In den letzten Monaten ist eines klar geworden: Journalisten schreiben Artikel und vergessen dann schlagartig das, was sie da veröffentlicht haben. Dialoge zwischen Leser und Journalist auf den Websites großer Verlage kommen daher praktisch nie vor. Dass dem Qualitätsjournalismus sowie dem traditionellen Journalismus damit mindestens 123 Chancen durch die Lappen gehen, dürfte auf der Hand liegen. Journalisten sind Sender. Punkt. Wenn andere eine Meinung zu etwas haben wollen, dann ist das kein Anlaß für Journalisten in medias res zu gehen. Und das, obwohl der Begriff Medien schon einen leichten Hinweis darauf bietet, dass sich die Medien exakt in der Mitte zwischen Quelle der Nachricht und der Senke, also dem Leser oder Zuschauer befinden. Man hält sich zurück. Noblesse Oblige.
Allerdings entsteht an genau dieser Schnittstelle ein Vakuum durch die elegante Zurückhaltung. Da bisher nur die Journalisten darunter leiden, gibt es wenig Hoffnung, dass sich dies ändert. Es sei denn, man erschafft an dieser Stelle etwas Neues… Das nennt man in den Vereinigten Staaten content curation. Ähnlich einem Kurator im Museum oder bei Filmen nimmt dieser sich des Themas an und organisiert den Kontakt mit der Bevölkerung, einerseits durch die Auswahl der Ausstellungsstücke und andererseits durch den Kontakt zum Publikum. Im Internet ist eine der verläßlichsten Plattformen dafür der Bereich Social Media. Denn er liefert Abertausende Texte und den Zugang zu ebensovielen Interessierten. Böse Zungen behaupten, es wäre ein Werkstudent, der die Aufgaben von rivva übernimmt. Und in der Tat: Ist man ohne Ideen und ohne Sinn und Verstand, dann könnte man so etwas curation nennen. Aber es geht ja nun nicht nur um das Sammeln sondern eben auch um den Dialog mit den Menschen im Web.
Und so könnten die Verlage die ehrenwerten Journalisten von der Last der Masse befreien und Menschen einstellen, die zu bestimmten Themen alle wesentlichen Texte, Bilder und Filme zusammensuchen und per Themenseite aktuelle halten. Sie könnten auch den Kontakt per Kommentar oder twitter halten und so all das viele Zeugs, das im Internet noch der Entdeckung harrt, unter die Leute bringen. Das wäre dann Google News Reverse.
Aber wenn man sich diverse Lehrstühle für Journalismus ansieht, wenn man diverse Qualitätsjournalisten zum Thema reden hört, dann wünscht man sich gern einen Asbach Uralt und einen bequemen Stuhl am Kamin. Denn bis die Verlage verstehen, wie sie ihre Verlagswebsites auf diese Weise modernisieren, werden noch viele Berater Fanpages verkaufen, neue Content-Management-Systeme installiert und Dutzende Journalisten in die freie Mitarbeiterschaft entlassen. Übrigens, curation ist einer der Königswege zum neuen Ölgötzen der Aufklärung namens Transparenz, laut David Weinberger der einzigen Referenz für Objektivität.
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Schlagwörter: curation, Medien