Es ist wunderbar. Die Sonne lacht sonntags. Dorffeste rauschen im Affenzahn an einem vorbei. Tanzen, Trinken, schräge Instrumente spielen auf schwankenden Musikern und das Land ist in Weltmeisterlaune. Olympia. EM. All das ist Schmuck am Nachthemd, wenn man draußen lustwandelt. Wer wollte da noch quantifizieren. Etwa sein Selbst oder gar andere Selbste. Aber ein kleines Häuflein Elend ist auch jetzt noch imstande, das Thema Soziale Netzwerke ernst zu nehmen…
Und so erschien neulich mal wieder ein Artikel bei Mashable, der Google+ im Vergleich zu Facebook und Twitter als Geisterstadt bezeichnete. Und weil man ja noch aus der Gutenberg-Galaxis auf das Web schaut, hat man die Reichweite als Existenzberechtigungsnachweis. Das ist sowas Ähnliches wie der Nachweis von Gedanken, Gefühlen und anderem Synapsengehopse in MRT/PET-Bildchen der Hirntätigkeit. Faktizität geht eben nur über Zahlen. Leider hatte man, als die Mathematik die Aufgabe der Wahrheitsbegründung übernahm, den Bock zum Gärtner gemacht. Denn die mathematische Gesetze sind alle formal eindeutig und wahr. Aber sie sind ihrerseits nicht begründbar, sondern widerspruchsfrei. Dasselbe gilt auch für die Zahlen bei Sozialen Netzwerken.
Wer kann schon widerspruchsfrei begründen, warum er oder sie Leuten beim Leben über die Schulter schauend, lieber bei Facebook oder bei Google+ landet. Relevanz? Das eigentliche Problem, oder präziser die eigentliche Chance beim sinnvollen Betrachten onlinebasierter Sozialer Netzwerke ist die Intersubjektivität. Es geht darum, eher gleichartige Bewusstseinsleistungen und Sinnkonstitutionen zu finden. Was bei den professionellen Nachplapperern in der Medien- und Bloggerwelt noch als Filterblase wenig sinnstiftend tausende Male wiederholt wurde, ist Grundlage aller Intersubjektivität. Relevanz kommt nach Alfred Schütz im sozialen Raum vor allem dann zum Tragen, wenn die erlernten und selbst erworbenen Typisierungen von Menschen in der Umwelt scheitern.
Ob Google+ oder Facebook Relevanz erzeugen ist demnach sinnvollerweise dann der Fall, wenn ich dort eine Art Wir-Erleben habe. Folge ich wahllos irgendwelchen bekannten Web-Gurus oder einfach Leuten, denen Bekannte von mir folgen, dann bin ich entweder ständig mit Auslegungs- und Interpretationshandlungen überfordert oder lese lauter Dinge, die redundant oder überflüssig sind und keinen Sinn konstituieren. In beiden Fällen stellt sich keine Intersubjektivität ein. Auch wenn der Leser eine motivationale Relevanz aufbaut und im Lesen der Inhalte ein Umzug erleben kann, dann erschafft er einen Handlungszusammenhang. Entertainment ist der Lesen in Sozialen Netzwerken eher selten. Es sei denn jemand postet schlicht Unpersönliches wie Witze, Bonmots und lustige Bilder. Dann kann jedoch – anders als in den klassischen Medienkanälen – ein Soziales Netzwerk oder Soziale Medien den Rahmen für eigene Stellungnahmen geben (seinen Senf abgeben). Auf diese Weise versucht der Nutzer Anschluß zu finden und hofft auf andere Kommentare. Er bindet sich aktiv ein und findet seinerseits Gehör – oder eben nicht. Auch dann mißlingt das Wir-Gefühl. Die Plattform ist dabei unwichtig. Es sei denn, man ist ein Medien/IT/Web-Profi, dann findet man auf Google+ einfach mehr Gleichgesinnte. Und so werden Themen, die diese Gruppen interessieren dort mehr Echo finden, so wie Musikthemen früher auf MySpace eher Gehör gefunden haben. Es ist halt alles ein Frage des Geschmacks, oder besser: der Vorbildung und des Vorwissens.
Foto: hotblack
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