Auf dem Electric Book Fair fanden letzten Samstag mehr als zwanzig einzelne Veranstaltungen statt. Bis zu 300 Teilnehmer sprachen über die digitale Zukunft des Buches. // von Lars Sobiraj
Obwohl der Electric Book Fair außerhalb der eigenen Blase vergleichsweise wenig Beachtung fand, folgten der Einladung rund 300 Personen. Neben zahlreichen Laien und einigen Selfpublishern wurden dennoch einzelne Branchenvertreter größerer Verlage gesichtet. Der Grund für die mangelnde Beteiligung der Verlage ist schnell erklärt: E-Books führen hierzulande noch immer ein Nischendasein.
Warum ist das wichtig? Trotz guter Kontakte zur Buchmesse gab es für rein digitale Verlage bislang keine passende Veranstaltung. Das sollte sich am 21.6. mit einem Schlag ändern.
- Wahrscheinlich war es die erste E-Book Konferenz auf europäischem Boden.
- Rund 300 Personen aus ganz Deutschland kamen in den Berliner Supermarkt.
- Zur Eröffnung sprach via Hangout der New Yorker Richard Nash von der Story-Plattform Byliner.
Die Unternehmensberatungsgesellschaft pwc schätzt für 2015 den Umsatz elektronischer Bücher im Bereich Belletristik auf über 350 Millionen Euro. Das würde trotz aller Euphorie nicht mehr als einem Marktanteil von 6,3 Prozent entsprechen. Zwar bleibt nach Ansicht der Marktforscher das Lesen für uns Deutschen weiterhin eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Doch E-Books sind für die Verlage erst ab dem Punkt lukrativ, wenn sie irgendwann im Massenmarkt angekommen sind. Ralf Müller, Geschäftsführer von Droemer Knaur glaubt, wenn er nach weiteren 19 Berufsjahren in den Ruhestand geht, würden noch immer mehr gedruckte Bücher verkauft werden als elektronische. Business as usual? Es bleibt abzuwarten, ob sich seine Prophezeiung bewahrheiten wird.
ebf#14: experimentierfreudig, in alle Richtungen offen
In Berlin waren letzte Woche zumindest keine Anzeichen von Ernüchterung spürbar, im Gegenteil. Krimiautorin Zoë Beck wies in ihrem Tweet begeistert auf die allgegenwärtige Aufbruchsstimmung auf der #ebf14 hin. Tatsächlich gab es am Samstag jede Menge Neues, viel Unbekanntes und auch Ungewisses zu sehen und hören. Dabei war es für Außenstehende nicht immer klar, worum es überhaupt bei dieser Messe beziehungsweise Konferenz gehen sollte. Die Nähe der Veranstalter zu Startups und die Freude an Experimenten war hingegen unübersehbar. Doch an wen wendete sich die Electric Book Fair? Alleine am relativ akademisch anmutenden Programm war dies nicht abzulesen. Ging es primär um die Leser von E-Books? Oder richtete man sich an Schriftsteller, Programmierer, Unternehmer, Selfpublisher, Berater oder vielleicht sogar ein bisschen an die Fans mancher Aktionskünstler? Ein wenig war die Veranstaltung wie die evangelische Kirche: offen für alles und jedermann.
Haptisch ist nicht gleich digital
Die Veranstalter Christiane Frohmann, Andrea Nienhaus, Nikola Richter und Fabian Thomas beschäftigen sich alle beruflich auf die eine oder andere Weise mit Literatur. Wahrscheinlich wussten sie auch, dass die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung nicht so einfach ausfällt. Wenn auf einer Buchmesse neue Bücher in den Regalen und Schriftsteller in Lesungen vorgestellt werden, was stellt man auf der wohl europaweit ersten E-Book-Messe aus? Für jeden einzelnen Titel einen eigenen Reader bereitzustellen, hätte wenig Sinn gemacht. Das man digitales Publishing nicht passgenau auf die gegenständliche Welt umsetzen kann, ist offensichtlich. Doch die Auseinandersetzung mit Widersprüchen war für die Veranstalter kein Problem. Es war offenbar sogar ein Teil des Veranstaltungskonzepts.
Autorin Kathrin Passig versuchte im Rahmen eines Google-Dokuments alles festzuhalten, was sie am 21.6. erfassen konnte. Nichts zu verpassen war de facto unmöglich. Dafür hätte sie von 10 bis 20:30 Uhr zeitgleich zwei Sessions zuhören müssen. Im „elektrisierten“ Supermarkt gab es von früh bis spät Vorträge, Live-Schaltungen, Lesungen, Battles, Performances und Diskussionsveranstaltungen. Die Themen waren so unterschiedlich wie die Geschmäcker der Besucher und die Anforderungen an ein solches Event.
Räumliche Aufteilung mit Vor- und Nachteilen
Während die größeren Veranstaltungen hinten aufgrund der guten Beschallung keine Probleme hatten, war die Verständlichkeit mancher Runden im Eingangsbereich behindert. Diese Anordnung hatte aber den Vorteil, dass man als Zuhörer leicht zwischen den beiden Veranstaltungen wechseln konnte. Oben auf dem Podium waren oftmals kompetente Redner oder Branchenvertreter vertreten, die Teilnehmer waren aber im Durchschnitt nicht minder kompetent. Diesem Umstand sollte man nächstes Jahr mehr Rechnung tragen. Vielleicht setzt man sich ähnlich wie bei der all2gethernow in einen Kreis, wo es keinen spürbaren Unterschied mehr zwischen Gästen und Referenten gibt.
Fazit
Das Experiment mit Namen Electric Book Fair ist trotz mancher Kritikpunkte gelungen. Die rein digitalen Verlage und Selbstverleger haben endlich einen eigenen Platz für ihre Werke und Fans gefunden, nachdem in den letzten Jahren trotz des Wohlwollens der Veranstalter eine Integration in die Frankfurter Buchmesse gescheitert war. Berlin wurde nicht als Standort ausgewählt, weil es hipp ist. Christiane Frohmann erklärte nüchtern, die Wahl fiel auf die Bundeshauptstadt, weil die vier Veranstalter dort leben und arbeiten. Die Förderung vom Berliner Senat (Literaturprojekte) und der Bundeszentrale für politische Bildung spielte dabei sicher auch eine Rolle. In Berlin sind neben einer großen Gründerszene auch vergleichsweise viele rein digitale Verlage angesiedelt, was eine solche Konferenz erleichtert hat. Doch das Publikum kam nicht nur von dort, sondern aus allen Ecken der Bundesrepublik. Nach der Messe ist vor der Messe. Man wird sehen, wie sich der Markt und diese Veranstaltung in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Teaser & Image by Sebastian Mayer
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Schlagwörter: E-Book, Electric Book Fair 2014, EVENT, Messe, zukunft