Frauen sind Mangelware in technischen Berufen. Nach Erkenntnissen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegt der Anteil von Frauen häufig unter zehn Prozent, in Führungspositionen sogar noch darunter. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Frauen in digitalen Berufen gibt. Ganz im Gegenteil. In bestimmten Bereichen wie PR, Social Media, Medien, Design und IT-Projektmanagement arbeiten sogar überwiegend Frauen.
So ergibt sich eine Diskrepanz: Frauen zieht es zwar in die digitale Berufswelt, sie sind aber nicht sichtbar. Das fiel auch Carolin Neumann im Jahr 2010 auf der NEXT Conference auf: „Es können höchstens zwanzig Prozent der über 1000 Gäste Frauen gewesen sein, der Rest war männlich – und mit überwiegend Anzugträgern auch etwas zu förmlich für einen Haufen professioneller Geeks, aber das nur am Rande“, schrieb Neumann als Fazit auf ihrem Blog. Schlimmer fand sie dabei nur, dass auch bei den Speakern die große Mehrheit männlich war. Ihrem Unmut darüber machte sie auch auf Twitter Luft – und erntete damit viel Zustimmung.
Junge Frauen lassen sich den Sexismus in der Tech-Branche nicht mehr bieten
Ab hier war Neumann klar: Frauen dürfen sich nicht nur darüber aufregen, dass sie in der digitalen Branche untergehen, sie müssen aktiv etwas dagegen tun. Gemeinsam mit sieben anderen Gleichgesinnten gründete sie Digital Media Women – ein Netzwerk, das sich für die Sichtbarkeit von Frauen in digitalen Medien stark macht.
„In der Anfangszeit war DMW noch eher ein Stammtisch in Hamburg. Es wurde aber schnell klar: Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, müssen wir mehr werden“, erinnert sich Maren Martschenko, 1. Vorsitzende der DMW im Interview mit den Netzpiloten. So ging das Netzwerk 2012 auf Expansionskurs und ist mittlerweile in sechs deutschen Regionen von Hamburg bis München und vom Rhein-Main-Gebiet bis Leipzig sowie natürlich im Internet aktiv. Über 8000 Mitglieder hat die Facebook-Community derzeit, Tendenz stark steigend.
Zwei Mitglieder dieser Community sind Sandra Hofmann und Katharina Gleß. Die beiden Leipzigerinnen haben ein Atelier für Gestaltung und Kommunikation im Bereich Corporate Publishing, Print, Typografie und Webdesign – Effektrausch – gegründet. Daneben haben sie im Januar 2015 auch das Onlinemagazin Viertelrausch herausgebracht, in dem sie Leipziger Bürger interviewen. Sie glauben, dass gerade junge Frauen wie sie von speziellen Netzwerken für Frauen in der digitalen Branche profitieren können: „Wir brauchen mehr weibliche Führungskräfte und mehr Sichtbarkeit der großartigen Frauen in der Tech- oder in unserem Fall Kreativbranche, um den typischen Vorurteilen gegen Frauen in der Branche etwas entgegenhalten zu können. Wir sind überzeugt, dass immer mehr junge Frauen diese Vorurteile zu spüren bekommen, unsere Generation das aber gleichzeitig nicht mehr hinnimmt und Lust hat, daran etwas zu ändern.“
Deswegen ist Sandra Hofmann schon seit mehreren Jahren bei den DMW aktiv und hat sich dafür eingesetzt, auch ein Quartier für digital engagierte Frauen in Leipzig zu gründen. Denn gerade Hofmann hat den Sexismus in der Tech-Branche schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. So erinnert sie sich zum Beispiel an eine Aktion, bei der ihr damaliges Unternehmen ein Zeichen gegen Prostatakrebs setzen wollte.
Während die Männer in der Firma sich für die Aktion einen Schnurrbart wachsen ließen, fiel einem Mitarbeiter in der Chefetage ein, dass auch die Frauen sich auf ihre Art beteiligen könnten: „Ein Mitarbeiter der Chefetage verschickte dann über die komplette Mailinglist des Unternehmens ein Video mit pornografischem Inhalt mit (sinngemäß) den Worten: Wenn unsere Mitarbeiterinnen ihren Kollegen etwas Gutes tun und sie unterstützen möchten“, erzählt Hofmann im Netzpiloten-Gespräch.
Genau in solchen Fällen zeigt sich die Stärke von Frauennetzwerken wie den Digital Media Women. Hofmann fand innerhalb der Community Rat und auch den Mut, sich von solchen Arbeitgebern zu trennen und schließlich ihr eigenes Unternehmen zu starten.
Die digitale Transformation ist die beste Chance, die wir haben
Dabei geht es den Frauen im Netzwerk aber keinesfalls darum, Männer auszuschließen. Der Verein hat auch männliche Mitglieder. Die Vorsitzende Martschenko betont auch, dass Männer bei den DMW willkommen sind: „Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir auch die Männer mit an Bord haben. Denn die sitzen nun mal immer noch an den entscheidenden Stellen. Wenn wir also etwas bewegen möchten, schaffen wir Frauen das nicht alleine. Es muss insgesamt – also bei Männern und Frauen – ein Umdenken stattfinden.“
Damit sind die Digital Media Women längst nicht mehr alleine. Auch andere kämpfen dafür, dass Frauen in der Tech- und Digitalbranche nicht nur sichtbarer, sondern auch als Kompetenz anerkannt werden. So thematisiert etwa die Plattform Womenize das Thema Gender Diversity in diesen Bereichen und organisiert Events, um Führungskräften und Unternehmen zu zeigen, dass es auch viele qualifizierte Frauen in der Branche gibt.
Machen statt Kritisieren scheint das Motto dieser Communitys zu sein. Denn es hilft natürlich nichts, wenn Frauen nur meckern, dass niemand sie einstellt, wenn sie sich nicht öffentlich präsentieren und den Personalabteilungen zeigen, dass auch sie etwas zum digitalen Wandel beizutragen haben.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass diese Frauennetzwerke so stark auf den digitalen Bereich fokussiert sind. Als relativ neue und vor allem auch junge Branche sind hier die Chancen am besten, von Anfang an neue Standards in Sachen Gender Diversity zu setzen: „Die digitale Transformation ist die beste Chance, die wir haben“, sagt Maren Martchenko, „weil hier kein Stein auf dem anderen bleibt. Die Branche braucht neues Denken und neue Kompetenzen wie Vernetzung, kreatives Denken oder Kommunikationsfähgikeit. All das können Frauen mitbringen“.
In diese Kerbe schlägt auch das Wirtschaftsmagazin Plan W der Süddeutschen Zeitung. Plan W wurde gerade beim Ernst-Schneider-Preis 2016 als Innovation des Jahres ausgezeichnet. Susanne Klingner ist Mitgründerin und Redaktionsleiterin des Magazins. Für sie war von Anfang an wichtig, dass Plan W kein Karrieremagazin für Frauen sein sollte – also ein Magazin, in dem Frauen erzählen, wie sie innerhalb der aktuellen Arbeitswelt Karriere machen können. Auf ihrem Blog schreibt sie dazu: „Ein Wirtschaftsmagazin kann da so viele Fragen mehr stellen: Funktioniert diese Arbeitswelt überhaupt noch? Wie kann eine Wirtschaft aussehen, die möglichst vielen Menschen gerecht wird? Wie verändern Frauen diese Wirtschaft?“
Die Erfolgsgeschichten schreiben die Frauen selbst
Erste Antworten darauf liefern vor allem die Frauen selbst. Digitale Netwerke wie die DMW oder Womenize helfen ihnen dabei, selbstbewusster zu werden, Kontakte aufzubauen und selbst als Macherinnen aktiv zu werden. Eine solche Macherin ist auch Sandra Roggow, Gründerin von Kitchennerds.
Nach langen Jahren in einer Festanstellung fand sie unter anderem durch das Netzwerk der DMW den Mut, sich selbständig zu machen. Auf ihrer Webseite vermittelt sie Köche für romantische Dinner, Firmenevents, Kindergeburtstage und Kochkurse. Gerade für ihre lokale Arbeit mit Köchen in Hamburg und Berlin findet sie Netzwerke für Frauen in der Digitalbranche sehr hilfreich: „Wenn man zum Beispiel plant, mit seinem Projekt in eine weitere oder andere Stadt zu gehen, ist eine solche Community ein absoluter Mehrwert, weil man so schon ein kleines tolles Netzwerk vor Ort hat, auf dem man geschäftlich aufbauen kann.“
Die Vernetzung von Frauen in der digitalen Branche zeigt also bereits erste Erfolge. Das gilt nicht nur im Kleinen bei Frauen wie Sandra Roggow, Sandra Hofmann und Katharina Gleß, sondern auch im Großen. So waren bei der größten Bloggerkonferenz Europas, re:publica, bei ihrem Event in Deutschland in diesem Jahr erstmals 50 Prozent der Speaker Frauen.
Image „laptop“ by moleshko (CC0 Public Domain)
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