Das Hamburger Stadtportal hamburg.de hat Blogger-Relations für sich entdeckt. Seit dem 25. Juni bloggen bekannte Hamburger Blogger über die Hansestadt – als Honorar gibt es ein paar Klicks. // von Martin Fuchs
Hamburg entdeckt seine Blogger. Nachdem die ZEIT für ihren neuen Hamburg-Teil vor einigen Monaten bereits die umtriebigen Lokal-Blogger für sich entdeckt hat, nutzt jetzt auch die Webseite der Freien- und Hansestadt Hamburg die Kreativität der Bloggerszene, um Werbung für Hamburg zu machen. Honorar gibt’s dafür nicht. Dafür aber ab und an ein paar Klicks. Die Betreibergesellschaft von hamburg.de verdient hingegen mit Werbung bestens an den Texten der Blogger. Warum tun Blogger das?
In den letzten Jahren hat sich an der Elbe eine sehr aktive und engagierte Kiezblogger-Szene entwickelt. Nachdem die traditionellen Tageszeitungen die Lokalberichterstattung soweit ausgedünnt hatten, dass man fast nichts mehr aus den Bezirken in Abendblatt, MOPO oder BILD lesen konnte, besetzten Projekte wie Hamburg Mittendrin, Eimsbütteler Nachrichten, Altona.Info oder Elbmelancholie diese Nische. Mit innovativen Ideen, kontinuierlichen Berichten aus der Kommunalpolitik, lokaler Verankerung vor Ort und einer engen Leser-Bindung haben sich diese Projekte eine wachsende und begeisterte Leserschaft erarbeitet. In fast jedem Bezirk gibt es nun ein eigenständiges Lokalmagazin in Blogform. Ich bin ein begeisterter Leser vieler dieser Blogs.
Umso überraschender war es, dass erst die ZEIT kommen musste, um dieses Potential und die guten Inhalte der Blogger für Ihr eigenes Angebot zu nutzen.
Das nun auch das Stadtportal die Authentizität, der in Hamburg lebenden Blogger für das Hamburg-Marketing nutzen will ist begrüßenswert und zeigt, dass Blogger-Relations langsam auch im Stadtmarketing und der Verwaltung angekommen sind. Stopp. Das Stadtportal gehört nur zu 25,1% der Stadt Hamburg, zu 61,9 Prozent gehört es der Axel Springer AG, weitere Anteile hält unter anderem die Hamburger Sparkasse.
Die Axel Springer AG, als digitales Flaggschiff im deutschen Medienmarkt, weiß nur zu gut wie man mit solchen Webseiten Geld verdient. Auch mit den Blogbeiträgen werden Werbeerlöse und Reichweiten erzielt. Zudem bekommen das Portal und die Stadt Hamburg gut geschriebene, recherchierte und äußerst authentischen PR-Inhalte. All dies sind Werte, für die im Normalfall ein Honorar gezahlt werden muss.
Nicht in Hamburg. Die Blogger erhalten – im Gegensatz zur Kooperation mit der ZEIT – kein Geld für die Zweitverwertung ihrer Texte. Als Lohn gibt es im bestenfalls ein wenig Aufmerksamkeit via hamburg.de und ein paar Klicks auf die Originalblogs.
Aber warum tun das die beteiligten Blogger? Sie argumentieren, dass Sie mit Ihrem Hobby kein Geld verdienen wollen. Unter den bisher beteiligten Schreibern befinden sich aber auch professionell arbeitende Journalisten und Autoren.
Ich finde, gute Arbeit sollte auch entlohnt werden. Auch wenn man gerne und freiwillig Werbung und PR für Hamburg macht hat diese seinen Preis. Blogger verkauft euch nicht unter Wert. Aktuell ist nur der Axel Springer-Konzern Gewinner dieser Kooperation.
Teaser & Image by Franziska Veh
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Schlagwörter: Axel Springer, blogger, blogging, hamburg, Hamburg.de
4 comments
Ich bin immer für kritisches Hinterfragen zu haben. Und sicher ist einiges an dieser Kooperation zwischen Stadtportal und den aktuell elf Bloggern noch nicht ganz rund oder diskussionswürdig. In der obigen Form empfinde ich es aber als Betroffener (ich bin einer der elf Blogger) nicht wirklich differenziert. Und zwar aus diesen Gründen:
1. Es gibt nicht DEN Blogger. Es gibt Menschen, die bloggen zum Spaß, andere zur Selbstdarstellung/-vermarktung, wieder andere wollen damit Geld verdienen oder öffentliche Diskurse anregen. Wahrscheinlich gibt es noch zig weitere Motive. Sie alle über einen Kamm zu scheren, macht weder grundsätzlich, noch in diesem Fall Sinn.
2. Ich bin bei dir, wenn du sagst, dass es für in Auftrag gegebene PR-Inhalte eine Gegenleistung (in der Regel eine monetäre) geben sollte. Im Rahmen der Kooperation bestimmt hamburg.de jedoch weder die Themen, noch deren Umsetzung durch den jeweiligen Blogger. In der Regel wird es sich um Beiträge handeln, die der Blogger sowieso der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung gestellt hätte.
Durch die Kooperation mit hamburg.de erreicht er lediglich mehr Leser mit einem Thema, das ihm oder ihr scheinbar am Herzen liegt. Die Inhalte sind also weder in Auftrag gegeben, noch sind es klassische PR-Inhalte. Natürlich wird ein Großteil der Beiträge auf schöne Seiten der Stadt Hamburg hinweisen und damit eine positive Werbewirkung für die Stadt haben. Die gibt es aber auch auf dem Quell-Blog.
Und ja, ich bin auch gespannt, was passiert, wenn der Erste von uns mal einen Hamburg kritischen Beitrag abliefert. Wird der dann „abgelehnt“? Und mit welcher Begründung? Keine Ahnung. Das werden wir sehen. Eine pauschale Vorverurteilung, dass es sowas eh nicht geben wird, halte ich jedoch für die falsche Herangehensweise. Lasst es uns ausprobieren.
3. Warum wir das machen? Dazu würdest du wahrscheinlich elf verschiedene Antworten bekommen. Allerdings nur, wenn du jeden von uns gefragt hättest, so wie du es in deinem Text suggerierst („Aber warum tun das die beteiligten Blogger? Sie argumentieren, dass Sie mit Ihrem Hobby kein Geld verdienen wollen.“). Korrigiere mich, wenn ich da falsch liege, aber du hast einen von uns gefragt und das via Twitter-Minidiskussion.
4. Der EINZIGE Gewinner dieser Kooperation ist also Axel Springer? Sehe ich nicht so. Ich fühle mich nicht ausgenutzt. Zehn andere Blogger scheinbar auch nicht, sonst hätten sie die Kooperationsvereinbarung nicht unterschrieben. Und einige Leser von hamburg.de sicher auch nicht – spätestens dann nicht, wenn sie durch die neue Rubrik vielleicht auf Nischenblogs stoßen, die sie sonst nie gefunden hätten. Es gibt also – von mir aus neben AS – noch ein paar mehr Gewinner. Oder fühlst du dich als Verlierer?
Tut mir leid, lieber Martin, ich mag deine Arbeit sehr und habe großen Respekt vor dem, was du tust, aber deine Kritik finde ich in dieser Form (!) nicht gelungen.
Freue mich auf den weiteren Diskurs zu dem Thema
Björn
Für mich ist das total unverständlich – warum man als Autor bzw. Blogger seine bis dato „einmaligen“ Inhalte vervielfältigt und verschenkt. So lange dass meine beiden Lieblings-Hamburg-Blogs (also ahoihamburg.net & hh-mittendrin.de) davon die Finger lassen, ist alles im Gut :))) Im Ernst, ich glaube Blogs wie Elbmelancholie & Co. tun sich damit Gefallen.
Ein Gedanke dazu: Wir crossposten jeden Donnerstag die Kolumne von Gunnar Sohn, die am Mittwoch auf der Website des The European erschienen ist, ohne das es dort oder bei uns negative Folgen hat. Bei uns lesen den Artikel dann noch Menschen, die sonst nicht auf The European gehen. Das gleiche mit t3n, wo wir ab und zu Artikel von unserer Seite noch einmal veröffentlichen. Das könnte auch für die Hamburger Blogs gelten.