Mit einem smarten Kühlschrank ergibt das Konzept des Smart Home für mich erst Sinn. Warum ich eine Waschmaschine per WLAN bedienen soll, hat sich mir nie erschlossen. Auch eine per App steuerbare Kaffeemaschine bietet einen überschaubaren Mehrwert. Und mit smarter Hausautomatisierung kann ich als Wohnungsmieter nichts anfangen. Hingegen ein smarter Kühlschrank, der mir bei der Orga von Lebensmitteln und Alltag hilft und auch noch etwas Entertainment bietet – dafür kann ich mich erwärmen. Auf der IFA 2016 haben gleich mehrere Hersteller smarte Modelle präsentiert. Ich habe für euch einen Blick darauf und hineingeworfen.
Samsung Family Hub vernetzt Küche, Familie und Smart Home
Samsung ist bei der Entwicklung eines smarten Kühlschranks am weitesten. Mit dem Family Hub RB7500 kommt das erste marktreife Modell jetzt in Deutschland in den Handel. Ab Oktober ist es erhältlich – für saftige 4.399 Euro. Es handelt sich um einen Kühler und Gefrierer im Standardformat. Auf den IMB, einer Vorab-IFA, hatte Samsung im Juli noch eine Doppeltür-Version (Side-by-Side) gezeigt. Sie ist aber nicht für den deutschen Markt gedacht. Damals konnte ich mich bereits ausführlich mit dem Family-Hub-Konzept von Samsung beschäftigen. An den Grundfunktionen hat sich nichts geändert. Ein paar Details sind hinzugekommen. Herzstück ist ein Computer mit 21,5 Zoll großem Touch-Display – der sogenannte Family Hub. Er ist in die Außentür eingelassen und läuft mit Samsungs Betriebssystem Tizen, das wie Android auf Linux basiert. Der Family Hub lässt sich per Wi-Fi anfunken. Die Kernfunktionen drehen sich rund um Lagerung und Einkaufen, wobei Online-Shopping mit dem Gerät selbst nicht funktioniert. Mit der Smart Home-App von Samsung kann man von unterwegs in den Kühlschrank schauen und prüfen, welche Lebensmittel vorhanden sind. Außerdem lassen sich mit dem Family Hub Einkaufslisten führen und mit dem Smartphone abgleichen. Auf dem Kühlschrankdisplay können virtuelle Verfallsmarken an den gelagerten Lebensmitteln befestigt werden. Sie aktualisieren sich als Countdown und warnen, wenn Schluss mit der Genießbarkeit ist. Am Samsung-Stand im CityCube konnte ich ein Galaxy S7 edge mit einem ausgestellten Kühlschrank verbinden und die Funktionen testen. Das funktionierte wunderbar. Auch Entertainment und Alltags-Orga kann der Family Hub. Über TuneIn kann ich Musik hören, im Web kann ich nach Rezepten suchen. Ich kann meinen Kalender abgleichen, das Wetter checken und vieles mehr. Darüber hinaus hat Samsung seit meinem Hands-on auf den IMB ein paar Software-Features nachgelegt: Neben dem Bild des TV-Geräts kann man nun auch das Smartphone auf dem Family Hub spiegeln. Das ist praktisch, wenn man etwa auf WhatsApp zugreifen möchte. Außerdem läuft jetzt auch die Smart Home-App auf dem Kühlschrank selbst. Kompatible Geräte lassen sich somit per WLAN direkt vom Family Hub aus steuern. Für viele Funktionen ist Samsungs eigene Smart Home-App notwendig. In anderen Fällen sind proprietäre Anwendungen vorinstalliert. Allerdings ist laut Samsung geplant, dass irgendwann auch Dritt-Apps installiert werden können.
LG Smart InstaView-Door-in-Door: Der Coole mit der Zaubertür
LGs smarter Kühlschrank war ein weiteres Highlight auf der IFA. Er ist vorerst aber nur in Asien erhältlich und bald wohl in den USA. Nach Deutschland kommt er einer LG-Sprecherin zufolge frühestens 2017. In dem Side-by-Side-Kühlschrank ist ein 29 Zoll großer Computer mit Touch-Display installiert. Er basiert anders als bei Samsung auf Windows 10. Der Vorteil: über den Microsoft Store sind diverse Apps verfügbar, die sich mit ihren Pendants unter Android und iOS synchronisieren lassen. LG lege Wert auf ein offenes System, heißt es. Die Rechenleistung liefert ein kleiner Computer mit Intel Atom-Prozessor. Der besondere Clou an LGs smartem Kühlschrank: Dank Knock-On-Funktion kann man durch das halbtransparente Display des Kühlschranks nach zweimaligem Klopfen hineinblicken. Anders als bei Samsung sind keine Innenraum-Kameras dazu notwendig. Das mutet schon wie ein cooler Zaubertrick an. Ansonsten bietet LGs smarter Kühlschrank ähnliche Funktionen wie der Family Hub: Haltbarkeitsmarken, Küchenwecker und Notizen. Ein Webbrowser, eine Rezepte-App und ein Player für Musik und Video sind ebenfalls an Bord. Das Display reagiert fix. Die Oberfläche wirkt auf mich eleganter und ausgereifter als bei Samsung.
Haier: „Vorratsbratenspeicherung“ und ein Supermarkt im Kühlschrank
Der chinesische Technik-Hersteller Haier möchte in Deutschland bekannter werden. Mit coolen Geräten wie einem smarten Kühlschrank könnte das sicher gelingen. Schade nur, dass das Unternehmen sich in diesem Punkt versteckt. Nur durch Zufall habe ich auf einer Stand-Tour ein smartes Doppeltür-Modell entdeckt. Es handelte sich um einen Prototyp. Auf dem Touch-Display ließen sich Demo-Apps bedienen. Mit dem Internet verknüpft waren sie noch nicht. Als Betriebssystem kommt dem Standpersonal zufolge Android zum Einsatz. Die Oberfläche macht einen noch recht groben Eindruck und verträgt sicherlich etwas Feinschliff. Das Lebensmittelmanagement steht auch bei Haiers Modell im Mittelpunkt. Eine Vorratsübersicht mit Haltbarkeitsmarken ist wie bei den Wettbewerbern eine der zentralen Funktionen. Im Vergleich zu LG und Samsung will Haier dem Vernehmen nach jedoch eine Mustererkennung einbauen. Dann registriert die Kamerasoftware automatisch, ob und wie viele Äpfel ich im Kühlschrank habe. Das nennt man dann wohl „Vorratsbratenspeicherung“. Dass der Lebensmitteleinkauf direkt vom Kühlschrank aus irgendwann das Ziel sein soll, veranschaulichte zudem eine stilisierte Supermarkt-App. Temperaturregelung der einzelnen Kühlzonen, Wetter-Check, Videos angucken und im Web surfen – das sind weitere Funktionen, die Haiers smarter Kühlschrank bietet. Noch ist der Kühlschrank in der Testphase. Ob und wann er einmal nach Deutschland kommt, ist unklar. Dass Haier bei computerisierten und vernetzten Kühlschränken aktiv wird, halte ich aber für wahrscheinlich. Schließlich ist der Aufbau eines Smart-Home-Ökosystems eine erklärte Strategie des Unternehmens.
Fazit
Das, was smarte Kühlschränke jetzt können und vielleicht noch können werden, sind die Features, die das Smart Home erst so richtig smart machen. Lästige Aufgaben der Haushaltsführung werden leichter, bereiten Spaß – und das Ganze lässt sich sogar noch so leicht bedienen wie ein Smartphone. Diesen Spaß können aber vorerst nur diejenigen genießen, die bereit sind, viel Geld dafür auszugeben. Für LG und Haier sind keine Preise bekannt. Sie dürften sich auf demselben Niveau wie dem des Samsung-Modells bewegen. Damit sind smarte Kühlschränke etwas für Early Adopter. Bis zur Massentauglichkeit dürfte es noch Jahre dauern. Außerdem wird bei vernetzten Kühlschränken sicher auch der Datenschutz ein großes Thema werden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf „Androidpiloten“ unter CC BY-ND 4.0.
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Schlagwörter: APP NEWS, Haier, IFA 2016, Lebensmittelmanagement, LG, Samsung, SMART HOME TIPPS, Smarter Kühlschrank, Tizen, wi-fi