In der Weltmeisterschaft um die Smartphone-Spitze schickt HTC in dieser Saison ein 6 Zoll großes Top-Modell mit raffinierter Fototechnik und der Erlaubnis zum subtilen Handspiel ins Rennen. Im Wesentlichen handelt es sich beim HTC U12+ um eine verbesserte Neuauflage des Vorjahrschampions HTC U11+ (zum Test). Die Neuauflage soll mit jeweils einer leistungsstarken Dual-Kamera auf der Vorder- und Rückseite punkten. Dabei verfügt das Gerät als erstes HTC-Modell überhaupt über eine Kamera mit einem optischen Zweifach-Zoom. Auf KI-gestützte Fotofunktionen verzichtet HTC aber im Gegensatz zu LG und Huawei.
Außerdem will HTC mit einer überarbeiteten Version der Kantenbedienung „Edge Sense“ im zweiten Anlauf die Smartphone-Bedienung revolutionieren. Statt eines ans Quetschen heranreichenden festen Händedrucks sollen Nutzer häufig verwendete Funktionen mit sanften Berührungen an der linken und rechten Rahmenseite aufrufen können.
Ab Mitte Juni erscheint das HTC U12+ für 799 Euro im Handel. Im Rahmen eines Presseevents konnte ich ein Vorserienmodell bereits ausprobieren. (Zum ausführlichen Test geht es hier entlang.)
Neue Kantenbedienung macht Lust auf Einhandbedienung
Mit 156,6 x 73,9 x 8,7 Millimetern und einem Gewicht von 188 Gramm fällt das HTC U12+ fast genauso ausladend aus wie sein Vorgänger und verfügt ebenfalls über einen 6 Zoll in der Diagonale messenden Bildschirm. Das Bedienungsproblem bei immer größeren Smartphone-Displays möchte HTC seit dem U11 (zum Test), der kleineren Variante des U11+, mittels eines druckempfindlichen Rahmens lösen. Während die 11er-Generation nur auf einen festen Händedruck reagierte, soll sich das U12+ nun noch etwas feinfühliger verhalten.
Die neue Version der „Edge Sense“-Steuerung erfordert weniger Kraft und kann zwischen kurzen, langen und doppelten Berührungen unterscheiden. Welche Funktion dies auslöst, können Nutzer frei festlegen. Beispielsweise lässt sich auf diese Weise die Kamera-App, der Google Assistant oder Amazon Alexa starten. Ebenfalls ist es möglich, den Startbildschirm zu verkleinern, sodass Nutzer bei einhändiger Bedienung mit dem Daumen in die obere Ecke gelangen.
Diese Form der Einhandbedienung erwies sich im Hands-On als praktisch und bereitete Lust auf einen ausführlichen Test. Abschließend beurteilen kann ich die Performance von Edge Sense 2.0 anhand des Ersteindrucks nämlich noch nicht. Denn auf kurze Druckgesten reagierte mein Testgerät zum Beispiel nur unzuverlässig. Dies lag laut HTC an der noch unfertigen Software des Vorserienmodells und soll bei den fertigen Smartphones behoben sein.
HTC U12+ sieht doppelt doppelt: Zwei Dual-Kameras, eine mit Tele-Zoom
HTC preschte bereits vor vier Jahren mit einer Doppeloptik in den Markt, als Dual-Kameras noch kein Mega-Trend waren. Danach ließ der Smartphone-Pionier das Thema schleifen und Herausforderer davoneilen. Mit dem P20 Pro legte Huawei kürzlich gar den Trend zur dreifachen Hauptkamera. So weit geht HTC nun noch nicht, knüpft aber wieder an die Expertise bei Dual-Kameras an.
Hinten kommen eine 12-Megapixel-Kamera mit Blende f1.75 und 25 Millimetern Brennweite (Kleinbild-äquivalent) sowie eine 16-Megapxel-Kamera mit Blende f2.6 und 50 Millimetern Brennweite zum Einsatz. Letztere ermöglicht somit einen Zweifach-Zoom beim Fotografieren, nicht aber bei Videoaufnahmen, für die das U12+ ausschließlich auf das Weitwinkel-Objektiv zurückgreift. Die beiden Weitwinkel-Frontkameras lösen jeweils 8 Megapixel auf bieten mit f2.0 eine durchschnittliche Lichtstärke.
Beide Kamera-Duos verrechnen Tiefeninformationen, um für einen simulierten Bokeh-Effekt zwischen Vorder- und Hintergrund unterscheiden zu können. Zudem sollen die 3D-Infos der Frontkameras die Gesichtserkennung beim Entsperren des Displays („Face Unlock“) weniger anfällig für Tricks machen. Der Bokeh-Effekt der vorderseitigen Dual-Kamera wirkte im Selbsttest sehr ordentlich. Praktisch: Die Hintergrundunschärfe ließ sich dank eines Schiebereglers innerhalb der nativen Kamera-App variieren.
Ein erschöpfender Fototest der Kameras war im Rahmen des Hands-On nicht möglich. Die gezeigten Testbilder wirkten jedoch sehr vielversprechend. Insbesondere an der bereits beim U11 und U11+ sehr überzeugenden Dynamikverstärkung will HTC gefeilt haben. Der „HDR Boost 2“ soll für eine nochmals bessere Durchzeichnung bei sehr dunklen und sehr hellen Bildstellen sorgen. Dem viel beachteten Benchmark DxO Mark Mobile zufolge ist das HTC U12+ vor dem Huawei P20 (und nach dem P20 Pro) derzeit das Smartphone mit der besten rückseitigen Dual-Kamera.
Digitales Richtmikrofon für Videografen
Neben Fotografen will HTC mit dem U12+ ebenfalls Videografen ansprechen. Während normalerweise externe Mikrofone für gute Tonaufnahmen unverzichtbar sind, will HTC sie zumindest teilweise entbehrlich machen. Dafür soll die Funktion „Sonic Zoom“ sorgen, mit der Nutzer das interne Mikrofon durch Software-Unterstützung gezielt auf eine Quelle ausrichten können, sodass Umgebungsgeräusche die Aufnahme nicht stören.
Bewährtes Glas-Design mit Durchblick
HTC gehörte mit der U-Serie noch vor Apple und Samsung zu den ersten Herstellern, die Glas als Rückseitenmaterial wieder in Mode gebracht haben. Auch beim U12+ hält der Hersteller an seinem „Liquid Surface“ genanntem Designprinzip fest. Wie gehabt, sieht der blendende Glanzeffekt der Glasschicht zwar äußerst schick aus, hält aber nur ein paar Sekunden nach. Denn nach wenigen Handgriffen sind Fingerabdrücke deutlich sichtbar und verschandeln das makellose Design.
Im Unterschied zum Vorgänger ist das HTC U12+ zum Marktstart gleich in drei Farbvarianten erhältlich: schwarz („Ceramic Black“), blau („Translucent Blue“ und rot („Flame Red“). Die blaue Farbvariante lässt erneut tief blicken: Wie die englische Farbbezeichnung nahelegt, ist die Rückseite halbtransparent, sodass Betrachter Platinen und Schaltkreise erkennen können. Ein schöner Retroeffekt, der an die blickdurchlässigen Spielekonsolen und Festnetztelefone der 1990er erinnert!
Die Verarbeitungsqualität ließ erwartungsgemäß keinen Grund zur Beanstandung. Ungleiche Spaltmaße sind kein Thema. Das HTC U12+ wirkt edel und hochwertig.
Unverändert brillantes QuadHD-Display
Den bereits beim U11+ begeisternden Bildschirm lässt HTC auch im Nachfolger unangetastet. Weiterhin kommt ein sehr helles (Super LCD 6) und scharfes (2.880 x 1.440 Pixel) Display im 18:9-Seitenverhältnis zum Einsatz. Einzelne Bildpunkte waren beim Ausprobieren angesichts einer Pixeldichte von 537 ppi nicht erkennbar. Außerdem ermöglicht das Display eine so hohe Spitzenhelligkeit, dass es dem HDR-10-Standard genügt. Allerdings können Nutzer damit nur von HDR-Videos auf YouTube profitieren. Hingegen das HDR-Material von Amazon Prime Video oder Netflix unterstützt das HTC U12+ nicht.
Mit 6 Zoll Displaydiagonale bietet das neue HTC-Flaggschiff eine imposante Bildschirmfläche. Wer dennoch kleinere Displays bevorzugt, geht dieses Jahr leer aus. Ein 5,5-Zoll Standardmodell ohne „+“ im Namen plant der Hersteller in der Techniksaison 2018 nicht, erklärte HTC-Sprecher Fabian Nappenbach.
HTC U12+ mit drachenstarker Rechenpower und „boombastischem“ Sound
Unter der Haube hat HTC sein Top-Smartphone moderat aktualisiert. Vom Start weg läuft das Gerät mit Android 8.0 Oreo und angepasster Oberfläche namens HTC Sense. Ein Upgrade auf Android P ist gewiss.
Den Prozessor aktualisiert der Hersteller auf den diesjährigen Spitzen-Chip von Qualcomm, den Snapdragon 845, dessen acht Rechenkerne mit bis zu 2,8 Ghz takten. Ihm steht die unveränderte Anzahl von 6 GB Arbeitsspeicher zur Seite. An der Rechenhardware gab es schon im vergangenen Jahr nichts auszusetzen. Erwartungsgemäß gab sich auch das U12+ beim Ersteindruck keine Blöße. Allerdings steht ein Härtetest noch aus.
Für Apps, Musik und Videos stehen ferner 64 GB interner Speicher zur Verfügung. Wem das dennoch nicht ausreicht, der beschafft sich einfach noch mehr Platz mithilfe einer MicroSD-Karte.
Musik können Nutzer erneut mit überdurchschnittlich guten Kopfhörern erleben, bei denen eine individuelle Klangeinmessung („USonic“) und eine aktive Geräuschunterdrückung für einen großartigen Sound sorgen sollen. Alternativ verwenden Nutzer die Stereolautsprecher, bei denen wieder die BoomSound genannte Technologie zum Einsatz kommt. Sie soll in diesem Modelljahr für 50 Prozent höhere Spitzenlautstärke sorgen. Obwohl dies normalerweise das Scheppern begünstigt, will HTC sogar für eine klarere und präzisere Klangwiedergabe gesorgt haben. Tatsächlich machten die Smartphone-Lautsprecher des HTC U12+ im Kurztest einen sehr guten Eindruck.
HTC Exodus: Blockchain-Smartphone soll noch dieses Jahr erscheinen
Am Rande des Presseevents zum U12+ kündigte HTCs Westeuropa-Chef Erik Matthes außerdem ein weiteres Smartphone-Modell für dieses Jahr an. Allerdings handelt es sich bei dem HTC Exodus heißenden Modell nicht um ein Angebot für den Massenmarkt. Stattdessen spricht es den Kreis der Blockchain-Enthusiasten an. Demnach soll es über eine universelle Wallet für Kryptowährungen verfügen. Einen genauen Starttermin nannte Matthes zwar nicht. Aber der Oktober dieses Jahres scheint realistisch.
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Images by Berti Kolbow-Lehradt
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