Ein Glas Oloroso. Zwei Oliven. Mächtige Weinfässer. Streng, Kühl und Dunkel ist es in der ehrwürdigen Bodega „La Manzanilla“ im historischen Herzen der Hafenstadt Cádiz, dem Tor nach Amerika, auch Silbertäßchen genannt. Umarmt vom Atlantik weht ein frischer, jodhaltiger Wind über die Costa de la Luz, der zum herben Geschmack der Finos und Manzanillas, Weinen aus der Sherry- Familie, eine trockene, fast salzige Note beiträgt.
Im Dreieck zwischen den Städten Sanlucar de Barrameda im Norden, Jérez de la Frontera im Osten und El Puerto de Santa María im Süden, allesamt in der Provinz Cádiz, wachsen die Sherry – Weine, welche ihren kräftigen Geschmack aus diesen Gegensätzen ziehen. Im Grunde zählen auch die edlen Weine der südlich Cádiz gelegenen Stadt Chiclana de la Frontera zur Familie, doch die Herkunftsbezeichnung „Vinos de Jérez“(altkastilisch „Xéres“, engl. „Sherry“ phöniz. „Cera“ arab. „Sherish“) schützt nur die drei erst genannten Orte. Deren Reben wachsen auf harten, aber an Mineralien und Nährstoffen (Muschelkalk, Kreide, Kieselerde) reichen, porösen Böden, den „Albarizas“, welche ganzjährig vorzügliche Wasserspeicher bilden.
Wer einmal in der Bodega La Manzanilla war, will bald mehr: Inhaber Pepe beliefert Kunden in Berlin, Oslo, Wien und Brüssel per Direktvertrieb. Größeren Export lässt der aufwändige Herstellungs – und Lagerungsprozeß, das „Solera“ (span., etwa: „auf dem Boden liegend“) – Verfahren, nicht zu. Beim Solera – Verfahren, das für Brandys aus Jérez ähnlich der Sherry – Herstellung erfolgt, werden drei Faßreihen übereinander gestapelt. Die „Solera“ ist die Faßreihe zu Boden, darüber liegen die Criaderas (span. : die „Heranwachsenden“). Der Solera wird ein Drittel des Sherrys bzw. Brandys direkt entnommen. Der so geleerte Teil wird dann mit dem nächst jüngeren Wein aus dem darüberliegenden Faß aufgefüllt. Analog erfolgt die Umfüllung der obersten Faßreihe, bis auch diese geleert ist und schließlich wieder mit frischem Destillat nachgefüllt wird. Bei jedem Durchlauf der einzelnen Faßreihen reift der Wein weiter heran: Die so bewirkte Durchmischung bezeichnen die andalusischen Winzer als „Vermählung“.
Trotz ihrer vielseitigen Aromen, Lager – und Herstellungsprozesse haben die Weine aus dem Sherry – Dreieck eines gemeinsam: Ihre Abstammung von der weißen Palomino – Traube. Nach erfolgter Gärung wird der trockene Palomino – Weißwein mit Brandy versetzt, wodurch der Alkoholgehalt von 11% auf 15% bis 19,5 % erhöht wird. Danach reift der Wein in unverschlossenen 520 bis 600 – Liter – Fässern, meist aus amerikanischer oder kanadischer Silbereiche, an der Luft heran. Sein Merkmal ist die auf der Oberfläche treibende „Flor“, die Hefeblüte, welche den Fermentationsprozeß signalisiert. Nach erfolgter Reife kann nun die Süßung des Weins beginnen: Vor der Abfüllung werden nun Weine der Rebsorten Moscatel oder Pedro Ximénez beigemengt. Da diese Trauben vor dem Keltern erst getrocknet werden, wird deren Saft stark konzentriert und kann nicht den gesamten Zuckeranteil in Alkohol umwandeln.
Die gängigen Sorten im Überblick:
Die Manzanillas aus Sanlúcar de Barrameda (Ausgangshafen für Chr. Columbus’ 3. Reise):
Der Jüngste aus der Familie ist der Manzanilla Fina: Hellgolden glänzend wie Kamillenblüten oder Apfelblüten (= Manzanilla, span. „Äpfelchen“ bzw. „Kamillenblüte“, Fina = span. „Fein“,“Edel“). Alter: 3 Jahre, Alc. 15 bis 15,5%. Als Aperitiv mit Arbequina – Oliven begleitet. Ideal vor Meeresfrüchten und Fisch.
Der Manzanilla Olorosa (Alc. 15 bis 15,5%) ist in Pepe’s Taberna besonders beliebt: Bereits 6 Jahre alt, besitzt er einen feinen wie würzigen Geschmack. Die Farbnote ist ein sonniges Gold. Als Aperitiv mit Arbequina – Oliven begleitet, wie der Manzanilla Pasada: (Alc. 15 bis 15,5%) Obwohl schon 9 Jahre gereift ist der Pasada trockener als die vorgenannten jüngeren Geschwister, die Farbe erinnert an den Firnis von Rembrandt’s „Mann mit dem Goldhelm“.
Die Amontillados (Seit dem 18. Jh. benannt nach den La Montilla – Bergen der Provinz Córdoba) Merkmal dieses komplexen Weins ist seine zweifache Reife: Zuerst reift er – wie ein Fino – unter dem Hefe-Flor, ohne Einfluss von Sauerstoff. Nachdem die Blüte/Flor abgestorben ist, beginnt seine oxidative Reife. Diese kann i. d. R. 15, 20, 30 Jahre und länger dauern; die Weine entfalten ein Spektrum nussiger Aromen und gehören zu den spannendsten Weinen überhaupt: In den Vitrinen des kleinen Sherry – Museums der Bodega „La Manzanilla“ finden sich Flacons aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Preis: Nur schätzbar.
Der Amontillado Viejo ist ein alter Haudegen, der bis zu 30 Jahre lagert und reift, bis er aus dem Faß hervorspringt wie ein bewehrtes Schlachtroß: Bernsteinfarben, Haselnuss – Aroma, mit 17,5% Alc. der trockenste und verwegenste aus der Manzanilla – Linie. Und der Teuerste: Zwischen 21 und 50 Euro der Dreiviertelliter. Nicht umsonst widmete der amerikanische Erzähler Edgar Allan Poe „dem Faß Amontillado“ eine schaurig-schöne gothic novel. Soloauftritt, doh zu Roman und Kaminfeuer passen die Olivensorten Gordal und Arbequina, ein kräftiger Queso Manchego oder Salzmandeln.
Die Olorosos:
Auch die Weinsorten des Oloroso nehmen eine Sonderstellung ein, da sie ohne die Florschicht unter Oxidation entstehen. Ihre Farbe leuchtet je Alter von Bernstein bis Aubergine, eine ebensolche Bandbreite entfalten auch die vielen Aromen des Oloroso (von sp. olor = „Duft“): Würzig-nussig bis fruchtig – trocken beim Oloroso Seco, der trotz seiner lockeren Art über die besondere Schwere (Alc. 18-20%) hinweg täuscht…hin zu sehr schwerem, karamelsüßen Geschmack des Oloroso Dulce, der aber mit einem Alc.-Gehalt von 17-17,5% leichter endet als sein vorgenannter Bruder. Je nach Alter und Lagerung komplex einzuordnen, d.h. mal Dessertwein, mal Aperitiv, selten eine Speise begleitend. Zum Oloroso serviert man die Arbequina bzw. Gordal – Olive oder Rosinen-, Pinien-, Mandelgebäck, mitunter Manchego.
Pepe, richtig Miguel García Gómez, führt die „Taberna La Manzanilla“ seit 1992, bereits in der dritten Generation. Sein Vater war seit 1948 im Geschäft. Pepes Großvater wiederum hatte die Taberna 1942 von einem Weinhändler aus Sanlucar übernommen, der diese im Jahre 1900 als „Despacho de Vinos“, in der Altstadt von Cádiz eröffnete. Seit 1900 ist die Taberna fast ununterbrochen in Betrieb! Wahr ist, dass die wirklich edlen und originellen Tropfen kaum den Weg in unsere Weinregale finden. Wer im Sherry-Dreieck etwas Zeit zum Stöbern hat, sollte unbedingt in die alten Bodegas eintauchen: Traditionsreiche, teils seit Jahrhunderten ansässige Familienunternehmen , die größten Wert auf Qualität legen.
Von dieser war auch der englische Freibeuter Sir Francis Drake überzeugt, der nach dem Angrif auf die spanische Armada 1587 knapp 3000 Fass Sherry aus dem Hafen von Cádiz erbeutete.– heute ein Exportgut! Für die Gaditanos, die Bewohner von Cádiz ist es mehr als das: Es ist Teil ihrer westandalusischen Kultur, Geschichte und Gastronomie.
Grafik: lamanzanilladecadiz.com
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Schlagwörter: Sherry, Spanien
2 comments
Es ist sicherlich wahr: Sherry ist die Essenz des Weines. Für manche ist es nur ein würziges, gepanschtes Alkoholsammelsurium zum Kochen, für andere ist ein guter Sherry ein tieferes Geschmackserlebnis als jedes andere alkoholische Getränk. Keine Angst vor lieblichen (Amoroso) Sherries: Es gibt nur wenige lohnende Desserts, die nicht durch einen guten Amoroso ersetzt oder ergänzt werden könnten. Was man von süßem Sherry nicht bekommt: Einen dicken Kopf – also darf es ruhig ein Gläschen mehr sein. Auch zu einer guten Zigarre ist ein guter, komplexer Sherry eine gute Wahl. Man sollte sich den Genuß allerdings etwas kosten lassen: Sherries aus dem Supermarkt sind oft nicht übel, aber lassen es an Komplexiät missen – ein guter Sherry ist ein wechselndes Geschmackserlebnis über mehrere Minuten.