Wissen Sie noch, wie es war, als Bots voll angesagt waren? Vor laaaaaanger Zeit (genauer: im April) kündigte Facebook an, dass man beginnen würde, Bots in seiner Messenger Chat-App zu unterstützen, und CNN, das Wall Street Journal und andere Verleger – ebenso wie zahlreiche Einzelhändler und andere Marken – starteten Bots auf der Plattform.
Obwohl CNN sagte, dass die User im Schnitt zwei Minuten mit ihrem Bot verbringen, scheint es, dass die Reaktion auf die Bots verhalten ausfiel, da sich Nutzer über Fehlfunktionen, lange Reaktionszeiten und übermäßig viele Benachrichtigungen beschwerten.
Als aus dem Frühling schließlich Sommer wurde, schien sich die Aufmerksamkeit der Verleger in Richtung Facebook Live und anderer, schickerer Plattformen zu verlagern. Und doch hat das das Unternehmen nicht davon abgehalten, ihre Arbeit an Messenger-Bots fortzuführen. Facebook sagt, dass es aktuell mehr als 11.000 davon im Messenger gibt. Vor wenigen Tagen hat die Washington Post ihren eigenen Bot veröffentlicht. Die Zeitung sagt weiter, dass sie Pläne hat, den Bot auf andere Plattformen auszuweiten, darunter SMS, Slack und Alexa, der Assistent von Amazon. Die Washington Post plant, schließlich auf “jeder Bot-fähigen Plattform” vertreten zu sein, sagte Joey Marburger, der Produktleiter der Washington Post. Das Ziel ist, die Bot-Erfahrung auf allen Plattformen ähnlich zu gestalten.
Während andere Medienoutlets darauf drängten, von Beginn an Bots in den Messenger zu bringen, hat sich die Washington Post dazu entschieden, sich zurückzuhalten und zu untersuchen, wie die User auf die Bots reagieren, die Verleger und Nicht-Verleger herausbringen. Eine Erkenntnis: User und Washington Post-Redakteure mögen die zugespammten und nicht-responsiven Benachrichtigungen nicht, die die meisten Bots bieten. Als Konsequenz daraus entschied die Zeitung, die erste Version des Bots vollständig responsiv zu gestalten, was bedeutet, dass der Bot Ihnen nichts schickt, solange Sie nicht darum bitten.
WSJ FB messenger bot is so annoying I turned it off. Chat bots are the worst.
— Ian Kar (@iankar_) 15. April 2016
“Wir haben darüber eine Weile nachgedacht”, sagte Marburger. “Wir wissen, dass wir sie bauen können — wir wissen, dass wir die Feeds und die APIs haben, sie zu betreiben. Aber wie soll die tatsächliche Erfahrung aussehen? Wie sieht ein Ansatz aus, den wir auch im Nachhinein nochnutzen können, um zu lernen, wie Leser mit dem Bot in einer Chat-Umgebung interagieren?”
“Bots sind nicht neu, aber sie zu nutzen, um Nachrichten und Informationen zu bekommen und Dinge zu kaufen, das ist offensichtlich neu,” fuhr er fort. “Sie müssen das Erlebnis hinbekommen. Lasst uns das nicht von vornherein vermasseln und sie mit Schlagzeilen vollspammen. Lasst uns all diese Unterhaltungserfahrungen als einen ersten Zwischenstopp betrachten. Lasst uns mit der Zeit wachsen.”
Die Nutzer können den Post-Bot nach den beliebtesten Artikeln oder nach der Berichterstattung zu bestimmten Themen fragen. Wenn die Nutzer ihre Postleitzahl eingeben, wird ihnen der Bot auch auf ihren Ort zugeschnittene Ergebnisse von landesweiten oder lokalen Wahlen senden. In wenigen Wochen wird der Bot die Berichterstattung der Post von den olympischen Sommerspielen beinhalten.
Die Washington Post plant, irgendwann auch Benachrichtigungen hinzuzufügen. Dies geschieht jedoch nur, wenn die Nutzer sie anfordern, sagte Marburger. So könnten Nutzer beispielsweise den Bot bitten, ihnen jeden Morgen zu der Zeit, zu der sie aufwachen, die Top-Nachrichten zu schicken. Sie plant auch, mehr Informationen wie etwa grundlegende Wetterdaten, Sportergebnisse und -statistiken und ein Nachrichtenquiz hinzuzufügen. (Die Washington Post hat im letzten Jahr mit einem Bot für ein Nachrichtenquiz auf Kik experimentiert.)
Und während sie weiterhin die Bots auf verschiedenen Plattformen ausbaut, will die Washington Post sicherstellen, dass die Erfahrung interaktiv ist und nicht auf “starren, roboterhaften Kommandos” basiert. Marburger sagte aber auch, dass der Bot reibungslos funktionieren muss, damit die User ihn tatsächlich interaktiv nutzen. Im Idealfall wird der Bot so einfach zu nutzen sein wie Google. Die Nutzer sollten nicht darüber nachdenken müssen, was die beste Art ist, Berichte oder Informationen anzufordern.
Die Washington Post wollte auch, dass der Bot interaktiv ist, weil er so auf Alexa-fähigen, also sprachgesteuerten Geräten wie dem Amazon Echo einfacher zu nutzen sein wird. (Wenig überraschend: Amazon-Gründer und -Geschäftsführer Jeff Bezos ist derjenige, dem die Washington Post gehört.)
“Wenn Sie die Leute dazu bringen, offenere Fragen zu stellen, fangen Sie an, sich in eine Unterhaltung hineinzutasten”, sagte er. “Sobald Sie das tun, reagieren die Leute vielleicht auf Dinge, sie stellen möglicherweise kompliziertere Fragen, und darauf wollen wir wirklich hinarbeiten, damit es sich nicht so anfühlt, als müssten Sie eine Unmenge an Befehlen auswendig lernen.” Die aktuelle Version des Post-Bots kann jedoch noch nicht auf diesem Level arbeiten.
So fragte ich den Bot beispielsweise nach Berichten über Pokémon Go — doch er spuckte mir nur Artikel über Evan Bayhs Antrag im Senat von Indiana aus und einen Kommentar einer Mutter, die wissen wollte, warum sie die Bildschirmzeit ihrer Kinder nicht begrenzt. Außerdem fand er einen Text aus dem April, der Aprilscherze auflistete, einen Bericht über eine Entführung in Washington, D.C. und eine Rezension der Fernsehshow X-Factor.
Marburger zeigte Verständnis für Problem und sagte, diese Schwierigkeiten mit der Sprachverarbeitung seien das Hauptproblem, das die Washington Post jetzt, da sie den Bot auf den Markt bringt, zu lösen versucht.
“Der offene Suchspeicher, den er aufbaut, ist im Moment der größte Bug,” sagt Marburger. “Diese zu bauen, das ist der schwere Teil – also die Verarbeitung natürlicher Sprache und in der Lage zu sein, identifizierbare Wörter herauszupicken, die dann auf die korrekten Ergebnisse eingehen. Im Moment erhalten wir ein paar willkürliche Ergebnisse, aber wir arbeiten gerade daran, das zu verbessern. Das war von vornherein ein ausbaubares Feature, auf das wir nicht vollständig gebaut haben. Wir können es aber verbessern, während die Leute anfangen, es zu benutzen, also wollten wir es herausbringen und sehen, was wir daraus lernen können.”
Während viele Medienoutlets ihre Bots von externen Unternehmen erstellen ließen, wurde der der Washington Post intern entwickelt. Marburger sagte, es habe zwei Ingenieure gegeben, die an separaten Bots gearbeitet haben. Einer hat sich um den Schlagzeilen-Bot gekümmert, der andere um den Wahlergebnisse-Bot. Beide kamen schlussendlich zusammen und konnten ihre Arbeit zu einem einzigen Bot kombinieren. Der Prozess dauerte etwa zwei Wochen, doch der Start wurde wegen Urlauben und dem Feiertag am 4. Juli verschoben.
Die Washington Post plant, den nächsten Bot für SMS zu starten. Der Release ist für diesen Herbst vorgesehen. Marburger sagte, ein SMS-Release dauere länger, weil “es viele rechtliche Aspekte gibt, die interessant sind und um die man sich bei Chat-Apps keine Sorgen machen muss.“ Nach den SMS steht Slack als nächstes auf dem Bot-Plan der Zeitung.
Marburger sagte, dass sich die Washington Post dazu entschieden hat, sich zunächst auf diese drei Plattformen zu konzentrieren, weil jede ihre eigenen Launen und Besonderheiten hat, deren Bewältigung nützlich sein wird, bevor man zu anderen Diensten übergeht. “Wir versuchen, einige klare Unterscheidungsmerkmale zu haben. Messenger unterscheidet sich sehr von SMS, was sich sehr von Slack unterscheidet“, sagte er. “Das sind drei unterschiedliche Erfahrungspunkte. Wir denken, wir können von all diesen drei Bereichen eine Menge lernen, bevor wir die Lücken dazwischen mit anderen Nachrichtenplattformen ausfüllen.”
Dieser Artikel erschien zuerst auf „Nieman Journalism Lab“ unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image „Man“ by geralt (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: Bots, cnn, facebook, messenger, Pokémon Go, SMS, Washington Post