Aktuelle Smartphones mausern sich immer öfter zur Kompaktkamera. Die Hersteller spendieren dabei nicht nur lichtstarke Objektive, sondern auch Zweitlinsen. Nach Jahren des Testens und Ausprobierens wagt auch HTC endlich den Schritt zur Dual-Kamera. Im neuen Flaggschiff HTC U12 Plus kommen dabei gleich zwei Exemplare zum Einsatz. Ob und in welchen Disziplinen das High-End-Telefon noch überzeugt, habe ich in einem ausführlichen Alltagstest herausfinden dürfen.
Überall glänzt und schimmert es
Bereits äußerlich gibt es eine Menge „Bling Bling“ beim neuen Flaggschiff der Taiwaner. Der Hersteller bleibt sich treu und setzt das Liquid-Design aus dem U11 konsequent fort. So besteht die Rückseite weiterhin aus Glas. Ohne Hülle machen sich schnell unschöne Fingerabdrücke bemerkbar.
Doch nicht nur das: Das Hochglanzgehäuse ist sehr glatt und sorgt für ein unsicheres Haltegefühl. Und das sogar bei größeren Händen. Dafür sorgen nicht nur die beachtlichen Ausmaße von 157 x 74 Millimetern, sondern auch das Gewicht von 188 Gramm. Auch von glatten Untergründen rutscht das Telefon schnell, unschöne Kratzer sind die Folge. Sollte das HTC U12 Plus doch einmal aus den Händen gleiten, ist es zumindest nach IP68 staub- und wasserdicht.
Edge Sense 2 funktioniert einwandfrei
Möglich wird die Witterungsbeständigkeit durch wenige kabelgebundene Schnittstellen sowie die neuartigen Power- und Lautstärke-Tasten, die genau genommen gar keine sind. HTC hat es nämlich geschafft die physischen Buttons zu beseitigen und stattdessen die berührungsempfindliche Edge-Sense-Technologie zu integrieren. Ein Fingertipp reicht, um das Gerät aus dem Standby zu erwecken oder die Lautstärke zu kontrollieren. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit ging die Steuerung flott und ohne Probleme von den Fingern. Beim verkaufsfertigen Gerät hat HTC also die Macken des Vorserienmodells überwinden können, die noch während des ersten Ausprobierens störten.
Scharfes 18:9-Display mit HDR-Support
Beim Vorgänger U11 Plus hat der Hersteller erstmals ein langgezogenes 6-Zoll-Display mit QuadHD-Auflösung auf den Markt gebracht. Diese Entwicklung behält das Unternehmen bei und setzt nun auf eine aufgebohrte Version mit schmäleren Rahmen. Neben den detailreichen DCI-P3-Farbraum wird auch HDR 10 unterstützt – zum Verkaufsstart allerdings lediglich für YouTube.
Sowohl Blickwinkelstabilität als auch Helligkeit und Farbtreue sind auf einem hohen Niveau, kommen allerdings nicht an die Platzhirsche Samsung oder LG heran. Besonders bei direkter Sonneneinstrahlung muss das Panel im HTC U12 Plus Federn lassen. Alles in allem ist das allerdings Meckern auf höchster Ebene, denn selbst Premium-Ansprüchen genügt das SLC-Display.
High-End-Komponenten unter der Haube
Wie von HTC bereits bekannt, steckt im Gehäuse die derzeit beste mobile Rechentechnik. So kommen der Acht-Kern-Prozessor Snapdragon 845 von Qualcomm und 6 GB Arbeitsspeicher zum Einsatz. Beispielsweise in den branchenbekannten Benchmarktests AnTuTu und Geekbench erreichte das U12 Plus Bestwerte. Intern finden ausbaufähige 64 GB Platz, die im schnellen UFS 2.1 Standard gelesen und beschrieben werden können. Per microSDXC-Karte lässt sich der Speicher außerdem um bis zu 2 TB erweitern.
In der Praxis machte das Gerät eine sehr gute Figur. Selbst leistungshungrige Apps und Spiele öffneten sich fix, Ladezeiten wie etwa in Real Racing 3 hielten sich in Grenzen. Auch die bei Vorgängern auffällige Wärmeentwicklung hat der Hersteller ausgemerzt. So sollten Telefone laufen. Seinen Teil trägt die schlanke Software bei, die HTC verwendet.
Doppelt zweifaches Kamera-Erlebnis
In den letzten Modelljahren hat sich das taiwanische Elektronikunternehmen noch gegen den Trend der Dual-Kameras gewehrt. Beim neuen U12 Plus bringt HTC gleich zwei Exemplare zum Einsatz. Auf der Rückseite hat HTC eine 12 Megapixel auflösende Weitwinkelkamera sowie eine 16 Megapixel auflösende Telekamera platziert. Vor allem erstere entzückt Hobbyfotografen: Mit einer Blende von f/1.75 bei 25 mm Brennweite und 1,4 µm Pixelgröße gelingen hervorragend scharfe und lichtstarke Aufnahmen.
Das Partnermodul ermöglicht einen zweifachen Zoom, ist allerdings qualitativ abgeschlagen. Sie eignet sich besonders für künstlerische Fotos mit Tiefenschärfe, dem sogenannten Bokeh-Effekt. Selbstverständlich gibt es für Kameraprofis auch einen RAW-Modus bei dem die Schnappschüsse im Rohformat und damit besonders bearbeitungsfreundlich gespeichert werden. Im Test überzeugte die Kamera vor allem durch Schärfe sowie Detail- und Farbtreue. Sie macht eine Kompaktkameras mit Zweifach-Zoom obsolet. Auch im Benchmark DxO erreicht das HTC U12 Plus mit 103 Punkten einen Höchstwert.
Getan hat sich auch einiges in Sachen Videoqualität: Bewegtbilder landen erstmals in 4K-Auflösung mit 60 Bildern pro Sekunde auf dem Festspeicher. Der optische Bildstabilisator sorgt für wackelfreie Aufnahmen. Außerdem lässt sich stufenlos bis zu vierfach zoomen. Zeitlupen liefert das HTC U12 Plus in FullHD mit 240 fps. Im Alltag bieten diese Optionen ganz neue Möglichkeiten zum Speichern von Momenten. Es lassen sich schon fast cineastische Clips aufnehmen.
Für Selfiefreunde bietet das Smartphone auf der Front eine Dual-Kamera, dessen Bildsensoren mit je 8 Megapixel auflösen und mit f/2.0 eine lichtstarke Blende bieten. Wie bei der Hauptkamera wird hier ebenfalls HDR Boost 2 unterstützt. Der Bokeh-Modus sorgt dabei für professionell anmutende Schnappschüsse. Ähnlich wie das Samsung Galaxy S9 kommt das HTC-Gerät mit AR-Sticker daher. So lassen sich beispielsweise witzige Fotos à la Snapchat aufzeichnen. Mit Kindern ganz amüsant, ich selbst könnte auf die Spielerei allerdings gern verzichten.
Test-Bilder mit dem HTC U12 Plus in der Übersicht
BoomSound-Lautsprecher mit qualitativer Luft nach oben
Für ein richtiges Multimedia-Gerät muss natürlich auch der Sound stimmen. Seit einigen Jahren setzt der taiwanische Hersteller deshalb auf seine BoomSound-Technologie. Sie ist auch im HTC U12 Plus verbaut. Die schmale Hörmuschel dient dabei als Hochtöner, der bodenseitige Speaker für die langwelligen Bassfrequenzen. Während die Komponenten in Sachen Lautstärke einen neuen Bestwert erreichen, zeigen sich in der Soundqualität Schwachstellen. Vermutlich der für die Displaygröße kompakten Bauweise geschuldet, bietet das Mobiltelefon nur Standardkost. Vorgänger gaben schon druckvollere Tiefen von sich. Unterwegs sollte man also lieber zu den mitgelieferten USonic In-Ear-Kopfhörer greifen, die eine ausgezeichnete Noise Cancellation bieten.
Auch in Sachen Akkuleistung hat das Testgerät Verbesserungspotential. Mit 3.500 mAh ist das Modul nominell gut bestückt, zeigt allerdings im Alltag Schwächen in der Laufzeit. Zwar versorgt der Energiespender das Telefon den kompletten Tag mit Strom. Jedoch ist tägliches Laden Pflicht. HTC selbst verspricht ein zeitnahes Update, der dem erhöhten Verbrauch ein Ende bereiten soll.
HTC-Features peppen Bedienung auf
Das HTC U12 Plus kommt mit dem Android-System in Version 8.0 daher. Die klar strukturierte Sense-Oberfläche ergänzt der Hersteller außerdem um einige Features, die die Bedienung spürbar komfortabler macht. Wie auch beim Vorgänger ist der Rahmen nämlich drucksensitiv und reagiert auf zusammenquetschen der Hand. Einfaches Drücken entsperrt das Telefon, doppeltes „Quetschen“ aktiviert die Kamera. Neu ist die sanfte Antipp-Funktion. Ist das Gerät entsperrt, lässt sich durch doppeltes Tippen mit dem Daumen der sogenannte Edge-Launcher aktivieren.
In der Praxis sind diese Funktionen allerdings zumindest anfangs gewöhnungsbedürftig. Zumal andere Personen etwa beim Zeigen von Schnappschüssen schnell ungewollte Aktionen ausführen. Auch für mich als Nutzer hat es einige Zeit gedauert bis ich etwa den Edge Launcher in den eigenen Workflow integriert habe. Ist das jedoch geschehen, lässt sich das U12 Plus auch unkompliziert mit einer Hand bedienen. Optional ermöglicht der Hersteller auch das Minimieren des Bildschirms.
Fazit: HTC U12 Plus ist eine grandiose Kamera mit Smartphone-Funktionen
Seit dem Neustart mit der One-Serie legt HTC besonderen Wert auf die Kamera. Und auch im U12 Plus ist sie das ultimative Feature. Die beiden Dual-Linsen sorgen dabei für hochwertige Aufnahmen. Man könnte meinen, man hielte sogar eine vollwertige Kamera in den Händen. Tut man aber nicht, sondern nutzt zudem ein leistungsstarkes Smartphone mit den besten Hardware-Komponenten, die der Markt derzeit bietet. Kritik muss sich der taiwanische Hersteller lediglich in Sachen Lautsprecher und Akku gefallen lassen. Die BoomSound-Speaker hinken qualitativ den Vorgängermodellen hinterher und der Akku schwächelt allzu schnell. Für die unverbindliche Preisempfehlung von 799 Euro bietet HTC allerdings ein faires und stimmiges Gesamtpaket mit der Crème de la Crème der Smartphone-Technik.
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Images by Jonas Haller
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