Trotz einiger echter Topspiele im Jahr 2023 steckt die Spieleindustrie in einer Krise. Studios entlassen massenweise Entwickler, aber auch ganze Studios werden für immer geschlossen. Die große Entlassungswelle der Gamingbranche geht aber weniger von kleinen bis mittelgroßen Unternehmen aus, sondern vor allem von den großen Publishern, die auf der anderen Seite für Milliardenbeträge Studios aufkaufen.
Dieser Artikel erweist einigen prominenten Opfern der Massenschließung die letzte Ehre und geht auf die Suche nach den Gründen. Gerade weil sich die Ereignisse in der Spielebranche so überschlagen ist das keinesfalls eine komplette Liste, sondern soll vor allem die aktuellen Probleme deutlich mache. Außerdem stellt sich die Frage: Was passiert mit den entlassenen Entwicklern und welche Perspektive hat man als Neueinsteiger überhaupt noch?
Was ist passiert?
Schon 2023 deutete sich in der Gaming-Branche ein kleines Beben an. Unter anderem kündigte die Embracer Group am 1. September 2023 die Schließung von Volition, das Studio das vor allem für die Saints Row-Spiele bekannt ist. Aus einem Finanzbericht vom Februar 2024 geht hervor, dass die Embracer Group in den 6 Monaten zuvor insgesamt 1.387 der rund 15.000 Beschäftigten entlassen hat – und die Umstrukturierungsmaßnahmen waren dort noch nicht abgeschlossen. Auch die Gothic-Entwickler Piranha Bytes gehören zu den Opfern dieser Maßnahmen.
Auch LoL-Entwickler Riot Games hat Anfang des Jahres 530 Mitarbeiter entlassen – gut 11 Prozent der Stellen. Bei Sony trifft es sogar 900 Mitarbeiter. Betroffen sind unter anderem erfolgreiche Studios wie Naughty Dog (The Last of Us) und Insomniac (Spider-Man). Für das PlayStation London Studio wurde sogar die Schließung angekündigt. Das Studio ist vor allem für die SingStar-Spiele bekannt.
Ein regelrechter Kahlschlag findet auch bei Microsoft statt. Im Mai 2024 gab der Konzern die Schließung von gleich 4 Studios bekannt. Alle vier Studios gehören zu den erst 2021 für 7,5 Milliarden Dollar aufgekauften Zenimaxx Media / Bethesda Softworks. Betroffen sind zum einen Arkane Austin (Prey, Redfall) und Tango Workshop (Hi-Fi Rush, Ghostwire: Tokyo). Weniger bekannt dürften das für Mobile Games zuständige Alpha Dog Games (Mighty DOOM, Wraithborne) und Roundhouse Studios sein, die unter anderem mit an Redfall arbeiteten. Letztere sollen in die ZeniMax Online Studios (Elder Scrolls Online, Fallout 76) integriert werden.
Auch abseits der Spieleentwickler rumort es. Unity Technologies, Schöpfer der Unity Entwicklungsumgebung für Videospiele, entließ Anfang des Jahres 1.800 Mitarbeiter – Ein Viertel der Belegschaft. Die Streaming-Plattform Twitch entließ mit 500 Mitarbeitern sogar ganze 35 Prozent der Belegschaft.
Ursachen für die große Entlassungswelle der Gamingbranche
Die große Entlassungswelle der Gamingbranche ist unter anderem (aber nicht nur) eine Spätfolge der Corona-Pandemie, in der sich manche Titel durch die Entwicklung im Homeoffice verzögerten. Doch auch wegen der größeren Gaming-Nachfrage in der Isolation gab es zahlreiche Neueinstellungen in dieser Zeit. Die Entwicklungszyklen dieser Spiele nähern sich dem Ende, die Arbeitsbedingungen haben sich normalisiert und die Nachfrage ist etwas geschrumpft. Für die nächsten Titel passen die Studios ihre Größe wieder an den geänderten Bedarf an.
Da muss man bei allem Mitgefühl für die Opfer dieser Umstrukturierungen sagen: Die Gaming-Industrie ist Business und keine Wohlfahrt. Es geht auch hier um Gewinnmaximierung, die vor allem von den Aktionären gefordert wird. Rein wirtschaftlich ist es also völlig legitim, wenn man Umstrukturierungen vornimmt. In den USA ist die „Hire & Fire“-Mentalität zudem branchenübergreifend sehr ausgeprägt.
Trotzdem wirft es natürlich Fragen auf, wenn auf der anderen Seite 7o Milliarden für die Activision Blizzard-Übernahme gezahlt werden. Für die selbe Summe hätte man zahlreiche neue Studios aus dem Boden stampfen können, die quasi mit unbegrenzten Mitteln an neuen Franchises arbeiten könnten. Über 100 Titel in der Größe eines Red Dead Redemption 2 – das derzeit teuerste Spiel – ließen sich damit umsetzen.
Ausnahmefall Mimimi Games
Einen großen Aufreger gab es bereits August 2023, als der deutsche Entwickler Mimimi Games die Schließung zum Ende des Jahres verkündete. Mit Shadow Tactics, Desperados 3 und Shadow Gambit belebten die Münchner die Echtzeit-Stealth-Taktik der Commandos- und Desperados-Spiele wieder. Sowohl Kritiker als auch Spieler belohnten die Weiterentwicklung des Genres mit starken Bewertungen. Umso größer war der Schock über die Schließung eines der zu der Zeit stärksten deutschen Studios.
In einem offenen Brief legten die beiden Gründer die Ursachen offen. Finanzielle Not litt das Studio noch nicht. Doch die Sicherstellung der Finanzierung wurde für das Studio mit immer ambitionierteren Projekten auch herausfordernder. Für die Gründer kam aber auch hinzu, dass es immer schwieriger wurde ihr Arbeitspensum mit dem jungen Familienleben in Einklang zu bringen.
Die Schließung von Mimimi Games war somit mehr ein selbstbestimmtes Ende, solange noch alles gut lief. Das Studio konnte ihren Angestellten sogar einen Bonus auszahlen. Trotzdem hinterlässt die Schließung sowohl in der deutschen Spielelandschaft, als auch in der Stealth-Taktik eine große Lücke.
Jobaussichten in der Gamingbranche
Auch ohne die große Entlassungswelle der Gamingbranche, gilt diese nicht unbedingt als ein Paradies für Arbeitnehmer. Die Branche ist bekannt für lange „Crunch Times“ vor Release eines Spiels, in der Arbeitswochen mit teils weit über 60 Arbeitsstunden schon eher die Norm sind. Allerdings gibt es auch zunehmend Studios, die sich der Kritik an der Crunch-Kultur annehmen. Dazu gehören unter anderem Cyberpunk 2077-Entwickler CD Projekt, die sogar für die Fertigstellung des Spiels eine 6 Tage-Woche eingeführt haben. Die Crunch Time dauerte für einige Mitarbeiter über ein Jahr.
Ein weiteres Problem der Gamingbranche sind oft sehr geringe Gehälter, obwohl die Anforderungen sehr hoch sind. In einer Umfrage von UNI Global Union in 29 Ländern war das geringe Gehalt bei 66% der Befragten das meist genannte Problem – noch vor den Überstunden. In Europa betrug der Anteil sogar 77%. Auch Geschlechterdiskreminierung wurde trotz erhöhter Sensibilität nach Skandalen wie bei Blizzard noch immer von 35% der Befragten genannt.
Trotzdem dieser Probleme ist der Einstieg in der Branche nicht einfach. Man braucht ein umfangreiches Skillset und konkurriert aktuell noch stärker mit der ehemaligen Belegschaft geschlossener Studios.
Allerdings ist die Branche auch offen für den Quereinstieg. Den Umgang mit vielen gängigen Tools erlernt man nämlich am besten, indem man zunächst in der Modding-Community aktiv ist. Von dort haben schon einige den Sprung zu großen Studios gemacht oder eigene Spielideen als Indie-Entwickler verwirklicht.
Eine Ausbildung an sich schadet trotzdem nicht und gerade in der Softwareprogrammierung findet man auch außerhalb der Spieleentwicklung gute Jobs, von denen man aus dem Hobby irgendwann den beruflichen Sprung zum Spieleentwickler macht.
Image via KI / DALL-E 3
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