Headline-Journalismus

Der Journalismus im Netz ist meist Informationsweitergabe, nicht Deutung. Angaben der Agenturen werden eins zu eins übernommen, nicht immer mit der Angabe der Quelle. Ein Grundsatzurteil aus den USA sagt, dass die schmucklose und präzise Sprache der Presseagenturen schwer zu schützen ist. Der Satz „Präsident Medwedew ist in Deutschland gelandet“ kann in dieser Lesart von jedem sein; Quellen gibt es nicht mehr. Agentursätze wabern durchs Netz. Das Kopieren-und-Einfügen verstellt den Blick dafür, dass diese Information, die da kopiert wurde, erst einmal gewonnen werden musste. Informationsgewinnung kostet Geld.

Durch das Kopieren-und-Einfügen wird Journalismus zum Headline-Journalismus. Zeitungen dünnen ihre Redaktionen aus und kopieren Meldungen in ihren Mantelteil, die zum Teil nicht mehr überprüft wurden. Ebenso verfahren journalistisch geprägte Online-Portale. Die Inhalte werden dadurch austausch- und journalistische Marken verwechselbar. Die weitaus schlimmere Folge ist der Verlust an investigativem Journalismus, der aufdeckt, nachfragt und so zu einer Stütze der Gesellschaft wird. Wenn jetzt vereinzelt Presseagenturen schon am Krückstock gehen und von der Pleite bedroht sind, ist das erst die Spitze des Eisbergs. Wo sollen die Informationen herkommen, sauber recherchiert, verbunden mit einem guten Namen, wenn die Flagschiffe des Agenturjournalismus einmal untergegangen sind?

ist Chefredakteur und Herausgeber des Online-Debattenmagazins The European (www.theeuropean.de). Für die Netzpiloten schreibt Alexander Kolumnen und kritische Beiträge zur Medienlandschaft und natürlich zu aktuellen politischen Ereignissen.


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