Weihnachten ist vorbei, das Feiertags-Fernsehprogramm ausgeschöpft und allgemein herrscht einfach Antriebslosigkeit und dem Wetter entsprechend graue Stimmung. Doch der Silberstreif am Horizont des Trash-TV kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Alle Jahre wieder können wir uns Mitte Januar auf das Dschungelcamp „freuen“ und von den Dschungel-Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich (in Nachfolge des verstorbenen Dirk Bach) zu einer neue Staffel „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ begrüßen lassen. In der nunmehr elften Staffel kommen jetzt Z-Promis im australischen Dschungel zusammen, um zwei Wochen lang zwischen Klatsch und Kakerlaken die Zuschauer zu bespaßen.
Auf der heimischen Couch nehmen dann auch Angehörige aller Bildungskategorien Platz. Ob man ihn mag oder nicht, ihn als Trash-TV abtut oder sich darüber echauffiert – der Dschungel ist ein wahres Medienphänomen und der massive Marktanteil der Werberelevanten Zielgruppe spricht dafür. Sogar in die Popkultur hält das Dschungelcamp schon Einzug, „Good Morning in the Morning“ und „Was geht los da rein?“ sind beliebte und kultverdächtige Phrasen. Das letztjährige Finale haben mehr als sieben Millionen Zuschauer gesehen. Doch was fasziniert die Zuschauer so an dem Format, dass es sogar bereits im Feuilleton und verschiedenen Werken im akademischen Diskurs auftaucht und sich damit auseinandergesetzt wird?
Meta-Ebene Twitter
Wodurch entsteht der Unterhaltungsfaktor beim Dschungelcamp? Sind es die Prüfungen, der Ekel, der Klatsch und das (manchmal auch nicht) inszenierte zwischenmenschliche Drama der Kandidaten? Oder fiebern wir einfach gern mit ihnen mit? Vor allem die Begleitung der Sendung durch Twitter macht für viele einen großen Spaßfaktor beim Dschungelcamp aus. Während der zwei Wochen Sendezeit ist der Hashtag #ibes mit ziemlicher Sicherheit wieder häufiger in den Twitter-Trends. Die Nutzer fiebern mit, kommentieren und inszenieren sich so auch selbst mit Witzchen, Bemerkungen und sarkastischen Kommentaren. Man kann es teilweise schon fast ‚Hate-Kultur‘ nennen.
So entsteht ein ganz neues Dispositiv, denn zum Konsum der Serie ist der Fernseher nicht mehr das einzige Medium, das zum Erlebnis beiträgt. Dieses entsteht quasi auf zwei medialen Kanälen und wird so zum crossmedialen Konsumerlebnis. Twitter ist das Sekundärmedium neben dem Primärmedium Fernseher und lässt eine neue Meta-Ebene entstehen, durch die das Konsumverhalten und das Konsumieren der Sendung verändert wird.
Authentizität und Inszenierung zwischen Klatsch und Kakerlaken
Teilnehmer gehen zwischen Authentizität und Inszenierung quasi von der Person zum Charakter über. Ob ihnen ihre Rolle nun vorgeschrieben wurde oder ob sie sie irgendwann von selbst übernehmen und weiterspielen, ist dabei nicht von Bedeutung. Durch das Wechselspiel der extremen Ausgangssituation (man bedenke: der Hunger und die Hygienezustände sind echt) und dem Geltungs- und Inszenierungsdrang der Kandidaten vor allem während der Prüfungen, entsteht eine gewisse Theatralik, das Camp wird zur Bühne und zum Schauplatz für die Figuren.
Großer Spaß unter den Zuschauern und vor allem Twitter-Nutzern entsteht so vor allem um das „Haten“ gewisser Teilnehmer. Bestes Beispiel ist der sogenannte „Honey“, einer der Kandidaten des aktuellen Camps. Alexander Keen, so der volle Name des Male-Models, erlangte zuerst „Prominenz“ durch einen Gast-Auftritt in „Germany’s Next Topmodel“ als Freund einer Kandidatin, ein Format, bei dem die Grenzen zwischen Inszenierung und Authentizität auch immer mehr zu verwischen erscheinen. Auf Twitter mauserte sich der eigentliche Nebencharakter in der Model-Saga bald zum Publikums-Liebling beziehungsweise eher Anti-Liebling. Woche für Woche explodierte der Hashtag #Honey auf Twitter und Nutzer verfielen in einen wahren Hate-Rausch. Sogar ProSieben griff dies auf und passte die Promos für die aktuellen Folgen auf das Phänomen „Honey“ an.
Prinzip Hate-Watching
Das Format SchleFaz treibt das Prinzip des Hate-Watching, sich also etwas nicht zum Vergnügen, sondern um sich darüber auslassen zu können, dabei auf die Spitze. „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ ist eine satirische Filmreihe des Senders Tele 5, bei der die Moderatoren Oliver Kalkofe (der das Dschungelcamp ebenfalls auch in Kalkofes Camp-Report mit erwartungsgemäß spitzem Ton kommentieren wird) und Peter Rütten in jedem Nebensatz humorvoll, spitzzüngig und gezielt denunzierend den jeweiligen Trash-Film vorstellen und ihn meist begleitet durch ein Trinkspiel zusammen mit den Zuschauern ansehen. Das klingt nach einem großen Spaß – wenn man sich darauf einlassen kann.
Das Prinzip des Hate-Watching kommt einem Unfall gleich, es ist schrecklich, man kann aber nicht wegsehen. Durch Hate-Watching oder auch das „Guilty Pleasure“, etwas, das einem Freude bereitet, obwohl man weiß, wie „schlecht“ es ist, lassen ein ganz neues Dispositiv für Konsumenten entstehen. Viele Serien und Filme werden nicht mehr zur Freude am Content angesehen, sondern gezielt gehasst, um später in Social Media dazu zu diskutieren und sich in manchen Fällen auch zu echauffieren.
Das Dschungelcamp muss man nicht verstehen. Das macht vielleicht aber auch die Faszination aus. Vorbei sind die Zeiten, wo man noch Sendungen geschaut hat, weil sie einem gar gefallen. Heutzutage wird Hate-Watching betrieben und der richtige Spaß entsteht für viele erst an der multimedialen Missgunst online.
Image (adapted) „Monkey“ by samuelrodgers752 (CC BY 2.0)
Screenshots by Lisa Kneidl
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Schlagwörter: Australien, Dschungel-Camp, Dschungelcamp, fernsehen, fernsehsendung, Meta, ProSieben, RTL, SchleFaz, Trash, tv, Twitter