Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen werden in vielen Branchen immer wichtiger. Bei Lebensmitteln wird darauf geachtet möglichst biologisch anzubauen und Kleinbauern faire Preise für ihre Produkte zu bezahlen. Auch in der Modeindustrie sieht man immer mehr Bemühungen, sich in eine nachhaltigere Richtung zu bewegen. Es gibt nicht nur immer mehr Fair Fashion Brands auf dem Markt, die stilvolle und fair hergestellte Klamotten verkaufen, auch große Modeketten bemühen sich, ihre Kleidung nachhaltiger zu produzieren. Eine Branche scheint allerdings recht spät auf den Nachhaltigkeitszug aufzuspringen: die Technikbranche und speziell unsere Smartphones.
Was ist so „unnachhaltig“ an Smartphones?
Zuallererst möchte ich gerne klären, warum herkömmliche Smartphones alles andere als fair oder nachhaltig sind. Um das zu zeigen, sollten wir uns einmal die Wertschöpfungskette eines Smartphones anschauen.
Rohstoffgewinnung im Kleinbergbau
Ein Smartphone besteht hauptsächlich aus Metallen, Kunststoffen, Glas und Keramik. Feinmetalle, wie Gold oder Kobalt liegen allerdings nicht einfach so im Wald rum, wo man sie einsammeln könnte, nein, sie müssen aus unterirdischen Minen gewonnen werden und das passiert meistens nicht unter annehmbaren Bedingungen. Vor allem in vielen afrikanischen Ländern, wie beispielsweise dem Kongo, indem hunderttausende Menschen ihren Lebensunterhalt durch Kleinbergbau verdienen, sind die Bedingungen der Arbeiter oft unvorstellbar. Von den Löhnen, die die Arbeiter bekommen, können sie kaum leben (wir sprechen hier von weniger als 50 Euro im Monat).
Kleinminen sind nichts Illegales im Kongo. Es gibt sogar Gesetze über Sicherheit, Umweltschutz, Arbeiterrechte und ein Verbot von Kinderarbeit. Diese existieren allerdings hauptsächlich in der Theorie. In der Praxis sieht das Ganze anders aus. Die Lebenserwartung der Minenarbeiter liegt bei ca. 35 Jahren. Ohne Sicherheitskleidung arbeiten die jungen Menschen, oft noch Kinder, 40 Meter unter der Erde in nicht zureichend gesicherten Minen. Viel zu oft wird von Einstürzen berichtet. Die traurige Wahrheit ist, das vermutlich schon viele von euch von den schlimmen Bedingungen, die in solchen Minen vorherrschen gehört haben, sie allerdings immer noch bestehen.
Produktion in asiatischen Fabriken
Auch bei der Produktion der Smartphones in meist asiatischen Ländern läuft viel schief. In den Fabriken arbeiten hauptsächlich Frauen, da sie feinmotorischer, leidensfähiger und leichter zu unterdrücken sind. Bis zu 15 Stunden pro Tag arbeiten die Frauen oft und das unter gewaltigem Druck. Pausen gibt es kaum, sollte man doch eine brauchen oder ist man krank wird man ersetzt. Dennoch sind viele Frauen auf diese Arbeit angewiesen, da sie ihre Familien damit ernähren. Der enorme Druck, der auf ihnen lastet, führt immer wieder zu Suiziden. 2010 stand Foxconn in der Kritik, weil sich mehrere Arbeiter dort das Leben nahmen.
Gibt es ein nachhaltiges Smartphone auf dem Markt?
Was können wir jetzt also tun, wenn wir diese ganze Maschinerie nicht mehr unterstützen wollen? Immerhin ist es kaum vorstellbar, in der heutigen Zeit einfach kein Smartphone mehr zu besitzen. Es gibt auch hier Alternativen zu Marken wie Apple, Samsung, Huawei und Co. Allerdings sind diese noch relativ unbekannt und leider auch noch nicht besonders zahlreich vorhanden. In Deutschland gibt es vor allem zwei Anbieter, die Smartphones herstellen und dabei die Aspekte soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellen.
Fairphone
Zum einen ist da das Fairphone. Von diesen Smartphones hat der ein oder andere eventuell sogar schon einmal gehört. Fairphone produziert modulare Smartphones und achtet dabei auf eine verantwortungsbewusste Materialbeschaffung, sowie auf das Wohlergehen der Arbeitskräfte. Sie legen alle Prozesse offen und fordern dadurch ein Umdenken in der Branche. Sie wollen eine Debatte darüber fördern, was „fair“ wirklich bedeutet.
Durch das Konzept eines modularen Smartphones setzen sie darauf, dass man ihre Geräte eine lange Zeit nutzen und leicht reparieren kann. Eine lange Lebensdauer ist bei Elektrogeräten ein wichtiger Schritt, um sie nachhaltiger zu gestalten. Denn am nachhaltigsten ist es natürlich, wenn erst gar keine neuen Produkte produziert werden müssen bzw. wir uns nicht alle ein bis zwei Jahre ein neues Smartphone anschaffen, für das jedes Mal wieder Rohstoffe verbraucht werden
Das Fairphone 3+
Das neueste Modell des Fairphones ist das Fairphone 3+. Mit einem Preis von 469 Euro ist es nicht teurer als andere aktuelle Geräte auf dem Markt und bietet eine solide Leistung:
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- 5,65 Zoll Full-HD+ Display aus solidem, kratzfesten Gorilla Glass
- Android 10
- Qualcomm Snapdragon 632 Prozessor
- 4 GB RAM
- 64 GB interner Speicher (erweiterbar mit MicroSD-Karte)
- 48MP Kamera, 16 MP Selfie-Kamera
Hergestellt wurde das Smartphone aus 40% recycelten Kunststoffen und geliefert wird es zusammen mit einem kleinen Schraubenzieher, damit ihr die einzelnen Module selbst auswechseln könnt. Ein Ladegerät oder Kopfhörer werden nicht mitgeliefert, da viele Leute diese Artikel bereits besitzen oder sowieso gegen andere austauschen und die mitgelieferte Ware dadurch nicht genutzt wird. Natürlich kann aber beides bei Fairphone dazu bestellt werden.
SHIFT
Ein weiterer Anbieter von faireren und nachhaltigeren Smartphones ist SHIFT. Die Smartphones werden in Deutschland (Falkenberg) designt. Auch sie sind modular aufgebaut, damit es einfacher ist, einzelne Teile selbst auszutauschen. Wie einfach es ist, selbst beispielsweise ein neues Display einzubauen, könnt ihr euch in diesem Video anschauen.
Das Smartphone-Pfand-System
Eine Besonderheit bei SHIFT ist das Gerätepfand, das bereits in den Preisen enthalten ist. Das Pfandprinzip bei SHIFT ist ähnlich wie das bei Pfandflaschen. Ein großer Teil der Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens ist die Wiederverwendung, Verwertung und richtige Entsorgung der Produkte. Deshalb achten sie bereits bei der Produktion darauf, Materialien zu benutzen, die recycelt werden können. Sobald ihr also keine Verwendung für euer Shiftphone mehr habt, könnt ihr es im Originalkarton wieder zurückschicken und bekommt euer Pfand in Höhe von 22 Euro in Form eines Gutscheins zurück. Dabei ist es egal, in welchem Zustand euer Gerät ist, solange es im Originalkarton zurückgeschickt wird, bekommt ihr den Pfand-Gutschein. Die zurückgeschickten Produkte werden entweder repariert und wieder aufgearbeitet oder werden zerlegt, um die funktionierenden Teile weiter zu benutzen. Die defekten Einzelteile werden recycelt.
Vermeidung von Müll
Die Vermeidung von Müll zählt zu einem der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale von SHIFT. Sie achten darauf, keinen überflüssigen Elektroschrott zu produzieren und haben sich auch bei den Verpackungen Gedanken gemacht. Diese bestehen seit dem SHIFT6m ausschließlich aus Recyclingpapier und unkaschierter Pappe. Auch die Farbe ist umweltbewusst und kommt nur in geringen Mengen zum Einsatz.
Das SHIFT6mq
Das neueste Modell von SHIFT ist das SHIFT6mq, das zurzeit noch in der Preorder-Phase ist. Mit seinen 799 Euro (regulärer Preis 844 Euro) ist es zwar teurer als das neue Fairphone, allerdings immer noch günstiger als viele Neuerscheinungen bekannter Smartphone-Hersteller. Es wird von SHIFT selbst als ihr neues Highend-Smartphone neben dem SHIFT6m (555 Euro) bezeichnet. Dadurch bietet es natürlich auch technisch etwas mehr:
- 6 Zoll FullHD MOLED Display aus Gorilla Glas
- ShiftOS (Android 10)
- Qualcomm Snapdragon 845 Prozessor
- 8 GB RAM
- 128 GB interner Speicher (erweiterbar um 512 GB)
- Dual Rück-, 13 MP Frontkamera, Video 4K
Die nachhaltigste Variante ein Smartphone zu kaufen
Wir sehen also, dass sowohl SHIFT, als auch Fairphone sich sehr bemühen möglichst faire und nachhaltige Smartphones herzustellen. 100% fair und nachhaltig, sind allerdings auch diese Geräte nicht. Das muss allerdings auch nicht unser Anspruch sein. Die Wertschöpfungskette eines Smartphones ist sehr komplex, jeden einzelnen Schritt perfekt zu kontrollieren ist kaum möglich. Das Bestreben so fair und nachhaltig, wie es für euch persönlich möglich ist zu konsumieren, ist ein sehr guter Anfang.
Welches ist nun aber die „beste“ Variante? Wie bei allem gilt auch hier: am nachhaltigsten ist es immer, wenn nichts Neues hergestellt werden muss. In diesem Fall heißt das gebrauchte oder refurbished Smartphones zu kaufen. Auf Seiten, wie Refurbed, Backmarket, Rebuy und vielen weiteren, könnt ihr gebrauchte und generalüberholte Geräte ergattern. Ein weiterer Vorteil davon aus zweiter Hand zu kaufen, ist natürlich auch, dass diese Produkte günstiger sind als Neuware. Damit freut sich also nicht nur euer Gewissen, sondern auch euer Bankkonto (das übrigens auch nachhaltiger sein kann).
Titelbild von Production Perig via Adobe Stock
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