Fünf weitere Dinge, die ich an Lokalzeitungen nie verstehen werde

Der Lokaljournalismus in Deutschland scheint seine eigenen Gesetze zu haben, doch nicht alle sind verständlich. Es gibt gute Nachrichten: ich bin diesen Sommer schon wieder quer durch Deutschland gefahren und nicht etwa mit leeren Händen zurück nach Berlin gekehrt, sondern mit fünf weitere Dingen im Gepäck, die ich an Lokalzeitungen nie verstehen werden.

1. Die Begeisterung für Stadtfeste

Ja, dies ist kein gutes Beispiel. Weil es sich hier nicht um einen Artikel, sondern um eine “entgeltliche Einschaltung gem §26 MG” handelt – so scheint man es in Österreich kennzeichnen zu müssen, wenn man sich bezahltes Material ins Blatt holt (Sie sehen ein Beispiel aus den Salzburger Nachrichten). Aber so konnte ich sowohl die lustige Umschreibung für “Anzeige” unterbringen als auch andeuten, dass ich die ausführliche Beschreibung von Schwenkgrills im Arbeitseinsatz nur so mittelspannend finde. Wer ein Bullshit-Bingo anlegen mag: “kulinarisch”, “traditionell”, “Bieranstich”, “abwechslungsreich” und “krönender Abschluss” sollten dabei sein.


2. Die Themen

Ganz recht, man macht es sich ziemlich einfach, wenn man als Berliner nach Eisenach fährt und sich dort darüber aufregt, dass die wichtigste Nachricht des Tages an einem Kreisverkehr zu verorten sein soll. Zumal, wenn wir gerade Mitte Juli schreiben und das Sommerloch die Größe des Berliner Haushaltsdefizits erreicht hat. Dennoch komme ich nicht umhin, mich zu wundern – natürlich ausschließlich darüber, woher die Eisenacher Kollegen wissen, wie groß genau ein lebender Zwerg ist.


3. Wir machen jetzt auch was mit Internet (1)

Im schönen Thüringen hat man verstanden: Dieses Internet, das ist wichtig. Sogar so wichtig, dass man ihm einen Platz in der kostbaren Printausgabe einräumt. Schließlich sollen deren Leser zumindest den Eindruck bekommen, sie bekämen mit, was die Menschen mit Zugang zu diesem weltweiten Netz umtreibt. Nämlich: Mord und Totschlag. So suggeriert es zumindest die hier gewählte Form des täglichen Abdrucks der wohl traurigsten Statistik, die jede Nachrichtenseite zu bieten hat: die der meistgelesenen Artikel. Auf der niemals die fundierte Analyse der kommunalen Finanzlage ganz oben rangiert, sondern immer nur verunglückte Porschefahrer. Eine schönere Bestätigung kann man Print-Freunden und Internet-Feinden wohl nicht liefern. (Oh, wait! Sollte das etwa der Plan…?!) 


4. Wir machen jetzt auch was mit Internet (2)

Derjenige, der in seiner Freizeit gerne Facebook-Kommentar-Stränge aufgrund ihrer fundierten Argumente, spannenden Themen und ausgewogenen Debattenkultur liest, hebe nun bitte kurz die Hand. Ähm, ja: für Sie da ganz hinten druckt die Thüringer Allgemeine die spannendsten Kommentare von ihrer Facebookseite täglich ins Blatt. Eine durchweg lohnenswerte Angelegenheit, wie man sieht, bei dem Regen! 


5. Die Lokalspitze

An dieser Lokalspitze fehlt das eigentlich Wichtigste, nämlich der Kopf. Aber ich wollte den Lokal-Kollegen, der diese interessante Abhandlung über das Schmelzverhalten von Süßwaren in geschlossenen Autos im Monat Juli verfasst hat, nicht so explizit in die Pfanne hauen. Schließlich kann er auch nichts dafür, dass die Lokalzeitungen besessen davon sind, ihre Mitarbeiter Präsenz zeigen zu lassen – und zwar jeden Tag, auf jeder Seite des Lokalteils, mit einer lustigen Begebenheit, die einem nur ärgerlicherweise als Mitarbeiter eines Lokalteils nicht jeden Tag über den Weg läuft. So werden täglich deutschlandweit viele tausend Zeilen mit Berichten über die Krankheiten von Haustieren, Probleme mein Bügeln sowie die Parkplatzsuche gefüllt.

Wer noch nicht wusste, dass man bei Regen besser die Fenster schließt, interessiert sich vielleicht auch für geschmolzene Gummibärchen: Das hat der Lokaljournalismus wirklich nicht verdient. 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Juliane Wiedemeier.


 Image (adapted) „Reading the newspaper“ by James Cridland (CC BY 2.0)


ist freie Journalistin in Berlin und hat 2010 die Prenzlauer Berg Nachrichten mitgegründet. Dort ist sie für die Ressorts Politik und Alltag verantwortlich und schreibt darüber hinaus über Berlin im Speziellen, Städte im Allgemeinen und Medien unter anderem für das Goethe-Institut und die Medienkolumne Altpapier. Davor hat sie in Berlin an der Freien Universität Publizistik und an der Humboldt-Universität Geographie studiert und war Volontärin der Journalistenschule Ruhr bei der Braunschweiger Zeitung. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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1 comment

  1. Ach, was sind wir wieder so cool. Klar sind Stadtfeste, kleine Glossen und anderes, was man auch unter dem Modebegriff „hyperlokal“ (was übrigens anderswo als schwer angesagt gilt) nicht das Wichtigste der Welt. Aber die Lokalzeitung ist eben dies: eine LOKALzeitung. Für alles andere gibt’s das Internet usw. Man kann auch beides goutieren. Wo ich allerdings „absolut bei Ihnen bin“ sind diese dämlichen Klickstatistiken und Facebookzitate. Das wird auch bei uns gemacht und das hab ich auch noch nie verstanden.

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