Geheimdienstmitarbeiter verteufeln starke Verschlüsselung

Die Geheimdienste sprechen sich gegen die Verschlüsselung privater Kommunikation aus, denn sie erschwert die eigene Arbeit. // von Daniel Kuhn

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Früher war die Welt der Geheimdienste noch in Ordnung. Kommunikation zwischen Privatleuten verlief unverschlüsselt und falls doch mal etwas mit einer Verschlüsselung übermittelt wurde, konnte man sich sicher sein, dass diese Person etwas zu verbergen hat. Doch das Internet und die Tatsache, dass immer mehr über Smartphones kommuniziert wird, macht es auch für jedermann einfacher, Verschlüsselung einzusetzen. Das gefällt den Geheimdiensten natürlich nicht, da es ihre Arbeit erschwert. Aus diesem Grund ziehen sie nun mit alten Argumenten in einen Krypto-Krieg gegen die Zivilbevölkerung.


Warum ist das wichtig? Die Sicherheitsbehörden sprechen sich immer lauter gegen Verschlüsselung von Geräten und Kommunikation aus, damit es aus ihrer Sicht einfacher wird Kriminelle und Terroristen dingfest zu machen – dabei nehmen sie auch in Kauf, dass die Privatsphäre der Zivilbevölkerung eingeschränkt wird.

  • Neben dem neuen GCHQ-Chef in England und dem Chef der Londoner Polizei haben sich auch Mitarbeiter der amerikanischen Sicherheitsbehörden gegen die Verschlüsselung von Geräten und Kommunikation ausgesprochen.

  • Das oft gehörte Standardargument ist: Ein gesetzestreuer Normalbürger hätte nichts zu verbergen.

  • Jeder Staatsbürger hat aber ein Recht, seine Sicherheit zu schützen. Was offline Türen, Wände und Vorhänge sind, muss Online Verschlüsselung werden.


Es ist immer noch nicht genug

Vor etwas über einer Woche hat die Financial Times einen Artikel vom neuen GCHQ-Chef, Robert Hannigan, veröffentlicht, dessen Kernaussage ungefähr lautete: Egal wie viel wir (also das GCHQ) heutzutage online zensieren und spionieren, es ist immer noch nicht genug. Diese Kernaussage untermauerte er mit einer Vielzahl fragwürdiger und durchaus gefährlicher Aussagen, die aufzuzählen hier den Rahmen sprengen würde. Ein Fokus lag allerdings auf dem Einsatz von Verschlüsselung für Kommunikation. Hier packte er umgehend die Terrorismus-Keule aus. Die Terrororganisation ISIS unterscheide sich auch durch die Sicherheit der Kommunikation von ihren Vorgängern, was für Geheimdienste wie das GHCQ eine große Herausforderung darstelle. Terroristen hätten zwar immer schon Wege gefunden, Kommunikation zu verschlüsseln, doch die heutige Mobile-Technologie und Smartphones haben die Optionen exponentiell erhöht.

Techniken, die einst also nur anspruchsvollen Kriminellen oder Staaten vorbehalten waren, gelten nun als Standard, dank immer mehr kostenlosen Apps, die die der Kommunikation eine extra Sicherheitsschicht verpassen. Zu guter Letzt fügt er noch hinzu, dass kein Zweifel besteht, dass junge Terroristen von den Enthüllungen Edward Snowdens nicht nur gelernt sondern auch profitiert haben. Mit anderen Worten, Verschlüsselung wird nun routinemäßig von den falschen Leuten genutzt, was den Geheimdiensten dieser Welt das Leben unnötig schwer macht. Hannigan ist sicher nicht der erste, der sich mit dieser Argumentation beklagt, genaugenommen stimmt er in einen Chorgesang ein, der seit kurzer Zeit immer lauter erklingt.

Viele Sänger ergeben einen Chor

Zunächst hatte FBI-Chef James Comes in einer Rede beklagt, dass es aufgrund von Verschlüsselung bald düster würde, da die Gesetzgeber derzeit nicht mit dem technischen Fortschritt mithalten können. Auch der Commissioner der New Yorker Polizei, Bill Bratton, beklagte sich, dass Verschlüsselung der Öffentlichkeit einen schrecklichen Bärendienst erweist. Auch der ehemalige NSA General Counsel, Stewart Baker, meldete sich mit der hanebüchenen Aussage zu Wort, dass BlackBerry gescheitert sei, da das Unternehmen zu viel Verschlüsselung nutzt. Nun wird der Chorgesang eben transatlantisch und einen Tag nach Hannigans Tiraden stimmt auch der Leiter der Londoner Motropolitan Police, Bernard Hogan-Howe, bei einem New York-Besuch in das Klagelied mit ein.

Hogan-Howe warnt die Gesellschaft davor, Teile des Internets zu dunklen, unkontrollierten Orten verkommen zu lassen, in denen sich Pädophile, Mörder und Terroristen herumtreiben. Und auch hier darf der Appell gegen die Verschlüsselung auf Computern und Smartphones natürlich nicht fehlen. Diese mache die Polizeiarbeit frustrierend schwer, was wiederum bedeutet, dass Teile des Internets anarchische Orte werden. Besonders interessant an der Sache ist, dass Hogan-Howe sich im Rahmen seines US-Besuchs mit allen oben genannten Gesetzeshütern getroffen hat, die ebenfalls Teil des Chors gegen die Verschlüsselung sind. Hinter verschlossenen Türen soll er, laut Angaben des britischen Standard, zudem noch gesagt, dass das Internet nun ein sicherer Hafen für Kriminelle ist und „Privatsphäre wichtig ist, aber aus meiner Sicht wächst die Sicherheit von Kommunikationsmethoden und – Geräten weit über das hinaus, was ein Normalbürger vernünftigerweise benötigt.“

Krypto-Krieg 2.0

Es fällt nicht schwer, hinter der Kritikwelle eine orchestrierte Aktion zu sehen, mit der die Geheimdienste und Ordnungshüter in den USA und Großbritannien versuchen, die Zügel nach den Snowden-Enthüllungen wieder fester zu ziehen. Der Tenor, dass die Verschlüsselung zu weit geht und Normalbürger, die nichts zu verbergen hätten, sie auch nicht nutzen müssten, beziehungsweise eine Verschlüsselung mit Hintertür für die Sicherheitsbehörden ausreichen müsste, ist jedoch aus mehreren Gründen nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.

Natürlich hat jeder gesetzestreue Bürger ein Recht auf Privatsphäre online, genauso wie wir auch Türen, Wände und Vorhänge haben um uns vor den Blicken und Zugriffen Dritter zu schützen. Hintertüren in Verschlüsselungen zu integrieren macht diese komplett unsicher, da es keine Möglichkeit gibt, „die Falschen“ davon abzuhalten, sie zu nutzen. Zudem würde eine geschwächte Verschlüsselung nicht nur für ein deutlich weniger sicheres Internet sorgen, sondern zudem auch Millionen Online-Unternehmen in Gefahr bringen, deren Geschäftsmodell auf Sicherheit basiert. In den 90ern hat die NSA bereits den Versuch gestartet, mit dem Clipper Chip eine Verschlüsselung mit Hintertür einzuführen, den die Zivilbevölkerung allerdings erfolgreich abgewehrt hat. Nun wird es also Zeit, dass wir uns für den Krypto-Krieg 2.0 wappnen. Ein erster und wichtiger Schritt dabei ist, so viel Verschlüsselung wie möglich einzusetzen, bis diese sichere Form der Kommunikation endlich Standard ist.

ist Wahl-Berliner mit Leib und Seele und arbeitet von dort aus seit 2010 als Tech-Redakteur. Anfangs noch vollkommen Googles Android OS verfallen, geht der Quereinsteiger und notorische Autodidakt immer stärker den Fragen nach, was wir mit den schicken Mobile-Geräten warum anstellen und wie sicher unsere Daten eigentlich sind. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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2 comments

  1. Wichtig ist vor allem OpenSource Verschlüsselung zu stärken und zum Standard zu machen. Denn da lassen sich nicht so leicht Hintertüren einbauen.

    Zudem den Fokus auf Cybercrime verstärken, Verschlüsselung ist schließlich die Beste Möglichkeit sich gegen Kriminalität zu schützen. Und welcher Polizei Chef hat schon was dagegen wenn sich die Leute besser gegen Cybercrime absichern und somit die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Verbrechen sinkt ?

    Vor allem die Finanzindustrie und shopping Dienstleister dürften ein großes Interesse an sicherer Verschlüsselung haben um den Zahlungsverkehr abzusichern. Das würde sich doch Anbieten um Allianzen aufzubauen.

  2. Ich finde die Aussagen dieser Staatsmänner propagandistisch und heuchlerisch. Man speist Menschen mit populistischen Gedanken ab, als Begründung für eine Struktur, die „1984“ zur Wirklichkeit werden lassen kann.

    Natürlich erscheint es uns absurd, dass unser wirklich solider Staat, geführt von der nicht gerade hübschen aber doch ganz niedlichen Frau Angela Merkel, uns jemals etwas Böses wollen würde. Genau so logisch klingt es, wenn Staatsmänner uns versichern, dass die Verschlüsselungstechnik eine schlechte Entwicklung sei, da (das Standardargument) „ehrliche Bürger, ja nichts zu befürchten haben“ und „Überwachung zum Schutz vor Terrorismus, Mördern und ekelhafter Kinderpornografie beiträgt“.
    Genau diese beiden Aussagen als Mittelpunkt der Argumentationshaltung der Staatsapparate ist propagandistisch und heuchlerisch:

    „Ehrliche Bürger“ heißt nämlich nicht, dass – nur weil man nichts zu verbergen hat – auch nichts verbergen will.

    Desweiteren ist zweitere Aussage schlichtweg eine Lüge zur populistischen Meinungsmache. Eine Studie von Max-Planck Institut aus dem Jahre 2011 zeigt eindrucksvoll wie die Überwachungsfälle der 12 Monate aufgeteilt ist:
    http://gutjahr.biz/wp-content/uploads/2013/04/Lauschangriff-Statistik-1.jpg

    Desweiteren deckt sie auf, wie fahrlässig die Überwachung von statten geht und wie rigeros zum Beispiel die Pflichtbenachrichtigung an den Betroffenen – nach abgeschlossener Überwachung – stattfindet (Link wegen Spamfilter entfernt, GutJahr.biz – „Bestandsdaten außer Kontrolle“ Googlen ;))

    Begründet wird das ganze – und das ist die Sahnekrone – mit einem Zitat eines Landesrichters: “Was die Leute nicht wissen, macht sie nicht heiß. Warum soll man sie schockieren?“

    Richter am Landgericht.

    Dieser unabhängige Bericht zeichnet das philosophische Argument der schiefen Bahn klar und deutlich auf, das an anderen Stellen in Politik als Totschlagargument genutzt wird.

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