Städtisches und regionales Planen als institutionelle Praxis wird mehr und mehr dafür kritisiert, dass sie den Bedarf gewöhnlicher Bürger nicht decken. Hier tritt der „Hacktivismus“ in Erscheinung. Durch das Verschmelzen von Hacking und Aktivismus bezog sich der Ausdruck früher darauf, Informationstechnologie dazu zu nutzen, politische Ziele zu erreichen. Während „Hacking“ oft böswillige Attacken auf Webseiten impliziert, hat es noch eine andere Bedeutung. Hacking bedeutet nämlich auch das innovative Lösen von Problemen durch das Kombinieren neuer Ideen mit jederzeit vorhandenem Material. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn man eine alte DVD als Untersetzer für Getränke verwendet, wenn man eine Büroklammer benutzt, um digitale Geräte zurückzusetzen oder einen Kleiderbügel so verbiegt, dass man damit einen verstopften Abfluss säubern kann. Dies sind Do-it-yourself-„Hacks“ wie die der Serienfigur MacGyver. Im Wesentlichen beschreibt Hacking also das kreative Lösen von Problemen. „Hackathons“ sind ein typisches Beispiel. Sie beinhalten „das Brainstormen, Entwickeln und Testen von Ideen mit Veränderern“. Hacktivismus bezieht sich in diesem Sinne auf das bodenständige Lösen von Problemen durch gleichgesinnte Menschen, die gewillt sind, „hinter dem Rücken“ von festen Institutionen zu agieren, um soziale Zielsetzungen zu erreichen. Hacktivismus reflektiert eine wachsende Enttäuschung über Masseninstitutionen, allgegenwärtigem Neoliberalismus und Konsumkulturen. Hacktivismus unterscheidet sich vom Hacking von Orten: So findet man beispielsweise Guerilla-Gartenaktionen, Pop-Up-Buchhandlungen, das Verwenden von bereits bestehender, aber nicht mehr genutzter Infrastruktur, es gibt sogar Disko-Ampeln und Street Pong.
Was treibt den Hacktivismus an?
Hacktivismus kann den Trend unter Regierungsbehörden herausfordern, eine neoliberale Rhetorik anzuwenden, wenn es um beschleunigte Entwicklung geht. Werden die „roten“, also behördlich geprägten und die „grünen“, umwelttechnischen Bestrebungen der Zusammenarbeit zerstört, werden die Bewohner entrechtet. Die Debatten über städtebauliche Verdichtung sind hier nur ein Beispiel. Große Bauträger scheinen fähig zu sein, Gemeinden dahingehend zu bedrängen, Projekte zu akzeptieren, von denen manche Bewohner befürchten, dass sie Plätze zerstören, die sie lieben. Sie fürchten, dass die Hinterhöfe überschattet werden, sich die Privatsphäre noch mehr verringern, dass Stau und Lärm verstärkt oder sogar der besondere Charakter der Nachbarschaft zerstört werden könnte. Diese Bedenken werden oft als „NIMBYismus“ (englisch: „Not in my backyard“: Nicht in meinem Hinterhof) und Eigennutz abgetan. Aber rationalisierte Prozesse und „Beratungen“ zur Beurteilung von Entwicklungen verringern typischerweise die Einbindung von Bürgern. Wer kann es den Bewohnern also verdenken, dass sie wütend werden? Bürgerinitiativen, zivilgesellschaftlich ausgerichtete Planer, Umweltschützer und andere beginnen, der Privatisierung von öffentlichen Plätzen und dem Verfall der öffentlichen Aufgaben zu widersprechen, indem sie Alternativen anbieten. Diese reichen von Interventionen wie den Parklets (Sitzgelegenheiten auf Parkplätzen) und Pop-up-Veranstaltungsorten, so genanntem taktischem Urbanismus, zu mehr aktivistisch orientierten Antworten wie dem subversiven Nutzen von Plakatwerbung durch eine Gruppe in Toronto.
Fallstudien in Australien
In Australien experimentiert ein kleiner, aber wachsender Kader von Einwohnern mit Hacktivismus in der Planung. Zwei jüngste Beispiele sind aufschlussreich:
- Die Initiative des Gold Coast Hinterland and Environment Council (GECKO) will einen Plan hacken, indem ein von der Gemeinschaft geleiteter Klimawandel-Aktionsplan erstellt wird
- Organisierter Widerstand der Gemeinschaft zu der “West Village”-Entwicklung im West End, Brisbane, wo Bewohner durch Zusammenarbeit ihren eigenen Planungsprozess entwickelt haben, um eine alternative Sichtweise für die Sehenswüdigkeit zu erschaffen
West End kann eine lange Geschichte von gemeinschaftsbasiertem Widerstand gegenüber Vertreibung und unangebrachten oder unerwünschten Entwicklungen aufweisen. Es verfügt außerdem über eine lange Tradition, wie Bauträger und Regierungen aufgefordert wurden, sich in niveauvolleren Debatten über die beste Planung und Entwicklung einzubringen. Die West Village-Gruppe schlägt sieben Hochhäuser mit je 15 Stockwerken und einem großen Supermarkt auf einem innerstädtischen Grundstück vor. Dieses Projekt hebt den fortlaufenden Kampf um soziale Gerechtigkeit innerhalb Brisbanes im Angesicht einer rasanten Entwicklung hervor. Phase Eins des West Village wurde per Code beurteilt, was bedeutet, dass es keine Regelung für öffentliche Notizen und keine Berufungsrechte gab. Der vollständige Plan für diesen Ort ist trotzdem bezüglich seiner Auswirkungen bewertbar. Viele Bewohner sahen den Entwicklungsvorschlag allerdings als fehlerhaft und als Ursache für viele ernste Probleme an. Auf existierenden sozialen Verbindungen und Stärken aufbauend, hat eine Gruppe von Bewohnern und Interessierten begonnen, eine alternative Sichtweise („anstelle von West Village“) für den Ort zu erschaffen. Das Ziel ist es, sowohl Bauträger als auch Regierung dazu zu drängen, sich mit ihren Bedenken und Bestrebungen auseinanderzusetzen. Die Einwohner nutzen einen offenen, kooperativen, gemeinschaftsbasierten Planungsprozess, ähnlich zu dem früheren bodenständigen Engagement in den Vorstädten. Gemeinschaftsgeführte Konzepte einer vollständigen Planung sind entwickelt und bei verschiedenen Veranstaltungen diskutiert worden. Diese Pläne stehen im Gegensatz zu den Modellen, die von der Kommune erschaffen wurden und zu den Vorstellungen der vorgeschlagenen Entwicklung. Öffentliche Meetings und Workshops haben Beiträge von diversen Stadtteilen ermöglicht. An der alternativen Sichtweise wird noch gearbeitet, aber die Art der Zusammenarbeit und der Geist des „Hacktivismus“ untermauern ihre Überlegenheit und die Wichtigkeit des großen Plans. Dieser Hacktivismus macht ein Recht auf die Stadt geltend. Er verlangt, dass die Planung besser abläuft: gerechter, nachhaltiger und integrativer. Indem sie das tun, beginnen Gemeinschaften, das Planen selbst zu „hacken“. Die Konferenz „Climate Change For Good“ stellt ein weiteres Beispiel dar. Diese lokale gemeinnützige Organisation arbeitet mit der Regierung von Queensland zusammen, um einem neuen Modell ortsbezogener Klimawandelanpassung den Weg zu bahnen. Der Prozess begann mit einer Wochenendveranstaltung mit Prösentartionen von Experten und Fachleuten. Gleichzeitig fanden gemeinschaftsbasierte Workshops zur Problemlösung statt. Das Forum wurde mit einem innovativem Vorschlag zum „Hacken des Planens“ beendet. Die Absicht ist es, eine lebendige Dokumentation dessen zu entwickeln, wie man eine kollaborative Ideenfindung von innovativen Anpassungsvorstellungen der Gemeinschaft ermöglichen kann, die Herausforderungen wie Gesundheit, Lebensmittel- und Wassersicherheit, aufstrebende Geschäftsmöglichkeiten und Platzfragen betreffen. Dies alles bietet eine Alternative zum Plan für die Klimawandelanpassung durch das Gold Coast City Council, der zunächst auf Eis gelegt wurde. Der gemeinschaftsbasierte Plan wird es ermöglichen, dass sich verschiedene Gruppen, die sonst beim Planungsprozess an den Rand gedrängt werden, nun einbringen können, wie zum Beispiel die Ureinwohner, Bewohner von Campingplätzen, Migranten sowie Jugendlich und und Obdachlose. Dadurch, dass den echten Menschen, die hier wohnen, ein Mitspracherecht gegeben wird, und indem man sich auf das Wissen und den Einfallsreichtum der Bürger verlässt, verspricht der Hacktivismus Handlungsmöglichkeiten in Bereichen weit über die Aufgabe des traditionellen Planens hinaus. Also bleibt noch die Frage: was könnten Sie in Ihrer Stadt „hacken“? Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image (adapted) „DSC_0041“ by Akseli Lehtonen (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Do-it-yourself, Hacking, Hacktivismus, Nachbarschaft, Privatisierung, Stadtplanung, Urbanismus