Viele Verlagsunternehmen sind sich noch unsicher, ob sie sich ganz auf die Accelerated Mobile Pages von Google umstellen oder erst ein paar Tests starten sollten. Wie ist hier der Stand? Ein paar Redaktionen haben es bereits ausprobiert.
Die Ladeleistung der mobilen Websiten ist schlecht– finden Sie mal jemanden, der dem widersprechen würde”, erklärte mir die Leiterin der Unternehmensentwicklung vom Mic (CSO) Cory Haik. “Wenn unsere Seiten auf mobilen Geräten zu langsam geladen werden, verlieren wir als Herausgeber eine Zielgruppe – und das ist schmerzhaft für uns. Daher sind wir ganz gespannt darauf, AMP nutzen zu können.
Die Accelerated Mobile Pages-Initiative von Google wurde vor wenigen Tagen gelauncht. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, das mobile Web zu dem wunderbaren Ort zu machen, an dem alle “Herausgeber einen mobilen, optimierten Inhalt erstellen können und dieser unverzüglich überall geladen wird”. Anders als sein plattformspezifischer Gegenspieler Facebook Instant Articles wendet sich Google mit seiner AMP-Initiative an das komplette Internet und vertraut darauf, dass teilnehmende Herausgeber und Technologen von selbst (und nicht nur firmeneigene) Codes beisteuern, damit die Seiten das Gesamte des “regulären” Webs wiederspiegeln können.
Welche Art der Geschwindigkeitsverbesserung liefert AMP? Hier ein Beispiel: Diese Desktopversion eines Artikels der New York Times erreicht domContentLoaded – ein Schlüsselelement in der Auslastung einer Webpage, auf der die HTML vollständig heruntergeladen und bestimmte wichtige Satzelemente abgeschlossen wurden – in 0,985 Sekunden und lädt vollständig in 3,82 Sekunden. (Diese Ergebnisse beziehen sich auf einen Test mit Chrome auf einem schnellen iMac.)
Die mobile Version dieser Seite erreicht domContentLoaded in 0,857 Sekunden und ist in 2,99 Sekunden vollständig geladen.
Die AMP Version derselben Webpage – man beachte die .amp.html in der URL – erreicht domContentLoaded in 0,240 Sekunden und ist in 0,646 Sekunden vollständig geladen.
Wie passen sich die Redaktionen an etwas an, das einerseits eine Möglichkeit darstellt, die eigene mobile Präsenz zu beschleunigen, sie aber andererseits beauftragt, eine zusätzliche Version für alle Inhalte zu entwickeln und zu pflegen? Ich machte mich auf die Suche nach einigen von ihnen und fand vielfältige Antworten – manche komplett involviert, andere in der Testphase und wieder andere, die die nötigen Entwicklungsressourcen nicht aufbringen wollen (oder können).
Mehrere von mir aufgesuchte Redaktionen lehnten es ab, genauere Gründe dafür darzulegen, führten jedoch “geringe Ressourcen” und “andere Prioritäten” als Gründe dafür an, dass sie momentan nicht den Weg zu AMP einschlagen.
The thing that burns me most about the reporting on things like FB Instant Articles, Google Amp, etc. …
— Adam Schweigert (@aschweig) 23. Februar 2016
Anyway. [pour one out for the lone tech folks at small news orgs fielding questions from clueless managers about Google AMP today]
— Adam Schweigert (@aschweig) 23. Februar 2016
“Die größte Herausforderung war in unserem Fall die Implementierung der Paywall-Anliegen, da unser System im gesamten Umfang auf JavaScript basiert, welches nicht von AMP unterstützt wird”, erklärte mir Roberto Dias, der Assistent des Geschäftsführer von Folha de S.Paulo. Die brasilianische Zeitung testet und experimentiert mit AMP in einem eingeschränktem Umfang.
Außerdem und aus der alleinigen Sicht einer Redaktion würde ich mir natürlich mehr interaktive Features und mehr Links zu verwandten Inhalten wünschen. Allerdings verstehe ich auch, was das Projekt versucht umzusetzen und ich empfinde es ebenfalls als einen sich stetig entwickelnden Prozess.
“Wir haben 29 Redaktionen und wir führen die Firma CMS – ein Projekt wie dieses zu verfolgen, erfordert zu großen Teilen eine sehr sorgfältige Überprüfung”, informierte mich Damon Kiesow, Leiter der Mobile Initiative von McClatchy .
Wir führen eine Art Betriebsprüfung unserer gegenwärtigen Seiten durch und versuchen nachzuvollziehen, was von Anfang an im Rahmen von AMP unterstützt wird und was ab sofort in das neue System umgewandelt werden kann – mit der Erwartung, dass dies nicht auf alles zutrifft. Unsere Erwartung mag in etwa sechs Monaten erfüllt werden. Und wenn ich darüber spreche, meine ich hauptsächlich Umsatzmöglichkeiten der auf der Seite, wie Videowerbung und andere Dinge, die jenseits der Interessen von AMP oder deren Leistungsumfängen liegt, beispielsweise Tracker auf der Seite.
McClatchy plant, irgendwann im nächsten Monat einen Demonstrationsversuch in einem ihrer kalifornischen Zeitungen herauszubringen und erhält Unterstützung durch einen externen Anbieter, der die Codierung von Seitenvorlagen übernehmen und tägliche Unterstützung zur Verfügung stellen wird, sobald McClatchy seine Geschäftsanforderungen erfüllt. Die Initiative bei einer Zeitung zu testen, statt auf allen 29 Märkten, vereinfacht den Implementierungsprozess, sagt Kiesow, während er dennoch einige spezifische Rückmeldungen dazu erhält, inwiefern das Projekt Arbeitsabläufe beeinflusst, welchen Effekt es auf die Erlöse hat und wie der Effekt auf die Nutzererfahrungen ausfällt, und ob dies überhaupt geschieht. Doch auch mit einer externen technischen Aufbereitung ist eine AMPifizierung noch weit von einer schlüsselfertigen Lösung entfernt.
Alles, was wir über das Aufstellen einer Webpage wissen, müssen wir noch einmal neu und anders lernen. Doch wir lernen es unter der Voraussetzung, dass wir ein bestehendes Produkt verwandeln und nicht ein völlig neues Produkt erfinden müssen. Es ist ein ziemlich komplexer Prozess!”, ergänzte er. “Aber wir sind da nicht anders aufgestellt als irgendwer sonst in der Branche. Wir führen eindringliche Diskussionen über Seitengewichtung und Seitenoptimierung, und das seit etwa sechs Monaten. Dies ist nur eine weitere Möglichkeit für uns, darauf zu achten, was Google vorschlägt, betreffend der Konzeption und der Herangehensweisen und der Strategien, die sie gewählt haben, um zu versuchen, das Problem zu lösen.
Abhängig davon, wie die neue Version ankommt, könnten die nächsten Schritte eine Einführung von einigen der “besten Methoden” sein, die im Rahmen des AMP-Projektes vorgeschlagen wurden oder um AMP als eine Vorlagenversion für Seiten von McClatchy nutzen zu können.
@stuntbox This needs to be a conference session. We are chasing tech instead of readers.
— Damon Kiesow (@dkiesow) 23. Februar 2016
Komplett einsteigen in AMP
Die Diskussion darüber, was AMP für neue Herausgeber bedeutet, hörten seit dem vergangenen Herbst nicht mehr auf, seit Recode die Meldung herausgab, dass Google zusammen mit anderen Technologiepartnern wie Twitter eine ungenutzte Quelle erforschen will, der den Instant Articles entspricht. (“Die Welt braucht eine Antwort auf die firmeneigenen Instant Articles – und Twitter und Google können sie beschaffen”, so eine Quelle damals Recode.) Die mehr als 180 Herausgeber, die auf Googles offizieller AMP-Seite gelistet sind als “Herausgeber, die AMP-HTML” nutzen, sind nur ein kleiner Teil derer, die sich darum reißen, AMP auszuprobieren.
Viele dieser Outlets, wie beispielsweise Mic, sind komplett involviert, wenn es darum geht, ihre Artikel online als AMP zur Verfügung zu stellen. (Von jetzt an wird, wann auch immer Nutzer nach einem Artikel von Mic bei Google suchen, “eine AMP Datei für 100 Prozent unseres Inhalts angezeigt”, erklärte Haik.) Artikel, die AMP nutzen durften, werden bei den mobilen Suchergebnissen von Google seit Dienstag in einem Klickstrecken-Karussell angezeigt. (Eine Suche nach “Trump” brachte an diesem Morgen eine Reihe von AMP-behandelten Seiten der USA Today, Fortune, BBC, ABC, The New York Times, U.S. News, The Big Lead und der MSNBC.)
Für uns – und ich denke, viele Herausgeber würden da zustimmen – ist die Suche ein sehr bedeutsamer Vertriebsweg, was neue Zielgruppen betrifft und Handys haben diese Möglichkeiten noch erweitert”, sagte Haik. “Immer mehr Menschen sind bekanntermaßen mobil im Netz unterwegs und keiner davon öffnet Safari auf dem iPhone und tippt allen Ernstes ‚Http-Doppelpunkt-Slash-Slash-Mic-Dot-com‘ ein. So greift niemand auf Inhalte über sein Handy zu, man bekommt sie durch die Suche und über Social Media.
Mic beschäftigt zwei Angestellte, die sich ab jetzt komplett auf AMP konzentrieren, und seine Entwickler haben ebenfalls Codes zur AMP-HTML-Bibliothek beigetragen. Es wurde zusätzlich eine Versammlung in New York veranstaltet, anwesend waren der leitende Ingenieur von AMP sowie andere Entwickler und Produktionsverantwortliche aus der Gegend. Und für Mic gilt: “Wir sind in der Lage, dies zu Geld zu machen, so wie wir es benötigen; denn es ist immer noch HTML, was wir beherrschen – man fühlt sich nicht so eingeschränkt.”
Auch der Atlantic beabsichtigt, AMP zu 100 Prozent in ihren Inhalten zu etablieren, beginnend mit ihren standardisierten Artikelseiten:
Es war beeindruckend zu sehen, wie sich das Projekt entwickelt. Wir konnten tatsächlich von der aktiven Teilnahme des gesamten Systems, von analytischen Providern bis hin zu Drittpersonen der Ad Technology, profitieren”, sagte Kimberly Lau, der digitale Geschäftsführer von Atlantic. “Gerade jetzt stellen wir sicher, dass wir unser Werbepotenzial vollständig auf dieses Format replizieren können. In dieser Woche konzentrieren wir uns darauf, ursprüngliche Werbefähigkeiten auf unsere AMP-Seiten zu übertragen.
Der Guardian, der von Anfang an vertraulich mit in die AMP-Initiative involviert wurde, hält AMP bereits für sein Kernartikelformat, “das für ungefähr 18 Millionen individueller Artikel gilt” und man “könnte zu einem späteren Zeitpunkt beginnen, AMP-Versionen von unseren übrig bleibenden Inhalten zu veröffentlichen”, so Produktionsleiter Anthony Sullivan. Der Guardian nutzt momentan keine AMP-Version auf seinen Homepages, “doch wir haben dies nicht für die Zukunft ausgeschlossen – es hängt davon ab, wohin AMP sich entwickelt und wo wir es einsetzen möchten.”
Sullivan bestätigte, dass es einige Herausforderungen dabei gab, die bestehenden Umsatzarten des Herausgebers und die analytische Anforderungen in AMP-Dateien umzuwandeln, doch er hielt sich optimistisch, was die Zukunft des Projekts betrifft. Er sagte, dass “die Wegrichtung weitgehend dem zugewandt scheint, dass AMP die breite Unterstützung erhält, die es benötigt.”
Google ist eine Art Gatekeeper für AMP-Codes, doch seine Entwickler haben sich bemerkenswert offen und ansprechend auf externen Input gezeigt und die AMP-Produktgruppen bei Google waren zudem aufmerksam darauf, die Anforderungen der Veröffentlichungsindustrie zuberücksichtigen, fügte er hinzu.
Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image (adapted) “A Quote from A Computer That Takes Too Long To Load” by Surian Soosay (CC BY 2.0)
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