frau Landgraf,
die Transformation im Printmedienbereich geht schnell…
ich habe dazu als Verleger reagiert und die erste Wirtschaftszeitung mit „freien Inhalten“ an den Start gebracht..als Trägermedium haben wir uns das Handelsblatt ausgesucht… Leider haben meiner Meinung nach viele Journalisten zu viel Angst vor der „Creative Commons“…
das verhindert Denken und Denkansätze bei jenen, um neue Geschäftsmodelle zu generieren…
Warum informiert der DJV seine Mitglieder nicht darüber!
Nicht einmal auf den Webseiten des DJV und anderen Verbänden wird über das Thema Freie Inhalte gesprochen…
weil dort nicht verstanden wird welche Möglichkeiten sich ergeben…für die schreibende Zunft….?
Aber wahrscheinlich werden die Kollegen zusehen wie die Bundesregierung im nächsten Jahr alle Lerninhalte unter OER stellen wird oder wie die Bundesregierung mit govdata.de agiert… und sogar eine eigene Textlizenz geschaffen hat, aber das interessiert die Zunft wohl nicht..
Die schreiben alle noch….(ab) und zu.
herzlichst
Ihr
Bernhard Haselbauer