Bock auf Indoor-Cycling, aber ihr braucht etwas mehr Motivation? Die Software Zwift für Mac und iOS macht daraus ein Multiplayer-Spiel in einer Online-Community. Als großer Radfahr-Fan habe ich das ausprobiert.
Der Winter ist im Allgemeinen eine schlechte Jahreszeit für Ausdauersportler, insbesondere für Radfahrer. Bei Minustemperaturen sinkt meist auch die Motivation auf den Gefrierpunkt und schafft man es doch einmal, den inneren Schweinehund zu überwinden und zum Training die Wärme des Heimes zu verlassen, geht meist mehr Zeit fürs An- und Ausziehen der mehrlagigen Funktionskleidung drauf als für die eigentliche Trainingsfahrt.
Für viele Radsportler ist deshalb seit jeher das Training auf einem Rollentrainer im wohltemperierten Wohnzimmer oder Keller die bessere Option in der kalten Jahreszeit. Bei längeren Einheiten ist dies allerdings selbst mit spezifischen Trainingsprogrammen oder -videos nur eine Aktivität für Menschen mit einem leichten Hang zum Masochismus. Auf der Stelle vor sich hin zu strampeln ist einfach todlangweilig und weil im Gegensatz zum „echten“ Radfahren im Freien kaum die Sitzposition verändert wird, stellen sich auch recht schnell Rückenschmerzen und Beschwerden in anderen Körperregionen ein.
Die moderne Technik kann allerdings, wie so oft, Abhilfe schaffen. Seit einigen Jahren schon gibt es sogenannte Smarttrainer, die automatisch den Widerstand beim Training auf der Rolle justieren können und sich per Smartphone oder Computer kontrollieren lassen. Die mitgelieferten Apps oder Programme waren aber meist recht einfach und gingen über die Bereitstellung von Streckenvideos oder Trainingsprogrammen kaum hinaus. Die Software Zwift, die in der Radsportwelt immer populärer wird, hievt die Technologie nun aber auf ein ganz neues Level.
Was ist Zwift?
Vereinfacht ausgedrückt ist Zwift ein 3D-Multiplayer-Online-Videospiel, das sich anstatt mit Joystick oder Game Controller mit einem Smarttrainer steuern lässt. Dieser misst die Power, die der Radler aufs Pedal bringt, in Watt und berechnet dann unter Einbeziehung einer Vielzahl von Faktoren, wie zum Beispiel Fahrergewicht und -größe sowie Straßenneigung und Umweltfaktoren in der 3D-Welt, die Geschwindigkeit, mit der sich Rad und Fahrer im Spiel bewegen.
Und natürlich ist man auf den Straßen der Zwift-Welt nicht alleine. Zu jeglicher Tag- und Nachtzeit tummeln sich dort Radler aus aller Herren (und Damen) Länder. Es wird in Rennen gegeneinander angetreten oder man verabredet sich einfach zu einer lockeren Trainingsfahrt in der Gruppe. Wer eher keine Lust auf Gesellschaft hat, kann auch alleine nach vorgegeben Trainingsplänen trainieren oder versuchen, die Bestzeiten auf vordefinierten Streckensegmenten zu knacken.
Wie in jedem guten Spiel wird die Motivation weiter durch sogenannte „Achievements“ gesteigert, die man zum Beispiel durch abgespulte Distanzen oder erfolgreich absolvierte Workouts freischalten kann. So gibt es zum Beispiel exklusive Trikot-Designs oder immer besseres Rad-Material für den Avatar. Gefahren wird bisher in drei verschiedenen Szenarien: Auf der fiktiven Südseeinsel Watopia, in der Londoner Innenstadt, vorbei an vielen bekannten Sehenswürdigkeiten der britischen Hauptstadt, und auf einem Kurs in Richmond, Virginia, wo 2015 die Radweltmeisterschaften stattgefunden haben.
In der Praxis: Problemloser Aufbau und Ersteinrichtung
Soviel zur Theorie. Ich habe den Praxis-Selbstversuch gewagt und mir einen Zwift-kompatiblen Smarttrainer zugelegt: den Elite Rampa. Darauf lässt sich das Hinterrad eines Rennrades oder Mountainbikes einspannen und die auf der Rolle generierte Wattzahl wird per Bluetooth-Verbindung, oder dem im Fitnessbereich weit verbreiteten „ANT+“-Protokoll an PC, Mac oder iOS Geräte gesendet. Installation und Einrichtung verliefen unproblematisch und sollten für jeden, der ein Ikea-Regal zusammenschrauben kann und im Alltag Digitaltechnologie nutzt, einfach zu bewältigen sein.
Nach Aufbau des Trainers und Einspannen des Rades muss die Zwift-App für Mac oder für iOS aus dem App Store installiert werden. Nach dem Start erscheint dann ein „Pairing“-Bildschirm, auf dem alle verfügbaren Geräte mit Zwift verbunden werden können. Theoretisch kann Zwift auch mit einem althergebrachten „dummen“ Trainer und einem kabellosen Geschwindigkeitssensor genutzt werden. Die Messwerte sind aber weniger präzise als beim Smarttrainer und der Rollwiderstand kann nicht automatisch angepasst werde. Das „Gameplay“ ist also weit weniger realistisch. Zusätzlich zum Smarttrainer können auch noch weitere Sensoren, zum Beispiel für den Puls oder die Trittfrequenz, genutzt werden, diese sind aber nicht zwingend notwendig.
Sind Trainer und Sensoren gekoppelt, kann auch schon fast in die Pedale getreten werden. Auf dem Startbildschirm muss nur noch ausgewählt werden, ob man einfach alleine seine Runden drehen, mit einem Fahrer, der schon unterwegs ist, gemeinsam in die Pedale treten, ein spezifisches Workout absolvieren oder an einer organisierten Ausfahrt beziehungsweise einem Rennen teilnehmen will. Klickt man dann auf den „Ride“-Button, steht der Avatar schon auf der Straße bereit und wird durch einen kräftigen Tritt ins Pedal in Bewegung gesetzt.
Schöne Grafik und realistisches Fahrgefühl erhöhen die Motivation
Das Fahrgefühl hängt natürlich zu einem nicht unerheblichen Teil vom eingesetzten Smarttrainer ab. Auf meinem Elite Rampa wird jede Beschleunigung oder Verlangsamung des Trittes unmittelbar umgesetzt und Steigungen machen sich in einem stufenlos ansteigenden Tretwiderstand bemerkbar. Im Durchschnitt bin ich in der virtuellen Welt ungefähr zwei bis drei Stundenkilometer schneller unterwegs als im echten Leben, was eigentlich unerheblich ist. Der Schmerz in der Beinmuskulatur ist bei entsprechender Anstrengung jedenfalls höchst authentisch und der Schweiss fliesst mangels Fahrtwind in Strömen. Handtücher und ein leistungsstarker Ventilator sind daher unverzichtbares Zubehör.
Mit entsprechender Hardware ist die 3D-Grafik in Zwift sehr ansprechend und die virtuellen Landschaften sind toll gestaltet, vor allem die Vulkanlandschaft auf Watopia ist ein echtes Highlight. Da macht sogar einfaches Umherfahren schon Spass. Das eigentliche Highlight aber sind die strukturierten Workouts und Gruppenfahrten im Peloton. Mit Ersteren kann man das Training genau an individuelle Bedürfnisse anpassen und mit nur einer relativ kurzen Session auf der Rolle eine deutlich zeitintensivere Trainingseinheit auf der Straße ersetzen.
Bei den Gruppenfahrten, vor allem den Rennen, kommt dann der kompetitive Gedanke mit ins Spiel. Mir ist es in meiner nur wenige Wochen alten Zwift-Karriere schon mehrfach passiert, dass ich mich mich nahe dem Maximal-Puls während eines Rennens krampfhaft am virtuellen Hinterrad eines Fahrers im Vorderfeld festklammere und mich dann eine Stunde später schweißüberströmt und dem Kollaps nahe vom Rad falte. Dieses Level an Motivation ist, wenn man alleine trainiert, mit anderen Trainingsmethoden schwer zu erreichen.
Fazit
Ich bin seit früher Jugend passionierter Radfahrer und habe über die Jahre hinweg zahlreiche Innovationen im Material- und Technikbereich miterlebt. Aber trotz Karbon-Leichtbaukomponenten, aerodynamischen Laufrädern und elektronischen Schaltungen bin ich mir ziemlich sicher, dass Zwift die Neuerung sein wird, die mittel- und langfristig die größte Auswirkung auf mein Leistungsvermögen haben wird. Der Grund dafür ist einfach: Zwifts einzigartige Mischung aus Videospiel und Fitnessprogramm macht einfach viel mehr Spaß als alleine im Wohnzimmer oder Fitnessstudio zu strampeln. So hat man dann auch die Motivation, sich auch nach einem langen Arbeitstag oder wenn man es sich schon vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte, noch einmal für eine kurze Session aufs Rad zu setzen.
Zwift ist immer noch relativ neu und noch nicht ganz frei von Kinderkrankheiten. Die Trainerkalibrierung hat noch Verbesserungspotenzial und in einschlägigen Foren findet man immer wieder Berichte zu Verbindungsproblemen zwischen den Geräten. Zwift stellt jedoch regelmäßig Updates zur Verfügung und man kann davon ausgehen, dass sowohl Performance als auch Features der Software ständig weiter verbessert werden. Auch Erweiterungen der bestehenden Strecken sind in naher Zukunft zu erwarten.
Zwift kann umsonst sieben Tage getestet werden, danach werden 10,50 Euro im Monat fällig. Ein kompatibler Smarttrainer ist ab rund 400 Euro zu haben. Das Zwift-Training ist also nicht ganz billig. Wenn man das System, wie ich, mehrmals in der Woche nutzt, sind die Kosten aber schnell amortisiert. Das macht Zwift zu einem leistungsstarken und erschwinglichen Fitnesstool, an dem nicht nur passionierte Radfahrer sondern auch solche Nutzer, die sich einfach nur fit halten wollen, eine Menge Freude haben können.
Mehr Infos findet ihr auf der Hersteller-Webseite von Zwift. Die Software für Mac gibt es hier, die für iOS hier.
Dieser Text erschien zuerst auf unserer Schwesterseite Applepiloten.
Video und Images by Zwift
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